Annen: Schönen guten Tag!
Breker: Herr Annen, sind Sie auch vom Ausmaß des Defizits überrascht worden?
Annen: Wir sind glaube ich alle vom Ausmaß des Defizits überrascht worden. Das ist eine Konsequenz der schlechten ökonomischen und der schlechten wirtschaftlichen Lage. Und dort muss jetzt in der Tat schnell reagiert werden.
Breker: Aber das war doch auch vor der Wahl schon zu sehen.
Annen: Gut, also ich habe keinen Einblick in die Bücher gehabt, aber ich glaube, das ist alles auch ein bisschen Wahlkampfgeplänkel, was Sie jetzt erleben. Wir haben ja zur Zeit eine Diskussion, auch am heutigen Tage, die Koalitionsrunde trifft sich, wo es um den ein oder anderen Punkt jetzt in der Rentenversicherung geht. Das ganze lenkt aber meiner Meinung nach doch ein bisschen ab von dem generellen Problem, das wir haben. Das Problem sind ja nicht die Beitragssätze. Die sind sicherlich ein Auswuchs dieses Problems. Das Problem ist, dass wir eine zu hohe Arbeitslosigkeit haben, dass wir insgesamt zu wenig Leute haben, die einzahlen. Und an dieses grundsätzliche Problem, da müssen wir rangehen, und das wird auch geschehen in dieser Legislaturperiode, da bin ich mir ganz sicher.
Breker: Aber nun haben wir mal endliche eine Zahl auf der Einnahmeseite. Die Rentenbeiträge sollen auf 19,5 Prozent steigen. Ist das denn eine gute Nachricht?
Annen: Nein, das ist keine gute Nachricht. Das hat ja auch niemand behauptet, dass das eine gute Nachricht ist. Jeder möchte gerne weniger zahlen, das gilt glaube ich für alle von uns. Aber ich kann es noch einmal wiederholen: Die Fixierung auf den Beitragssatz macht ein bisschen vergessen, dass wir in der Tat ein ökonomisches Problem haben, ein konjunkturelles Problem, und dass es grundsätzlich darum geht. Das klingt ja ein bisschen an, wenn wir über die Erhöhung der Beitragssätze reden beispielsweise, was hier diskutiert wird, was ich sehr begrüße, und wenn wir darüber reden, dass wir die Rentenversicherung erweitern müssen, sprich Beamte und Freiberufler mit integrieren müssen. Wenn wir über diese Punkte reden, dann glaube ich kommt man dem Kern der Sache näher. Es ist immer schöner, weniger Beiträge zu bezahlen, aber diese manische Fixierung auf die Lohnnebenkosten hilft uns glaube ich nicht weiter.
Breker: Aber just um diese Beitragshöhe geht es heute Abend in der Koalition. Drückt sich denn in diesem Satz aus Ihrer Sicht die Generationengerechtigkeit aus?
Annen: Das ist ein etwas kompliziertes Thema. Man benutzt gerne das Wort Generationengerechtigkeit, um seine eigene Position durchzusetzen. Ich glaube aber, man muss ehrlich als Sozialdemokrat sagen: Wir haben ja eine Rentenreform gemacht mit der Riesterrente in den letzten vier Jahren, die uns immer mit dem Motto der Generationengerechtigkeit verkauft worden ist. Aber wenn man sieht, welche Leute jetzt diese Riesterrente abgeschlossen haben, wie die Belastungen sind, dann ist es sicherlich etwas, was die junge Generation belastet hat. Damit müssen wir leben, und es weiß ja auch jeder, dass man eine Kapitaldeckung braucht. Insofern haben wir da schon ein Stück Generationenbelastung mit drin in dem, was wir jetzt vorfinden. Entscheidend ist glaube ich, dass wir uns noch einmal angucken, wo die großen Kosten entstehen in der Rentenversicherung. Wir sehen, dass große Unternehmen beispielsweise durch Vorruhestandsregelungen, durch den goldenen Handschlag und ähnliches teilweise ihre Personalpolitik auch auf Kosten der Rentenversicherungskassen organisieren und damit das faktische Renteneintrittsalter gesunken ist, maßgeblich gesunken ist, damit Beiträge wegfallen. Das sind sehr komplexe Probleme, und ich glaube, dass das so ein Wort wie Generationengerechtigkeit das nicht ausreichend beleuchten kann.
