Oliver Thoma: Deutschlandfunk, die "Informationen am Morgen", wieder einmal mit der Frage: Quo vadis SPD?. Und wieder einmal brauchte die Partei einen neuen Vorsitzenden. Matthias Platzeck musste nach seinen Hörstürzen aufgeben. Jetzt wird Kurt Beck in die Pflicht genommen. "Der Letzte, der übrig blieb", schreiben die Kommentatoren heute, und das klingt nicht gerade nach Hoffnungsträger, auch wenn Beck ein Siegertyp ist, in Rheinland-Pfalz jedenfalls. Aber wo sind die jungen Siegertypen für die Zukunft?
Florian Pronold könnte so einer sein, Bankkaufmann, Jurist aus Deggendorf, stellvertretender SPD-Vorsitzender in Bayern und jetzt neuer Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, auch schon Finanzexperte, jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Pronold!
Florian Pronold: Guten Morgen!
Thoma: Sie haben ja tatsächlich eine tolle Blitzkarriere hingelegt, wie alle sagen in der SPD. Aber für die Platzeck-Nachfolge war es dann doch noch etwas zu früh, oder?
Pronold: Erstens das und zweitens glaube ich auch nicht, dass solche Suche nach Hoffnungsträgern wirklich zielführend ist, sondern Matthias Platzeck hat ja auch den Parteivorsitz versucht anzulegen als Teamaufgabe für das Präsidium, für den Parteivorstand. Und ich habe nicht die Hoffnung, dass einzelne Hoffnungsträger irgendetwas lösen können, sondern das muss eine Teamangelegenheit sein.
Thoma: Sie wollen ja sowieso auch erst einmal Ministerpräsident in Bayern werden, haben Sie gesagt?
Pronold: Ja, das finde ich wesentlich spannender, zweiter sozialdemokratischer Ministerpräsident in Bayern in der Nachkriegsgeschichte zu werden als Bundeskanzler.
Thoma: Wo Sie das mit der Teamgeschichte jetzt so ansprechen. Geschlossenheit in der SPD, da waren Sie ja nicht unbedingt das Vorbild. Man sagt, Sie waren mit Schuld daran, dass Gerhard Schröder gestürzt wurde, als Sie nämlich immer wieder Kritik an der Agenda 2010 geübt haben.
Pronold: Das wäre ein bisschen zu viel der Ehre. Erstens ist er nicht gestürzt worden, und zweitens ist die SPD eine sehr demokratische Partei. Und wir führen immer ernsthafte Auseinandersetzungen auch über die Frage des richtigen Kurses. Das, was ich in dem Mitgliederbegehren vertreten habe, fand sich dann überraschenderweise sehr stark im Wahlprogramm, mit dem wir bei der Bundestagswahl die Aufholjagd gewonnen haben. Das ist aber alles schon Vergangenheit. Und ich glaube. jetzt müssen wir nach vorne schauen.
Thoma: Sie haben aber natürlich schon Kritik geübt, aber Sie haben jetzt das Gefühl, dass diese Kritik am Reformprogramm der SPD gewirkt hat?
Pronold: Ja. Wir haben zum Beispiel bei "Hartz IV" damals sehr wichtige Dinge geändert, wenn es um die Vermögensfreibeträge beim ALG II geht. Es ist eine entscheidende Frage, ob Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, eben dann nicht ihr Haus verkaufen müssen, ihr Auto verkaufen müssen oder die Lebensversicherung auflösen. Das ist etwas, wofür es sich auch zu kämpfen lohnt.
Thoma: Nun ist das Inhaltliche im Moment schon sehr wichtig bei der SPD. Da haben Sie gekämpft. Sie sagen, es hat sich auch schon etwas verändert. Wird sich das dann auch im neuen Grundsatzprogramm der SPD wieder finden?
Pronold: Über das Grundsatzprogramm wird jetzt erst einmal breit diskutiert, und dann wird es auch auf einem Parteitag beschlossen, wenn der Zeitplan jetzt so hält. Das weiß ich noch nicht. Aber auf alle Fälle ist es so, dass ich glaube, dass die Frage sozialdemokratisches Profil für das Grundsatzprogramm genauso wichtig ist wie auch jetzt für die große Koalition.
Thoma: Nun hat auch Matthias Platzeck ja gerade formuliert, wie er sich das vorstellt, das Grundsatzprogram. Er will schon das soziale Profil der SPD schärfen. Er will ein neues Solidarprinzip, wo man dann Antworten findet auf die Herausforderungen der Globalisierung, der Überalterung der Gesellschaft. Glauben Sie, dass dies so ein bisschen der Traum des Ostdeutschen ist vom Fürsorge-Sozialmodell nach skandinavischem Vorbild?
