Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Justizreform in Polen
Proteste, Debatten und ein Veto

Hitzige Debatten im Sejm, Tausende Protestierer auf den Straßen – die Stimmung in Polen ist aufgeheizt, seit die PiS-Partei ihre umstrittene Justizreform auf den Weg gebracht hat. Überraschend hat Präsident Duda sein Veto eingelegt. Aber das Ringen um Recht und Gerechtigkeit geht weiter.

Von Florian Kellermann und Jörg Münchenberg | 24.07.2017
    Proteste in Warschau. Polizisten stehen einer aufgebrachten Menschenmenge gegenüber.
    Werden die Proteste in Polen weitergehen? (PAP, Bartlomiej Zborowski, dpa)
    Die Nachricht kam am Montagmorgen wie ein Paukenschlag: Der polnische Präsident Andrzej Duda hat die beiden wichtigsten Gesetze der geplanten Justizreform vorerst gestoppt. Tagelang hatten Demonstranten in ganz Polen "Veto, Veto" skandiert. Aber kaum einer dachte, das Staatsoberhaupt würde sie erhören.
    Denn Duda stammt aus der rechtskonservativen polnischen Regierungspartei PiS, die die Reform im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht hatte. Mehr noch: Duda verdankt seinen Aufstieg zum Präsidenten zu einem großen Teil dem Vorsitzenden der PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski. Nun stellt er sich dem mächtigsten polnischen Politiker in den Weg.
    Andrzej Duda erklärte seine Entscheidung so: "Bei uns gibt es keine Rechtstradition, dass der Generalstaatsanwalt in die Arbeit des Obersten Gerichtshofs eingreifen darf, geschweige denn in die Arbeit der einzelnen Richter. Ich stimme denen zu, die sagen, dass wir das nicht zulassen dürfen."
    Eine bemerkenswerte Aussage, denn sie rückt eine ganze Reihe von Entscheidungen der PiS in ein kritisches Licht. Zum Beispiel hat die Partei schon kurz nach ihrer Regierungsübernahme 2015 entschieden, dass Justizminister Zbigniew Ziobro in Amtseinheit auch Generalstaatsanwalt sein soll.
    Polens Präsident Andrzej Duda gibt eine Pressekonferenz.
    Polens Präsident Andrzej Duda bei Veto eingelegt - gegen die Justizreform. (AFP / Janek Skarzynski)
    Duda als möglicher Gegenspieler von Kaczynski
    Duda machte auch klar, dass er mit der Art, wie die PiS Gesetze durchs Parlament bringt, nicht einverstanden ist:
    "Ich bedauere es sehr, dass mir der Gesetzentwurf zum Obersten Gerichtshof nicht vorgelegt wurde, bevor er in das Parlament eingebracht wurde. So konnte ich mich in dieser Angelegenheit mit niemandem beraten. Das konnten übrigens auch viele andere Personen und Institutionen nicht, die von dem Gesetz betroffen sind."
    Was das für die künftige Machtkonstellation in der polnischen Politik bedeutet, ist noch völlig unklar. Von der Verfassung her hat der 45-jährige Duda die Möglichkeit, als Gegenspieler zu Jaroslaw Kaczynski aufzutreten. Wenn er gegen ein Gesetz sein Veto einlegt, dann kann das Parlament dieses nur mit einer Mehrheit von drei Fünfteln der Stimmen ausräumen. Über so viele Sitze verfügt die PiS nicht im Sejm. Harmonisch jedenfalls dürfte das Verhältnis zwischen Duda und Kaczynski nun kaum mehr werden.
    Gravierende Fehler bei Gesetz
    Wie groß der Schock nach Dudas Veto bei den PiS-Politikern war, zeigen deren ausbleibende Reaktionen. Viele Stunden lang gab es nur den Kommentar eines Abgeordneten - von Jacek Sasin, der zufällig zum Zeitpunkt des Vetos Interviewgast im Fernsehen war:
    "Ich verberge nicht, dass ich überrascht bin von dieser Entscheidung des Präsidenten. Vor allem, wenn ich mich richtig an seine Aussagen aus dem Wahlkampf erinnere. Er trat für eine radikale Reform des Gerichtswesens ein. Das ist doch eine dringende Sache, die wir nicht verschieben dürfen."