Breker: Aber mit Blick auf die jüngeren Wähler, Herr Annen, laufen Ihnen die Grünen den Rang ab. Ihr Vorschlag ist ja: Lasst uns die Rentenanpassung aussetzen.
Annen: Es gibt ja sehr merkwürdige Vorschläge zur Zeit. Auf der einen Seite wird gesagt, wir müssen eine Beitragsstabilität erreichen. Wenn das nicht erreicht wird, dann wollen sie das mit der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen sein lassen. Da gibt es offensichtlich keine kohärente Politik. Ich glaube, diejenigen, die ihr Leben lang eingezahlt haben, haben ja auch einen Anspruch erworben. Das darf man ihnen nicht wegnehmen. Was mir aber viel wichtiger ist: Das Problem der konjunkturellen Belebung hängt natürlich auch mit der Rentenerhöhung zusammen. Wenn Sie dort den Leuten etwas wegnehmen, können Sie es auch nicht ausgeben. Das halte ich also für eine falsche Diskussion, sowohl aus ökonomischen als auch aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten.
Breker: Ja, alle wissen, die Lohnnebenkosten sind zu hoch, aber keiner tut was. Im Gegenteil.
Annen: Also, es passiert ja etwas. Ich kann noch mal sagen: Wenn Sie sich das auch im europäischen Vergleich angucken, dann sind die Lohnnebenkosten nicht das entscheidende Problem, sondern das entscheidende Problem ist, dass wir zu wenig Investitionen haben, dass wir zu wenig konjunkturelle Bewegung haben. Und ich glaube, da muss man auch dann so ehrlich sein, auch als Sozialdemokrat, zu sagen, dass in den Ländern die Einnahmeseite diskutiert wird, sprich die Erhöhung der Erbschaftssteuer, dann ist ja auch die private Vermögenssteuer in der Diskussion. Dazu muss man sich bekennen und nicht so ein Versteckspiel spielen wie es der Kanzler zur Zeit tut. Auf der einen Seite lässt er die Länder machen und auf Bundesebene dementiert er das. Nein, da braucht man eine klare Linie. Das werden die Menschen dann auch verstehen. Und ich glaube, das ist die Herausforderung, vor der wir auch als Sozialdemokraten jetzt stehen.
Breker: Also, die SPD, der Kanzler, soll deutlich sagen: Wir brauchen mehr vom Bürger?
Annen: Nein, es geht ja nicht darum, dass der Durchschnittsbürger belastet wird. Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, etwa vom Ministerpräsidenten Gabriel aus Niedersachsen, sagen ganz klar: Der Durchschnittsbürger wird dadurch nicht belastet. Es geht um die private Vermögensbesteuerung von Leuten, die Einkommensmillionäre sind, Euro-Millionäre. Dort einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Zukunftsaufgaben zu verlangen, ist glaube ich etwas, was man unter dem Stichwort Millionärs-Steuer durchaus vermitteln kann. Wir haben ja keinen Mangel an Finanzmitteln, das ist ja die absurde Situation, die sind ja gebunkert auf Tagesgeldkonten, auf Spareinlagen etc. Es geht darum, dieses Geld zu mobilisieren für künftige Investitionen, gerade auch für Bildungsausgaben zu mobilisieren. Und da müssen dann auch staatliche Institutionen den Mut haben, diese Umverteilung politisch durchzusetzen. Und ich glaube an diesem Mut mangelt es zur Zeit etwas in der Bundesspitze unserer Partei.
Breker: Also, der Kanzler sollte offen und ehrlich sagen: Wir werden noch weiter von dem Bürger Geld fordern.
Annen: Nein, nicht von dem Bürger, sondern es geht darum, die Geldreserven, die in einem kleinen Prozentteil unserer Bevölkerung vorhanden sind und die sich teilweise der Verantwortung entzogen haben, teilweise auch durch eine etwas unglückliche Steuerpolitik, dieses Geld zu mobilisieren. Ich nennen noch einmal das Stichwort Millionärsbesteuerung. Das ist glaube ich etwas, was auch die Mehrheit unserer Bevölkerung unterstützen würde, das Geld ganz gezielt in Bildungsinvestitionen, in Investitionen zu lenken. Das ist eine Politik, die natürlich mittelfristig auch die Renten und die Gesundheitskassen entlasten würde und uns so ein bisschen von der Diskussion über die Lohnnebenkosten zu den eigentlichen Problemen führen könnte.
Breker: Niels Annen war das. Er ist der Vorsitzende der Jungsozialisten.