Pronold: Das sind mit Sicherheit nicht Träume von Ostdeutschen, sondern das sind die Träume der Mehrheit der Deutschen, wenn Sie sich die Umfragen anschauen. Die Menschen wollen gerade im Zeitalter der Globalisierung, dass auch der Staat die Aufgabe übernimmt, bestimmte Lebensrisiken solidarisch abzusichern. Ich halte das auch für die Kernaufgabe der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert, Sicherheit im Wandel herzustellen. Denn nur Menschen, die nicht jeden Tag Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, Menschen, die nicht Angst haben müssen, ins Nichts zu fallen, die können produktiv sein und die gehen auch solidarisch und mitmenschlich miteinander um.
Thoma: Kann denn die SPD dort tatsächlich in kürzerer Zeit ein Rezept finden, das die Leute auch wieder abholt?
Pronold: Wir müssen es zumindest versuchen. Die Sachen sind relativ schwierig, wenn Sie sich viele Fragen anschauen. Je mehr Sie ins Detail gehen, umso schwieriger wird es. Und unter einer großen Koalition ist es nicht gerade einfacher.
Thoma: Sie haben gesagt, es kommt nicht darauf an, jetzt irgendwelche Leute so schnell aufzubauen, Nachwuchskräfte heranzuzüchten, wenn man so will. Trotzdem ist die Personaldecke jetzt nach Meinung vieler schon sehr dünn. Also irgendwie muss die Nachwuchsarbeit doch gefördert werden?
Pronold: Ich kenne nun die Debatte mit dem zu wenig Nachwuchs eigentlich zu jeder Situation der SPD. Soweit ich mich jetzt erinnern kann, in den letzten 15 Jahren gab es fast nie ein Überangebot. Es ist tatsächlich so, dass alle Volksparteien das Problem haben, dass immer weniger Jüngere bereit sind, in Verantwortung zu gehen und hier einen längeren Marsch durch die Institutionen auf sich zu nehmen, den ich übrigens für die Voraussetzung auch halte, um dann später politische Ämter übernehmen zu können. Seiteneinsteigern fehlt oft dann ein bisschen die Erfahrung, wie das Ganze denn wirklich funktioniert, und sie scheitern sehr schnell. Ich sehe durchaus in der SPD-Bundestagsfraktion, ich sehe jetzt im Präsidium zum Beispiel mit Andrea Nahles oder mit dem neuen Generalsekretär Hubertus Heil, mit Niels Annen, mit anderen durchaus jüngere Kräfte, die schon von Matthias Platzeck in die Startpositionen gebracht worden sind. Dass jetzt mit Kurt Beck noch eine Phase da ist, wo die SPD sich auf die Auseinandersetzung 2009 vorbereitet, das halte ich für richtig. Jung ist nicht gleich gut. Man muss das auch alles nicht übereilen. Aber die Zeit der jetzt Jüngeren in der SPD wird auch kommen.
Thoma:! Ist denn Kurt Beck der Siegertyp, der die SPD auch in ganz Deutschland für längere Zeit nach vorne bringen kann?
Pronold:! Wer es schafft, in einem strukturkonservativen Land wie Rheinland-Pfalz hier eine absolute SPD-Mehrheit im Landtag zu erzielen, der ist mit Sicherheit auch ein sehr guter SPD-Parteivorsitzender. Natürlich muss man eines immer wissen, dass die Frage, in einem Land Landesvorsitzender zu sein und Ministerpräsident, ein Stück weit eine andere Aufgabe ist und sicher mit weniger Schwierigkeiten, so schwierig das allein schon ist, verbunden ist, als dann Vorsitzender der Bundes-SPD zu sein. Aber Kurt Beck ist ja nun auch lange genug stellvertretender Parteivorsitzender, um zu wissen, was da auf ihn zukommt.
Thoma: Was wird mit Kurt Beck denn anders als mit Matthias Platzeck?
Pronold: Ich glaube, jeder Vorsitzende hat ein Stück weit einen eigenen Stil, einen anderen Stil. Aber Kurt Beck hat ja auch angekündigt, dass das, was Matthias Platzeck angefangen hat, einen sehr kooperativen und teamorientierten Führungsstil, den auch fortzusetzen. Und mit Sicherheit wird Kurt Beck auch wie jeder Parteivorsitzende versuchen, eigene Akzente in der Programmdebatte zu setzen. Das wird man abwarten, was da kommt. Aber die entscheidende Frage ist ja wirklich, dass es auch weiterhin gelingt, den Weg von Matthias Platzeck weiter zu schreiten und hier mehr Teamorientierung und wieder auch mehr innerparteiliche Beteiligung und Demokratie zu organisieren.
