Donnerstag, 25. April 2024

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Junge Union
"AfD ist keine Alternative für die CDU"

Paul Ziemiak kandidiert neben Benedict Pöttering um den Vorsitz der Jungen Union. Im Interview mit dem Deutschlandfunk nennt er dabei klare Ziele. Die Rentenpakete der Großen Koalition seien "Fehlentscheidungen", zudem müsse die Union die AfD "enttarnen".

Paul Ziemiak im Gespräch mit Christoph Heinemann | 05.09.2014
    Paul Ziemiak, Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen Jungen Union (JU).
    Paul Ziemiak (picture alliance / dpa / Steffen Böttcher)
    Pöttering ist der Sohn des früheren EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering und gilt den Medien gegenüber als auskunftsfreudig, Ziemiak - derzeit Vorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen - hielt sich bislang weitgehend zurück.
    "Rentenpakete belasten junge Generation"
    Im Deutschlandfunk nannte Ziemiak nun drei zentrale Anliegen, die er bei einer Wahl zum JU-Vorsitzenden angehen würde: Beim demografischen Wandel müsse die Junge Union genauso Konzepte liefern wie beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Ein Gelingen oder Scheitern der Energiewende werde zudem zeigen, "wie reformbereit und reformfähig unser Land ist", sagte der 28-Jährige.
    Das teilweise auch von der CDU angestoßene Rentenpaket der Großen Koalition mit der Rente mit 63 und der Mütterrente bezeichnete Ziemiak als Fehlentscheidungen. "Es wird mit Beiträgen junger Menschen bezahlt. Wenn man etwas beschließt, muss man auch Ross und Reiter nennen und sagen, wer das bezahlt. Das sind die Beiträge unserer Generation." Die CDU mache so Politik auf Kosten der jungen Generation, denn das Geld fehle dann für die drei zuvor genannten Projekte.
    "AfD hat keine Visionen für unser Land"
    Die AfD ist laut Ziemiak keine "Alternative für die CDU". Die Wähler der neuen Partei rechts der Union seien "nicht alles Spinner oder Rechtsradikale". Man müsse um jeden Wähler kämpfen, der früher die CDU gewählt hat. "Die Union muss die AfD enttarnen, denn sie spielt mit Ängsten, der Menschen - hat aber keine Visionen für unser Land."
    Zu einer möglichen Koalition mit der AfD sagte Ziemiak: "Momentan überschlagen sich alle mit dem Ausschließen von Koalitionen. Ich möchte mich daran nicht beteiligen." Man solle aber Grundwerte nicht über Bord werfen, um Regierungsbeteiligungen zu erreichen.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Heute in zwei Wochen trifft sich die Junge Union im bayerischen Inzell. Rund 117.000 Mitglieder zählt die Jugendorganisation der CDU und der CSU. Seit 2002 steht Philipp Mißfelder ihnen vor. Zur Erinnerung: damals regierten in Berlin noch Gerhard Schröder und Joschka Fischer.
    Jetzt ist Schluss. Die Junge Union, die sich ja auch als Kaderschmiede für künftige Spitzenpolitiker versteht, sie sucht einen neuen Chef. Ungewöhnlich ist, dass gleich zwei Kandidaten ins Rennen gehen werden: Benedict Pöttering, stellvertretender JU-Vorsitzender – er ist der Sohn des früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments -, und Paul Ziemiak, der Landeschef der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen.
    Benedict Pöttering füttert die Medien regelmäßig, Paul Ziemiak gibt heute bei uns im Deutschlandfunk sein erstes ausführliches Interview vor der Wahl und er ist jetzt hier bei uns im Studio. Guten Morgen, Herr Ziemiak.
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Herr Heinemann!
    Heinemann: Thema des Tages – Sie haben gerade das Gespräch mit Gesine Dornblüth mitgehört – ist die Ukraine. Sie haben mir im Vorgespräch gesagt, dass Sie das Interview mit Katja Kipping vor zwei Tagen hier bei uns im Deutschlandfunk gehört haben und dass Ihnen die Kritik der Parteichefin der Linken an der Rede des Bundespräsidenten in Polen missfallen hat. Sie selbst sind gar nicht so weit von der Westerplatte entfernt geboren worden, im polnischen Stettin. Wir hören vielleicht zur Erinnerung noch mal kurz einen Auszug aus dem Gespräch mit Katja Kipping, was sie gesagt hat.