    Duda dürfte auch abgeschreckt haben, wie schludrig die PiS mit den Gesetzen zur Justizreform umgegangen war. Ihre Hast war so groß, dass der Regierung gravierende Fehler unterliefen und zumindest eines der Gesetze in sich widersprüchlich war. Ryszard Balicki, Dozent für Verfassungsrecht an der Universität Breslau, erklärte:
    "Diese Regierung hat das Büro für die Analyse von Gesetzen im Sejm de facto zerstört. Dazu kommt, dass die Abgeordneten nachts im Eiltempo Gesetze beschließen und niemand in der Lage ist, Änderungsanträge vernünftig einzuarbeiten. Wir sprechen hier über die - nach der Verfassung - wichtigsten Rechtsakte unseres Staates."
    Vergleiche zwischen Frankreich und Polen
    Andrzej Duda machte keinen Hehl daraus, dass auch er eine Justizreform für nötig hält. Auch er glaubt, dass Richter in Polen zu arrogant auftreten und besser kontrolliert werden sollten. Schon in zwei Monaten werde das Parlament eine bessere Reform vorlegen, erklärte er am Montag.
    Doch das bezweifeln viele Beobachter. Die PiS hat die Reform in ihrer jetzigen Form heftig gegen die massive Kritik verteidigt. Es dürfte nicht leicht werden, einen Kompromiss mit denen zu finden, die PiS-Politiker so lange verunglimpft hatten.
    Die Gräben wurden mit jedem Tag tiefer. Das erfuhr, wer sich bei den Demonstrationen gegen die Reform umhörte, zu denen Zigtausende kamen, in vielen polnischen Großstädten. Etwa bei Adam Snopek.
    Der ruhige, unscheinbare junge Mann stand vor einigen Tagen etwas abseits der Proteste vor dem Parlamentsgebäude in Warschau. Der 32-Jährige hielt ein Pappschild hoch, das er selbst beschrieben hatte, mit großen etwas schiefen Lettern. "Frankreich 1794, Polen 2017" stand da, mit einem großen Fragezeichen am Ende:
    "Damals haben die Jakobiner in Frankreich das traditionelle Gerichtswesen abgeschafft. Jeder konnte auf der Guillotine landen, wenn er für einen Feind des Volkes gehalten wurde. Es vergingen anderthalb Monate, und Robespierre und die anderen Anführer der Jakobiner kamen selber auf die Guillotine."
    Die Jahreszahl 2017 stand auf Adam Snopeks Schild, weil er eine Parallele zur heutigen Situation in Polen sieht. Das Parlament hat Gesetze verabschiedet, die das Justizsystem verändern und - so sieht es der Geologe - den Rechtsstaat aushöhlen.
    "Natürlich ist die Lage nicht so drastisch, trotzdem sollten die Ereignisse damals der polnischen Regierung eine Lehre sein."
    Der Vorsitzende der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), Jaroslaw Kaczynski, steht im Parlament in Warschau und spricht über die umstrittene Justizreform in Polen.
    Jaroslaw Kaczynski: Der Vorsitzende der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). (dpa-Bildfunk / PAP / Bartomiej Zborowski)
    PiS sieht sich als revolutionäre Kraft
    Auch wenn der junge Mann mit seinem Vergleich historisch weit ausholt, in einem Punkt trifft er einen wahren Kern: Die rechtskonservative Regierungspartei PiS, ausgeschrieben: "Recht und Gerechtigkeit", begreift sich in der Tat als revolutionäre Kraft. Mit der Justizreform gehe eine Ära zu Ende; sie markiere das "Ende des Postkommunismus", erklärten ihre Politiker nach den Abstimmungen im Parlament euphorisch.
    Besonders deutlich formulierte das der PiS-Abgeordnete Waldemar Bonkowski bei der Debatte im polnischen Senat, dem Oberhaus des Parlaments, einen Tag vor der Abstimmung:
    "Wenn wir das Gesetz morgen beschließen, dann werden wir damit den Obersten Gerichtshof entwaffnen - die letzte Bastion des Bolschewismus in Polen."