Thoma: Florian Pronold war das, SPD-Landesgruppenchef im Bundestag, im Deutschlandfunk-Interview. Danke schön.
Pronold: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören
Florian Pronold könnte so einer sein, Bankkaufmann, Jurist aus Deggendorf, stellvertretender SPD-Vorsitzender in Bayern und jetzt neuer Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, auch schon Finanzexperte, jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Pronold!
Florian Pronold: Guten Morgen!
Thoma: Sie haben ja tatsächlich eine tolle Blitzkarriere hingelegt, wie alle sagen in der SPD. Aber für die Platzeck-Nachfolge war es dann doch noch etwas zu früh, oder?
Pronold: Erstens das und zweitens glaube ich auch nicht, dass solche Suche nach Hoffnungsträgern wirklich zielführend ist, sondern Matthias Platzeck hat ja auch den Parteivorsitz versucht anzulegen als Teamaufgabe für das Präsidium, für den Parteivorstand. Und ich habe nicht die Hoffnung, dass einzelne Hoffnungsträger irgendetwas lösen können, sondern das muss eine Teamangelegenheit sein.
Thoma: Sie wollen ja sowieso auch erst einmal Ministerpräsident in Bayern werden, haben Sie gesagt?
Pronold: Ja, das finde ich wesentlich spannender, zweiter sozialdemokratischer Ministerpräsident in Bayern in der Nachkriegsgeschichte zu werden als Bundeskanzler.
Thoma: Wo Sie das mit der Teamgeschichte jetzt so ansprechen. Geschlossenheit in der SPD, da waren Sie ja nicht unbedingt das Vorbild. Man sagt, Sie waren mit Schuld daran, dass Gerhard Schröder gestürzt wurde, als Sie nämlich immer wieder Kritik an der Agenda 2010 geübt haben.
Pronold: Das wäre ein bisschen zu viel der Ehre. Erstens ist er nicht gestürzt worden, und zweitens ist die SPD eine sehr demokratische Partei. Und wir führen immer ernsthafte Auseinandersetzungen auch über die Frage des richtigen Kurses. Das, was ich in dem Mitgliederbegehren vertreten habe, fand sich dann überraschenderweise sehr stark im Wahlprogramm, mit dem wir bei der Bundestagswahl die Aufholjagd gewonnen haben. Das ist aber alles schon Vergangenheit. Und ich glaube. jetzt müssen wir nach vorne schauen.
Thoma: Sie haben aber natürlich schon Kritik geübt, aber Sie haben jetzt das Gefühl, dass diese Kritik am Reformprogramm der SPD gewirkt hat?
Pronold: Ja. Wir haben zum Beispiel bei "Hartz IV" damals sehr wichtige Dinge geändert, wenn es um die Vermögensfreibeträge beim ALG II geht. Es ist eine entscheidende Frage, ob Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, eben dann nicht ihr Haus verkaufen müssen, ihr Auto verkaufen müssen oder die Lebensversicherung auflösen. Das ist etwas, wofür es sich auch zu kämpfen lohnt.
Thoma: Nun ist das Inhaltliche im Moment schon sehr wichtig bei der SPD. Da haben Sie gekämpft. Sie sagen, es hat sich auch schon etwas verändert. Wird sich das dann auch im neuen Grundsatzprogramm der SPD wieder finden?
Pronold: Über das Grundsatzprogramm wird jetzt erst einmal breit diskutiert, und dann wird es auch auf einem Parteitag beschlossen, wenn der Zeitplan jetzt so hält. Das weiß ich noch nicht. Aber auf alle Fälle ist es so, dass ich glaube, dass die Frage sozialdemokratisches Profil für das Grundsatzprogramm genauso wichtig ist wie auch jetzt für die große Koalition.
Thoma: Nun hat auch Matthias Platzeck ja gerade formuliert, wie er sich das vorstellt, das Grundsatzprogram. Er will schon das soziale Profil der SPD schärfen. Er will ein neues Solidarprinzip, wo man dann Antworten findet auf die Herausforderungen der Globalisierung, der Überalterung der Gesellschaft. Glauben Sie, dass dies so ein bisschen der Traum des Ostdeutschen ist vom Fürsorge-Sozialmodell nach skandinavischem Vorbild?