Breker: Herr Annen, sind Sie auch vom Ausmaß des Defizits überrascht worden?
Annen: Wir sind glaube ich alle vom Ausmaß des Defizits überrascht worden. Das ist eine Konsequenz der schlechten ökonomischen und der schlechten wirtschaftlichen Lage. Und dort muss jetzt in der Tat schnell reagiert werden.
Breker: Aber das war doch auch vor der Wahl schon zu sehen.
Annen: Gut, also ich habe keinen Einblick in die Bücher gehabt, aber ich glaube, das ist alles auch ein bisschen Wahlkampfgeplänkel, was Sie jetzt erleben. Wir haben ja zur Zeit eine Diskussion, auch am heutigen Tage, die Koalitionsrunde trifft sich, wo es um den ein oder anderen Punkt jetzt in der Rentenversicherung geht. Das ganze lenkt aber meiner Meinung nach doch ein bisschen ab von dem generellen Problem, das wir haben. Das Problem sind ja nicht die Beitragssätze. Die sind sicherlich ein Auswuchs dieses Problems. Das Problem ist, dass wir eine zu hohe Arbeitslosigkeit haben, dass wir insgesamt zu wenig Leute haben, die einzahlen. Und an dieses grundsätzliche Problem, da müssen wir rangehen, und das wird auch geschehen in dieser Legislaturperiode, da bin ich mir ganz sicher.
Breker: Aber nun haben wir mal endliche eine Zahl auf der Einnahmeseite. Die Rentenbeiträge sollen auf 19,5 Prozent steigen. Ist das denn eine gute Nachricht?
Annen: Nein, das ist keine gute Nachricht. Das hat ja auch niemand behauptet, dass das eine gute Nachricht ist. Jeder möchte gerne weniger zahlen, das gilt glaube ich für alle von uns. Aber ich kann es noch einmal wiederholen: Die Fixierung auf den Beitragssatz macht ein bisschen vergessen, dass wir in der Tat ein ökonomisches Problem haben, ein konjunkturelles Problem, und dass es grundsätzlich darum geht. Das klingt ja ein bisschen an, wenn wir über die Erhöhung der Beitragssätze reden beispielsweise, was hier diskutiert wird, was ich sehr begrüße, und wenn wir darüber reden, dass wir die Rentenversicherung erweitern müssen, sprich Beamte und Freiberufler mit integrieren müssen. Wenn wir über diese Punkte reden, dann glaube ich kommt man dem Kern der Sache näher. Es ist immer schöner, weniger Beiträge zu bezahlen, aber diese manische Fixierung auf die Lohnnebenkosten hilft uns glaube ich nicht weiter.
Breker: Aber just um diese Beitragshöhe geht es heute Abend in der Koalition. Drückt sich denn in diesem Satz aus Ihrer Sicht die Generationengerechtigkeit aus?
Annen: Das ist ein etwas kompliziertes Thema. Man benutzt gerne das Wort Generationengerechtigkeit, um seine eigene Position durchzusetzen. Ich glaube aber, man muss ehrlich als Sozialdemokrat sagen: Wir haben ja eine Rentenreform gemacht mit der Riesterrente in den letzten vier Jahren, die uns immer mit dem Motto der Generationengerechtigkeit verkauft worden ist. Aber wenn man sieht, welche Leute jetzt diese Riesterrente abgeschlossen haben, wie die Belastungen sind, dann ist es sicherlich etwas, was die junge Generation belastet hat. Damit müssen wir leben, und es weiß ja auch jeder, dass man eine Kapitaldeckung braucht. Insofern haben wir da schon ein Stück Generationenbelastung mit drin in dem, was wir jetzt vorfinden. Entscheidend ist glaube ich, dass wir uns noch einmal angucken, wo die großen Kosten entstehen in der Rentenversicherung. Wir sehen, dass große Unternehmen beispielsweise durch Vorruhestandsregelungen, durch den goldenen Handschlag und ähnliches teilweise ihre Personalpolitik auch auf Kosten der Rentenversicherungskassen organisieren und damit das faktische Renteneintrittsalter gesunken ist, maßgeblich gesunken ist, damit Beiträge wegfallen. Das sind sehr komplexe Probleme, und ich glaube, dass das so ein Wort wie Generationengerechtigkeit das nicht ausreichend beleuchten kann.