    Ein Argument, das leicht zu widerlegen ist. Zwar genießen die Richter in Polen derzeit tatsächlich große Autonomie, mehr als etwa in Deutschland. Und dafür ist in der Tat auch der fließende Übergang zwischen kommunistischer Diktatur und Demokratie verantwortlich, den Polen 1989 erlebt hat. Inzwischen ist jedoch eine ganz neue Richtergeneration herangewachsen, die mit dem kommunistischen Polen nichts mehr zu tun hat.
    Kritik an der Justiz
    Auch Justizminister Zbigniew Ziobro wählt gern drastische Worte, wenn er über Richter spricht oder vielmehr herzieht. Sie fühlten sich als privilegierte Kaste, die sich alles erlauben könne, erklärte er in einer Parlamentsdebatte:
    "Nicht die Abgeordneten haben Bohrmaschinen, USB-Sticks oder Wurst gestohlen, das waren Richter. Wir haben ein Problem, wir haben eine Krise unter den Richtern, was deren Empfinden für moralische Standards betrifft."
    Mit solchen Beispielen stellen Justizminister Ziobro und auch der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski die richterliche Unabhängigkeit seit vielen Monaten als etwas Verderbliches dar. Ihre Worte fallen auf fruchtbaren Boden: Über die Hälfte der Polen beurteilen das polnische Gerichtswesen als schlecht, zeigen Umfragen. Viele Menschen kritisieren vor allem, dass Verfahren zu lange dauerten.
    Richter müssten also kontrolliert werden, so die Schlussfolgerung der Regierung - und dafür kämen vor allem das Parlament, die Regierung und der Präsident in Frage. Diese seien schließlich vom Volk gewählt und damit demokratisch legitimiert. Zbigniew Ziobro:
    "Im Moment ist es so: Die Richter entscheiden, wer Richter wird, wer als Richter Karriere macht und gegen welchen Richter ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Die Richter entscheiden über alles. Wo bleibt da die demokratische Kontrolle?"
    "Das ist ein Staatsstreich"
    Doch bedeutet das, was die Regierung mit ihrer Reform vorhat, wirklich demokratische Kontrolle? Die Liste der Regierungspartei PiS hat bei der Parlamentswahl vor knapp zwei Jahren gut 37 Prozent der Stimmen geholt. Damit eroberte sie knapp die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament, weil durch verschiedene Prozenthürden viele Stimmen anderer Parteien unter den Tisch fielen. Schon zuvor hatte Andrzej Duda von der PiS die Präsidentenwahl gewonnen; er hatte 51,5 Prozent der Stimmen bekommen.
    Nun wolle die PiS die ganze Macht über die Gerichte bekommen, schimpfte Katarzyna Bulinska, 38 Jahre alt. Auch sie demonstrierte vor dem Parlament:
    "Das ist ein Staatsstreich, was da drinnen passiert ist. Die Fundamente unseres demokratischen Staats werden zerstört. Wenn die Gerichte von den Politikern abhängig werden, dann werden mit diesen Politikern verbundene Bürger vor Gericht immer Recht bekommen. Andere werden verurteilt, sie haben keine Chance."
    Landesjustizrat soll wichtigstes Organ bleiben
    In seinen Details ist das Reformpaket, das im Kern aus drei Gesetzen besteht und von denen nun zwei gestoppt wurden, jedoch weitaus komplizierter. Das betrifft vor allem die Ernennung von Richtern.
    Wichtigstes Organ soll dabei der Landesjustizrat bleiben. Bisher werden die meisten Mitglieder des Rats von einer Richterversammlung gewählt - hier liegt die bisher so außergewöhnliche Autonomie. Auch künftig sollen zwar Richter die Mehrheit im Landesjustizrat stellen, aber diese Richter sollen nach den Plänen der PiS vom Parlament gewählt werden.
    Im bereits verabschiedeten Gesetz zum Landesjustizrat war vorgesehen, dass dies mit einfacher Mehrheit geschieht. Die PiS-Abgeordneten hätte ihre Kandidaten also problemlos durchdrücken können. Schon da hakte Staatspräsident Andrzej Duda ein. Er verlangte, die Richter im Rat müssten mit einer Mehrheit von drei Fünfteln der Abgeordneten bestimmt werden.
    Der mächtige Vorsitzende der PiS, Jaroslaw Kaczynski, stimmte der Bedingung von Duda zwar zu. Allerdings sagte er nicht, wann die Partei dieses Versprechen an Duda einlösen wolle.
    Die Bestimmung der Mitglieder im Landesjustizrat war der eine umstrittene Punkt an der Justizreform. Der andere war der Umgang mit dem Obersten Gerichtshof. Dort sah das andere Gesetz, das Duda nun stoppte, vor, dass alle aktiven Richter automatisch in den Ruhestand versetzt werden, auch die Gerichtsvorsitzende Malgorzata Gersdorf. Die Juristin, die seit drei Jahren im Amt ist, hielt dagegen eine flammende Rede im Parlament:
    "Die Prämission dieses Gesetzes stützt sich auf haltlose Unterstellungen. Die Nation hat angeblich kein Vertrauen in die Richter. Trotzdem richtet sie ihre Klagen und Forderungen an dieses Gericht. Das Parlament genießt eine viel niedrigeres Vertrauen als die Richter. Aber ich will nicht, dass sie so an den Pranger gestellt werden wie von Ihnen."
    Einflussmöglichkeiten für Justizminister geplant
    Neubesetzungen im Gerichtshof sollte dann - hier schließt sich der Kreis - der von mutmaßlich PiS-loyalen Richtern dominierte Landesjustizrat vornehmen. Diese neue Regel wäre umso gravierender gewesen, als eine neue Kammer am Obersten Gerichtshof entstehen soll – zuständig für Disziplinarverfahren gegen Richter. Ausbuchstabiert heißt das: Von der PiS handverlesene Richter im Landesjustizrat hätten andere PiS-treue Richter für diese Disziplinarkammer bestimmt, die dann alle anderen Richter überwachen soll.
    Durch ein drittes Gesetz soll der Justizminister zusätzliche Einflussmöglichkeiten erhalten. Zbigniew Ziobro wird ein halbes Jahr lang die Vorsitzenden fast aller Gerichte in Polen beliebig austauschen können. Danach wird er dafür die Meinung des Landesjustizrats einholen müssen. Zu diesem dritten Gesetz äußerte sich Duda am Montag übrigens nicht. Aus seiner Administration hieß es, er werde es unterschreiben.
    Die meisten Experten hielten diese Regelungen insgesamt für grob verfassungswidrig, vor allem die Entlassung der Richter auf einen Schlag, so auch Ryszard Piotrowski, Professor an der Universität Warschau:
    "Letzten Endes wird der Oberste Gerichtshof in seiner heutigen Form abgeschafft. Bisher war das ein von der Regierung unabhängiges Gericht. Künftig wird dieses Organ nur noch Oberster Gerichtshof heißen, das ist George Orwell in reinster Gestalt."
    "Ihr seid Kanaillen"
    Das hätte bald jeder in Polen spüren können, meint Piotrowski, ob als Privatperson oder als Eigentümer einer Firma:
    "Ein Bürger, der den politischen Interessen der Machthaber in die Quere kommt, wird vor Gericht keine Chance haben. Er kann sich nach Straßburg wenden, an den EU-Gerichtshof, aber so ein Verfahren dauert Jahre und der Schaden für den Kläger sind vielleicht gar nicht mehr rückgängig zu machen."
    Wenn man Jaroslaw Kaczynski zuhört, dann müssen sich vor allem Oppositionspolitiker Sorgen machen. Als einer von ihnen vor wenigen Tagen im Parlament den verstorbenen Staatspräsidenten Lech Kaczynski zitierte, Jaroslaws Zwillingsbruder, da rastete der PiS-Vorsitzende aus:
    "Ich weiß, dass ihr Angst vor der Wahrheit habt. Aber wischt nicht eure Verräter-Fressen mit dem Namen meines Bruders ab. Ihr habt ihn vernichtet und ermordet. Ihr seid Kanaillen."
    Den Mordvorwurf meint Kaczynski keineswegs rhetorisch. Er ist überzeugt, dass die Vorgängerregierung mindestens eine Mitschuld am Flugzeugunglück hatte, bei dem sein Zwillingsbruder verstarb. An der Spitze der damaligen Regierung stand Donald Tusk, der heutige EU-Ratspräsident.
