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Junge Arbeitnehmer in Spanien
Gut ausgebildet, schlecht bezahlt

Die schwere Wirtschaftskrise in Spanien gilt eigentlich als überwunden, doch junge Arbeitnehmer verdienen nach einer Studie der Spanischen Zentralbank immer noch weniger als vor zehn Jahren. Selbst viele junge Akademiker leben weiter am Existenzminimum - eine Folge der Arbeitsmarktpolitik.

Von Oliver Neuroth | 16.07.2019
Angestellte der Universität in Madrid betreten das Institutsgebäude der Chemischen Fakultät
Nachwuchs-Akademiker an der Universität Madrid - nur jeder dritte junge Arbeitnehmer in Spanien ist festangestellt (AFP / GERARD JULIEN)
Manel aus Barcelona beklagt sich nicht über seine Lage, doch so richtig zufrieden ist der 33-Jährige auch nicht: Der studierte Biologe arbeitet in einem Krankenhaus-Labor und verdient gut 1.000 Euro im Monat.
Seine Generation sei die der "Lowcost-Beschäftigten", sagt er, die "Ryanair der Arbeiter". Mit seinem Gehalt kommt Manel über die Runden, doch große Sprünge sind nicht möglich. Eine gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin zum Beispiel - undenkbar.
"Wie sollen wir die Rechnungen bezahlen? Ich verdiene zwar mehr als sie, aber ich kann auch nicht alles übernehmen."
Niedrige Gehälter - selbst für Akademiker
Die Studie der Spanischen Zentralbank kommt zu dem Ergebnis, dass selbst junge Akademiker finanziell schlechter gestellt sind als Gleichaltrige vor zehn Jahren - auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise in Spanien. Beispielsweise dauert es heutzutage deutlich länger, bis ein Akademiker das oft sehr niedrige Einstiegsgehalt verlässt und mehr verdient.
Ein 30-jähriger schlecht ausgebildeter Spanier verdient heute im Schnitt ein Fünftel weniger als ein Gleichaltriger vor zehn Jahren, nämlich knapp 10.000 Euro im Jahr. Eine Entwicklung, die der spanische Jugendrat kritisch sieht, der Dachverband aller Jugendorganisationen. Diego Vazquez vom Jugendrat beklagt vor allem, dass junge Spanier meistens nur befristet angestellt werden. Im Schnitt hätten sie fünf Zeitverträge pro Jahr.
"Junge Spanier erreichen so keine Stabilität. Sie brauchen Sicherheit, um zum Beispiel eine Familie gründen zu können. Stattdessen hangeln sie sich von einem Zeitvertrag zum nächsten. Das erzeugt eine gewaltige Unsicherheit."
Zu viele Fristverträge
Nur jeder dritte junge Arbeitnehmer ist festangestellt - in der Eurozone ist es im Schnitt jeder Zweite. Dass spanische Firmen Verträge problemlos befristen können, macht die Arbeitsmarktreform von 2012 möglich. Die damals konservative Regierung wollte damit die Wirtschaft in den Krisenjahren ankurbeln. Unter anderem bekamen Arbeitgeber auch das Recht, Beschäftigten leichter zu kündigen.
Die Zentralbank macht in ihrer Studie diese Reform für die Entwicklung der Gehälter hauptsächlich verantwortlich. Und sie warnt: Wenn die Politik nichts unternehme, um die Situation der jungen Arbeitnehmer zu verbessern, werde sich die Lage noch verschärfen.
Generation der Benachteiligten
Anais, die Freundin von Biologe Manel aus Barcelona, hält die Generation der heute 30- bis 40-Jährigen für benachteiligt.
"Unsere Eltern und Großeltern konnten selbst mit schlechter Ausbildung fast überall Jobs finden. Unsere Generation und die nachkommende werden es schwer haben, wir müssen uns ständig weiterbilden. Wahrscheinlich hören wir nie auf zu studieren."
Anais selbst hat Jura studiert und zwei Aufbaustudiengänge oben drauf gesetzt. Trotzdem fand sie jahrelang keinen Job. Ein Beispiel, das entmutigend und frustrierend klingt - und doch unter jungen Spaniern oft Realität ist.