Pronold: Das sind mit Sicherheit nicht Träume von Ostdeutschen, sondern das sind die Träume der Mehrheit der Deutschen, wenn Sie sich die Umfragen anschauen. Die Menschen wollen gerade im Zeitalter der Globalisierung, dass auch der Staat die Aufgabe übernimmt, bestimmte Lebensrisiken solidarisch abzusichern. Ich halte das auch für die Kernaufgabe der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert, Sicherheit im Wandel herzustellen. Denn nur Menschen, die nicht jeden Tag Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, Menschen, die nicht Angst haben müssen, ins Nichts zu fallen, die können produktiv sein und die gehen auch solidarisch und mitmenschlich miteinander um.
Thoma: Kann denn die SPD dort tatsächlich in kürzerer Zeit ein Rezept finden, das die Leute auch wieder abholt?
Pronold: Wir müssen es zumindest versuchen. Die Sachen sind relativ schwierig, wenn Sie sich viele Fragen anschauen. Je mehr Sie ins Detail gehen, umso schwieriger wird es. Und unter einer großen Koalition ist es nicht gerade einfacher.
Thoma: Sie haben gesagt, es kommt nicht darauf an, jetzt irgendwelche Leute so schnell aufzubauen, Nachwuchskräfte heranzuzüchten, wenn man so will. Trotzdem ist die Personaldecke jetzt nach Meinung vieler schon sehr dünn. Also irgendwie muss die Nachwuchsarbeit doch gefördert werden?
Pronold: Ich kenne nun die Debatte mit dem zu wenig Nachwuchs eigentlich zu jeder Situation der SPD. Soweit ich mich jetzt erinnern kann, in den letzten 15 Jahren gab es fast nie ein Überangebot. Es ist tatsächlich so, dass alle Volksparteien das Problem haben, dass immer weniger Jüngere bereit sind, in Verantwortung zu gehen und hier einen längeren Marsch durch die Institutionen auf sich zu nehmen, den ich übrigens für die Voraussetzung auch halte, um dann später politische Ämter übernehmen zu können. Seiteneinsteigern fehlt oft dann ein bisschen die Erfahrung, wie das Ganze denn wirklich funktioniert, und sie scheitern sehr schnell. Ich sehe durchaus in der SPD-Bundestagsfraktion, ich sehe jetzt im Präsidium zum Beispiel mit Andrea Nahles oder mit dem neuen Generalsekretär Hubertus Heil, mit Niels Annen, mit anderen durchaus jüngere Kräfte, die schon von Matthias Platzeck in die Startpositionen gebracht worden sind. Dass jetzt mit Kurt Beck noch eine Phase da ist, wo die SPD sich auf die Auseinandersetzung 2009 vorbereitet, das halte ich für richtig. Jung ist nicht gleich gut. Man muss das auch alles nicht übereilen. Aber die Zeit der jetzt Jüngeren in der SPD wird auch kommen.
Thoma:! Ist denn Kurt Beck der Siegertyp, der die SPD auch in ganz Deutschland für längere Zeit nach vorne bringen kann?
Pronold:! Wer es schafft, in einem strukturkonservativen Land wie Rheinland-Pfalz hier eine absolute SPD-Mehrheit im Landtag zu erzielen, der ist mit Sicherheit auch ein sehr guter SPD-Parteivorsitzender. Natürlich muss man eines immer wissen, dass die Frage, in einem Land Landesvorsitzender zu sein und Ministerpräsident, ein Stück weit eine andere Aufgabe ist und sicher mit weniger Schwierigkeiten, so schwierig das allein schon ist, verbunden ist, als dann Vorsitzender der Bundes-SPD zu sein. Aber Kurt Beck ist ja nun auch lange genug stellvertretender Parteivorsitzender, um zu wissen, was da auf ihn zukommt.
Thoma: Was wird mit Kurt Beck denn anders als mit Matthias Platzeck?
Pronold: Ich glaube, jeder Vorsitzende hat ein Stück weit einen eigenen Stil, einen anderen Stil. Aber Kurt Beck hat ja auch angekündigt, dass das, was Matthias Platzeck angefangen hat, einen sehr kooperativen und teamorientierten Führungsstil, den auch fortzusetzen. Und mit Sicherheit wird Kurt Beck auch wie jeder Parteivorsitzende versuchen, eigene Akzente in der Programmdebatte zu setzen. Das wird man abwarten, was da kommt. Aber die entscheidende Frage ist ja wirklich, dass es auch weiterhin gelingt, den Weg von Matthias Platzeck weiter zu schreiten und hier mehr Teamorientierung und wieder auch mehr innerparteiliche Beteiligung und Demokratie zu organisieren.
Thoma: Florian Pronold war das, SPD-Landesgruppenchef im Bundestag, im Deutschlandfunk-Interview. Danke schön.
Pronold: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören