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Junge Chinesen
Krise? Welche Krise?

Viele Menschen in China kennen vor allem eins: den Weg nach oben. Jahrzehntelang war der Aufstieg prägend für das Land und auch für das Selbstverständnis der jungen Generationen. Nun ist von Krise die Rede. Das sehen viele junge Chinesen gelassen. Sie glauben weiter an sich und an ihr Land.

Von Axel Dorloff | 26.01.2016
    Wang Chenwei, Mitgründerin von Beijing Makerspace.
    Der Optimismus bleibt bei Wang Chenwei: Von Krise wollen viele junge Chinesen nicht reden. (Axel Dorloff)
    Hier sind die chinesischen Träume von der Lokalregierung subventioniert: ein modernes Hochhaus im Nordwesten von Peking, in Zhongguancun. Im Eingangsbereich steht mit großen Buchstaben "Traum-Labor". Weiter oben: der Beijing Makerspace. Ein Ort mit Start-ups, Designern oder einfach nur Leuten mit Ideen. Lichtdurchflutete Büros, voll mit 3D-Druckern, kleinen Drohnen, Schaltplatinen und Menschen in ihren Zwanzigern. Ein Ort, an dem die Krise in China – sollte es denn eine geben – noch nicht angekommen ist, sagt Mitgründerin Wang Chenwei.
    "In meinem Alltag spüre ich nicht, dass es der Wirtschaft schlechter geht. Auch wenn die Preise steigen – unsere Kaufkraft steigt ja auch. Wir haben nie das Gefühl, dass wir morgen unser Leben nicht mehr finanzieren könnten. Ob Designer oder Programmierer – unser jährliches Einkommen auf dem Arbeitsmarkt steigt jedes Jahr. Selbst wenn ich es nicht schaffe, hier mein eigenes Start-up zu etablieren – ich finde immer einen Job."
    Von der Werkbank zum Entwicklungszentrum
    Es sind vermutlich diese jungen Leute, die sich Chinas Führung ausmalt, wenn sie mal wieder mehr Innovation fordert, um Chinas Wirtschaft weiter zu entwickeln – wie Ministerpräsident Li Keqiang. Oder immer wieder vom Chinesischen Traum redet, wie Staats- und Parteichef Xi Jinping. Bis vor wenigen Jahren gab es das Wort Macher in der chinesischen Sprache gar nicht – das musste man erst noch erfinden: Chuang Ke. Und so sind sie noch verhältnismäßig neu: die jungen Macher und Macherinnen, die halb im Silicon Valley wohnen – und halb in Peking, wie Wei Qiao. Ebenfalls Mitgründerin vom Beijing Makerspace.
    "Wir haben sehr große Unterstützung der Regierung bekommen. Wir bekommen diesen ganzen Raum hier kostenlos gestellt. Wir bekommen die Ressourcen gestellt, um unsere Projekte zu verfolgen."
    Smart Hardware, Virtuelle Realität, die Digitalisierung der Industrie: Das sind die neuen Schlagworte für die Start-up Elite. Nichts mehr mit verlängerter Werkbank der Welt. Geht es nach Chinas Führung, soll das Land zu einem fortschrittlichen Forschungs- und Entwicklungszentrum werden. Und obwohl viele Wirtschaftsindikatoren derzeit nach unten zeigen – die jungen Macher hier glauben weiter an Chinas Aufstieg.
    "Ich glaube an die Regierung, mache mir keine Sorgen und bin auch nicht nervös. Chinas Fundament ist sehr stark. Und die Regierung sieht die Potenziale der verschiedenen Industrien. Ministerpräsident Li Keqiang erwähnt es immer wieder: die Macher, die Innovation. Vielleicht auch, weil er die Krise sieht – und einen Weg daraus finden will."
    Mehr junge Menschen als Deutschland Einwohner hat
    Derzeit leben rund 140 Millionen Menschen in China, die in den 90er-Jahren geboren sind. Das heißt: Es gibt fast doppelt so viele junge Chinesen zwischen 16 und 26 wie Deutschland Einwohner hat. Weniger Wirtschaftswachstum hin – Börsencrash her. Zumindest die jungen, gut ausgebildeten Menschen wie Wang Chenwei aus dem Beijing Makerspace machen sich wenig Sorgen um einen Absturz.
    "In meinem Freundeskreis geht es um neue Technologien und neue Ideen, nicht um das Auf und Ab der Finanzmärkte. Viele Chinesen haben den Weg aus der Armut geschafft. Und egal, welches Projekt wir anpacken: China hat eine riesige Bevölkerung, sodass es immer ein paar gibt, die sich dafür interessieren. Und einen Absatzmarkt bieten. Das gibt uns Sicherheit. Egal, ob wirtschaftliche Krise – wir haben die vielen Menschen – und wir haben Möglichkeiten."
    Viel schöner hätte das die Führung in Peking auch nicht formulieren können. China ist ein Land, das in den letzten 30 Jahren vor allem den Weg nach oben kannte. Manche sagen: China hat nur eine Chance, wenn es sich neu erfindet. Aber irgendwann muss man dann raus aus dem Ankündigungs-Modus.