    Katja Kipping:"Ich erwarte schon von dem Präsidenten mehr Besonnenheit und nicht weitere Beiträge zur öffentlichen Mobilmachung. Wenn Putin zündelt, muss der deutsche Bundespräsident nicht noch Öl ins Feuer gießen."
    Heinemann: Herr Ziemiak, was ist daran falsch?
    Ziemiak: Wissen Sie, Polen wurde dreimal in seiner Geschichte geteilt durch die Großmächte, war gar nicht auf der Landkarte. Und wenn der deutsche Bundespräsident, der deutsche Bundespräsident auf der Westerplatte spricht zu den Polen und dann sagt, Deutschland wird natürlich in seiner Verteidigungspolitik auch die Interessen Polens berücksichtigen, dann ist das richtig und dann sollte man den Bundespräsidenten für diese klug gewählten Worte loben, denn er hat eine Urangst der Polen angesprochen, nämlich zwischen Russland auf der einen Seite und beispielsweise dem Westen, Deutschland auf der anderen Seite aufgerieben zu werden.
    Insofern zeigt Die Linke leider, dass sie entweder keine Ahnung hat von den polnischen Befindlichkeiten und auch der polnischen Geschichte, oder der Weg nach Moskau für Die Linke wichtiger ist als nach Warschau gute Beziehungen oder nach Paris.
    Heinemann: Wir wollen reden über die Junge Union. Sie kandidieren jetzt für den Vorsitz. Was möchten Sie anders machen oder besser machen als Philipp Mißfelder?
    Ziemiak: Wir müssen ja die Junge Union weiterentwickeln. Wir gehen in eine neue Zeit, jetzt auch in Zeiten der Großen Koalition, und ich möchte mit der Jungen Union, lassen Sie mich drei zentrale Themen ansprechen. Das ist einmal der demografische Wandel. Unsere Gesellschaft steht vor Riesenherausforderungen beim Thema Rente, beim Thema Sozialversicherung und auch Pflege. Das müssen wir bewerkstelligen und dafür muss die Junge Union auch Konzepte liefern. Dann geht es um die digitale Infrastruktur, ein Zukunftsthema für uns als junge Generation, und es geht auch um die Energiewende. Denn an der Energiewende, am Gelingen oder am Scheitern wird sich zeigen, wie reformbereit und reformfähig unser Land ist.
    Heinemann: Nehmen wir ein Thema auf: die Rente. Sie kennen die Konzepte der Koalition: Mütter-Rente, Rente mit 63. Das kostet sehr, sehr viel Geld, fast elf Milliarden Euro Beitrags- und Steuermittel jährlich. Das fehlt für das, was Sie gerade genannt haben: für Verkehrsinfrastruktur, für digitale Entwicklung und so weiter. Ist das eine Fehlentscheidung?
    Ziemiak: Ja. Ganz klares Ja, weil es mit den Beiträgen junger Menschen bezahlt werden wird in Zukunft. Es geht nicht darum, dass wir für etwas sind oder gegen etwas sind, sondern wenn man etwas beschließt im Deutschen Bundestag, dann muss man auch sagen und Ross und Reiter nennen, wer das bezahlen muss, und das wird mit den Beiträgen meiner Generation bezahlt. Deswegen ist das nicht in unserem Interesse.
    Heinemann: Also Sie, Paul Ziemiak, würden heute früh sagen, die CDU macht im Moment Politik für ältere Leute?
    Ziemiak: Sie macht Politik auf Kosten der jungen Generation.
    Heinemann: Das kommt auf dasselbe hinaus.
    Ziemiak: Sie macht Politik auf Kosten unserer Generation, weil wir das später mit unseren Beiträgen bezahlen müssen und, wie Sie richtigerweise gesagt haben, Geld für diese Projekte dann logischerweise fehlt.
    Heinemann: Hat die Union in dieser Legislaturperiode schon irgendetwas für junge Leute geleistet?
    Ziemiak: Na ja, wenn Sie sich den Haushalt beispielsweise anschauen, dann ist ein ausgeglichener Haushalt und der Plan dazu ein natürlich wichtiges Element für Generationengerechtigkeit. Das will ich an der Stelle nicht vergessen. Ich glaube, die Junge Union muss Kritik üben, das was sie getan hat und auch tut und auch ich tue, zum Beispiel am Rentenpaket. Aber gleichzeitig muss man darauf hinweisen, was auch gut läuft. Und wir haben ein zentrales Wahlversprechen auch eingehalten als CDU, als CSU und damit auch als Union insgesamt, nämlich keine Steuererhöhungen, und das ist auch gut für unser Land und sorgt auch für Zukunftsfähigkeit.
    Heinemann: Kann man sagen, unter Paul Ziemiak würde die Junge Union lauter werden als unter Philipp Mißfelder?
    Ziemiak: Natürlich wird sie lauter. Sie wird noch deutlicher ...
    Heinemann: Würde! Sie sind noch nicht gewählt.
    Ziemiak: ... würde und noch deutlicher wahrnehmbar, weil wir brauchen diese Junge Union, diese laute. Aber eine Sache ist klar: Wenn man so einen Verband führen möchte, dann muss man laut sein, aber man muss auch Konzepte liefern, inhaltlich, und man muss abwägen. Man muss auch ernst genommen werden, und das kann man nur, wenn man auch eigene Ideen hat.
    Ziemiak: Regieren darf nicht zum Selbstzweck werden
    Heinemann: Ist die Merkel-CDU eigentlich programmatisch überhaupt noch erkennbar, oder gilt längst Tiefschlaf im Zeichen der Raute?
    Ziemiak: Wir haben jetzt drei Programmkommissionen eingerichtet unter der Führung von Armin Laschet, Thomas Strobl und Julia Klöckner. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Aber wir müssen aufpassen, dass Regieren in Deutschland für die CDU und auch die CSU nicht zum Selbstzweck wird. Wenn wir regieren, dann machen wir das deswegen, weil wir Ideen und Konzepte haben, die wir umsetzen wollen, wir als junge Generation dann für unsere Generation im Besonderen, und das muss unser Ziel sein. Nicht das Regieren ist das Ziel, sondern wir wollen Wahlen gewinnen, um unsere Ideen, um unsere Konzepte, von denen wir überzeugt sind, in Deutschland umzusetzen.
    Heinemann: Was wäre eine gescheite Rentenpolitik?
    Ziemiak: Eine gescheite Rentenpolitik ist eine, die zukunftsfähig ist. Das heißt, wir wissen heute, dass riesengroße Herausforderungen auf uns zukommen, auch aufgrund und insbesondere des demografischen Wandels. Und eine gescheite Rentenpolitik ist, die das berücksichtigt und die das System so gestaltet, dass auch wir als junge Beitragszahler davon ausgehen können, dass wir genauso davon profitieren wie die Generation heute.
    Heinemann: Wieso versteht die Bundesregierung das nicht?
    Ziemiak: Weil die Bundesregierung in einer Koalition wahrscheinlich so viele Kompromisse eingehen muss, dass einiges dann sehr weich gespült wird. Das ist so und dafür brauchen wir ein Korrektiv, und aus meiner Sicht muss das innerhalb der Unions-Familie die Junge Union sein.
    Heinemann: Wobei die Mütter-Rente ja von der CDU erfunden wurde.
    Ziemiak: Das ist richtig.
    "Die AfD ist keine Alternative für die CDU"
    Heinemann: Sie sagten eben, wir müssen aufpassen, oder die Regierung muss aufpassen, vielleicht auch noch auf was anderes. Warum verliert die CDU Wählerinnen und Wähler an die AfD, die Alternative für Deutschland, als Alternative für die CDU?
    Ziemiak: Die AfD ist keine Alternative für die CDU.
    Heinemann: Aber für viele Wähler doch!
    Ziemiak: Ich mache mir jeden Morgen, wenn ich aufstehe und dann die Zeitung lese und Radio höre, Gedanken, warum wählen eigentlich – jetzt auch nach der letzten Wahl – Menschen, die vorher vielleicht CDU gewählt haben, warum wählen die AfD. Jetzt gehört zur Wahl dazu – das sagen nicht alle -, da sind ja nicht alles irgendwelche Spinner und da sind ja nicht alles Rechtsradikale, sondern Leute, die vorher CDU gewählt haben. Deswegen sage ich ganz klar, wir müssen um jeden kämpfen, der jetzt AfD wählt und früher CDU gewählt hat. Die CDU muss, glaube ich, die AfD auch enttarnen, denn die AfD spielt mit den Ängsten der Bürger. Sie hat keine Vision für unser Land. Wir haben immer davon auch profitiert als CDU, dass die Menschen uns zugetraut haben, unser Land oder ein Bundesland in die Zukunft zu führen.
    Heinemann: Aber umso erstaunlicher, dass viele von der CDU eben zur AfD gegangen sind.