Breker: Aber mit Blick auf die jüngeren Wähler, Herr Annen, laufen Ihnen die Grünen den Rang ab. Ihr Vorschlag ist ja: Lasst uns die Rentenanpassung aussetzen.
Annen: Es gibt ja sehr merkwürdige Vorschläge zur Zeit. Auf der einen Seite wird gesagt, wir müssen eine Beitragsstabilität erreichen. Wenn das nicht erreicht wird, dann wollen sie das mit der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen sein lassen. Da gibt es offensichtlich keine kohärente Politik. Ich glaube, diejenigen, die ihr Leben lang eingezahlt haben, haben ja auch einen Anspruch erworben. Das darf man ihnen nicht wegnehmen. Was mir aber viel wichtiger ist: Das Problem der konjunkturellen Belebung hängt natürlich auch mit der Rentenerhöhung zusammen. Wenn Sie dort den Leuten etwas wegnehmen, können Sie es auch nicht ausgeben. Das halte ich also für eine falsche Diskussion, sowohl aus ökonomischen als auch aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten.
Breker: Ja, alle wissen, die Lohnnebenkosten sind zu hoch, aber keiner tut was. Im Gegenteil.
Annen: Also, es passiert ja etwas. Ich kann noch mal sagen: Wenn Sie sich das auch im europäischen Vergleich angucken, dann sind die Lohnnebenkosten nicht das entscheidende Problem, sondern das entscheidende Problem ist, dass wir zu wenig Investitionen haben, dass wir zu wenig konjunkturelle Bewegung haben. Und ich glaube, da muss man auch dann so ehrlich sein, auch als Sozialdemokrat, zu sagen, dass in den Ländern die Einnahmeseite diskutiert wird, sprich die Erhöhung der Erbschaftssteuer, dann ist ja auch die private Vermögenssteuer in der Diskussion. Dazu muss man sich bekennen und nicht so ein Versteckspiel spielen wie es der Kanzler zur Zeit tut. Auf der einen Seite lässt er die Länder machen und auf Bundesebene dementiert er das. Nein, da braucht man eine klare Linie. Das werden die Menschen dann auch verstehen. Und ich glaube, das ist die Herausforderung, vor der wir auch als Sozialdemokraten jetzt stehen.
Breker: Also, die SPD, der Kanzler, soll deutlich sagen: Wir brauchen mehr vom Bürger?
Annen: Nein, es geht ja nicht darum, dass der Durchschnittsbürger belastet wird. Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, etwa vom Ministerpräsidenten Gabriel aus Niedersachsen, sagen ganz klar: Der Durchschnittsbürger wird dadurch nicht belastet. Es geht um die private Vermögensbesteuerung von Leuten, die Einkommensmillionäre sind, Euro-Millionäre. Dort einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Zukunftsaufgaben zu verlangen, ist glaube ich etwas, was man unter dem Stichwort Millionärs-Steuer durchaus vermitteln kann. Wir haben ja keinen Mangel an Finanzmitteln, das ist ja die absurde Situation, die sind ja gebunkert auf Tagesgeldkonten, auf Spareinlagen etc. Es geht darum, dieses Geld zu mobilisieren für künftige Investitionen, gerade auch für Bildungsausgaben zu mobilisieren. Und da müssen dann auch staatliche Institutionen den Mut haben, diese Umverteilung politisch durchzusetzen. Und ich glaube an diesem Mut mangelt es zur Zeit etwas in der Bundesspitze unserer Partei.
Breker: Also, der Kanzler sollte offen und ehrlich sagen: Wir werden noch weiter von dem Bürger Geld fordern.
Annen: Nein, nicht von dem Bürger, sondern es geht darum, die Geldreserven, die in einem kleinen Prozentteil unserer Bevölkerung vorhanden sind und die sich teilweise der Verantwortung entzogen haben, teilweise auch durch eine etwas unglückliche Steuerpolitik, dieses Geld zu mobilisieren. Ich nennen noch einmal das Stichwort Millionärsbesteuerung. Das ist glaube ich etwas, was auch die Mehrheit unserer Bevölkerung unterstützen würde, das Geld ganz gezielt in Bildungsinvestitionen, in Investitionen zu lenken. Das ist eine Politik, die natürlich mittelfristig auch die Renten und die Gesundheitskassen entlasten würde und uns so ein bisschen von der Diskussion über die Lohnnebenkosten zu den eigentlichen Problemen führen könnte.
Breker: Niels Annen war das. Er ist der Vorsitzende der Jungsozialisten.