    Donald Tusk schaltet sich ein
    Der schaltet sich denn auch aus Brüssel ein in die polnische Debatte. Polen laufe Gefahr, mit seinen umstrittenen Justizreformen in der Union ins Abseits zu geraten, warnte Tusk in einer Erklärung. Sollten die Gerichte tatsächlich unter die Kontrolle der Regierungspartei PiS geraten, dann schade dies dem Ruf Polens. Außerdem werde damit gegen europäische Werte verstoßen.
    Doch der Appell des früheren polnischen Ministerpräsidenten verhallte zunächst ungehört; ebenso die Ermahnungen aus dem Europäischen Parlament wie die des Generalsekretärs des Europarates, Thorbjörn Jagland. Am Ende war es dann die EU-Kommission, die aktiv werden musste.
    Die Union beruhe auf Verträgen und Regeln, die eingehalten werden müssten, mahnte Vizekommissionspräsident Franz Timmermanns in der letzten Woche. Mit ihren Plänen aber hätte die polnische Regierung eindeutig gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen:
    "Diese Gesetze vergrößern die systemische Bedrohung gegen das Rechtsstaatsprinzip in Polen. Jedes einzelne, wenn es angenommen wird, würde die Unabhängigkeit des Justizsystems unterminieren. Zusammen würden sie die rechtliche Unabhängigkeit verschwinden lassen. Und das Justizwesen unter die volle Kontrolle der Regierung stellen. Es geht jetzt nicht um eine tiefgreifende juristische Analyse, aber mit dieser Reform würden die die Richter zum Spielball der politischen Führung. Sie wären von ihr abhängig, mit dem Beginn ihrer Ernennung bis zur Pensionierung."
    Damit, so heißt es, würde aber auch die Rechtssicherheit innerhalb des EU-Binnenmarktes ernsthaft gefährdet.
    Wie reagiert die EU-Kommission?
    Brüssel ist also bereit, auf Konfrontationskurs zu gehen. Damit wäre aber auch der schwelende Konflikt zwischen der polnischen Regierung und der EU-Kommission endgültig eskaliert. Insofern wuchs auch der Druck auf die Kommission zuletzt massiv, Warschau nicht nur zu ermahnen, sondern klare Kante zu zeigen. Vermutlich wird das am kommenden Mittwoch passieren, so die Ankündigung von Timmermanns:
    "Wir werden ein klares Signal aussenden und für den Bruch des EU-Rechts Vertragsverletzungsverfahren vorbereiten. Und wir sind der Auslösung von Artikel sieben - das kann angesichts der jüngsten Entwicklungen niemanden überraschen - zuletzt deutlich näher gekommen."
    Artikel Sieben der EU-Verträge könnte in letzter Konsequenz den Entzug der Stimmrechte für Polen im Rat der Mitgliedsstaaten bedeuten. Wie die EU-Kommission nun auf die neue Entwicklung in Warschau reagiert, bleibt abzuwarten.
    Auch wenn die polnische Regierung am Montag vorerst eine Niederlage erlitten hat, am Ende ist sie noch lange nicht. Denn Umfragen zeigen, dass viele Polen mit ihr zufrieden sind, die PiS würde aktuell die nächsten Wahlen klar gewinnen. Nicht unbedingt wegen der Justizreform, aber wegen ihrer Sozialpolitik. Ein neues Kindergeld hat die Situation vieler armer Familien deutlich verbessert.
    Gute Chance für PiS bei Wahl 2019
    Hinzu kommt: Die Regierung hat Steuerschlupflöcher geschlossen, die Einnahmen sprudeln sie wird sich zusätzliche Ausgaben also auch in den kommenden beiden Jahren leisten können. Regierungssprecher Rafal Bochenek deutete das vor kurzem an:
    "Das Regierungskabinett hat der Sozialministerin erlaubt, dass sie einen neuen Schlüssel für die Rentenanpassungen erarbeitet. Die Anpassungen unter unserer Vorgängerregierung waren so niedrig, dass sie den polnischen Staat lächerlich gemacht haben. Das wollen wir ändern und nicht mehr zulassen, dass die Menschen im Elend leben."
    Das sind gute Voraussetzungen für die PiS, auch die Parlamentswahl 2019 zu gewinnen - ganz gleich, wie der Kampf um den Rechtsstaat letztendlich ausgehen wird.