    Ziemiak: Ja, weil einfach beispielsweise im Europawahlkampf oder im Bundestagswahlkampf hat man das Thema Euro-Krise genommen und dort die Ängste der Menschen genommen und daraus Politik gemacht im Wahlkampf und aufgrund dieser Euro-Krise, den Gefühlen der Menschen jedes andere Politikfeld dann bearbeitet. Das war deren Thema, und leider, muss man sagen, haben wir den Menschen nicht gut genug als Union erklärt, wofür wir da stehen, warum es wirklich wichtig ist.
    Wenn wir in Deutschland sprechen über den Euro, dann ist das ja nicht irgendein abstraktes Thema. Da geht es um Arbeitsplätze. Sprechen Sie mal mit einem Mittelständler. Der wird Ihnen erklären, wofür wir den Euro brauchen. Wir brauchen ihn für den Mittelstand, wir brauchen ihn auch für unsere Generation, und deswegen müssen wir um jeden kämpfen. Aber die AfD ist nun beileibe keine Alternative für die CDU.
    Heinemann: Aber sie steht, mal abgesehen vom Europakurs der CDU, sicherlich näher als zum Beispiel die Grünen. Was heißt das für mögliche Koalitionen?
    Ziemiak: Momentan überschlagen sich alle mit dem Ausschließen von Koalitionen mit der AfD. Ich will mich daran nicht beteiligen. Ich will sagen, dass aus meiner Sicht heute trotzdem die AfD keine Option ist, mit denen zu koalieren. Wissen Sie, Herr Heinemann, wenn eine Partei nur die Ängste der Bürger als Wahlprogramm hat und Wahlziel, dann ist das ja keine Partei, mit der man ein Land führen möchte. Insofern ...
    "Es geht nicht nur darum, erfolgreich zu sein"
    Heinemann: Aber wenn sie erfolgreich ist und wenn sie die Mehrheit verschafft?
    Ziemiak: Es geht nicht nur um Mehrheiten und es geht nicht nur darum, erfolgreich zu sein. Sonst können wir ja mit jeder beliebigen Partei koalieren, die in irgendein Parlament gewählt wird. Das tun wir als CDU ja nicht. Wir haben ja ein klares Programm. Wir haben ja auch Grundwerte, wofür wir stehen, die CDU, die CSU genauso wie die Junge Union, und das wirft man nicht über Bord und sollte man nicht über Bord werfen, nur um an die Regierung zu kommen. Zumindest ist das meine Auffassung.
    "Politik darf nicht banalisiert werden"
    Heinemann: Ihr Mitbewerber, Benedict Pöttering, hat gesagt, es müsse wesentlich mehr Mitbestimmung in der CDU Einzug halten. Zum Beispiel solle die Basis in Zukunft mit über den Koalitionsvertrag abstimmen. Gehen Sie da mit?
    Ziemiak: Es ist wichtig, die Mitglieder mitzunehmen, weil Parteiarbeit und Parteimitgliedschaft muss einen Mehrwert haben. Ich will nicht nur Beiträge zahlen, sondern ich will auch mitbestimmen. Die Frage ist, in welcher Form das der Fall sein soll. Wissen Sie, Politik darf ja auch nicht banalisiert werden. Ich kann nicht sagen, dass ich zu jeder Frage alle Mitglieder anhören kann, und es ist immer auch eine Frage der Alternativen.
    Insofern sage ich ja, Mitbestimmung ja, aber man sollte den Mitgliedern jetzt auch nicht Sachen versprechen, die man vielleicht später gar nicht hält.
    "Priorität eins sind die Mitglieder, ist die Junge Union"
    Heinemann: Herr Ziemiak, bislang haben Sie sich in den Medien eher zurückgehalten. Heute früh bei uns im Deutschlandfunk Ihr erstes ausführliches Interview. Warum jetzt?
    Ziemiak: Weil ich Prioritäten setze, und die höchste Priorität genießen bei mir die Mitglieder. Das heißt, nachdem ich die Kandidatur erklärt habe, habe ich zunächst einmal mit den Mitgliedern gesprochen, mit den Kreisvorständen, mit den Bezirksvorständen, mit den Landesvorständen. Das geht für mich vor. Und jetzt, kurz vorm Deutschlandtag, stelle ich mich natürlich auch der öffentlichen Debatte. Aber Priorität eins sind die Mitglieder, ist die Junge Union, und nicht die Journalisten und nicht die Presse.
    Heinemann: Priorität zwei – das sage ich jetzt allerdings nicht ganz objektiv – ist der Deutschlandfunk. – Paul Ziemiak, der Landeschef der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen, Kandidat für den Bundesvorsitz der Jungen Union. Danke schön für Ihren Besuch im Studio.
    Ziemiak: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.