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Justizreform in Polen
Streit zwischen Regierung und Verfassungsgericht schwelt weiter

In Polen streiten Regierung und Verfassungsgericht unter anderem über ein Gesetz, das die Arbeit des Verfassungsgerichts als Kontrollinstanz lähmt. Diese Neuregelung hat das Gericht jetzt verworfen. Der Konflikt ist damit aber keineswegs vom Tisch. Die Entscheidung des Gerichts setzt die polnische Regierung weiter unter Druck.

Von Florian Kellermann | 10.03.2016
    Eingang des polnischen Verfassungsgerichts
    Das polnische Verfassungsgericht (dpa/picture-alliance/ Rafal Guz)
    Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts haben sich die Fronten in Warschau noch verhärtet. Ministerpräsidentin Beata Szydlo kündigte an, die Regierung werde das Urteil nicht veröffentlichen. Denn das Gericht habe sich bei seiner Verhandlung nicht an das Gesetz gehalten, das seine Arbeit regelt und über das es gestern beriet, sagte die Chefin von Szydlos Kanzlei Beata Kempa:
    "Wenn das Parlament ein Gesetz beschließt und der Präsident das Gesetz unterschreibt, dann haben wir alle die Pflicht, dieses Recht auch anzuwenden. Das gilt vor allem für den Präsidenten des Verfassungsgerichts Rzeplinski."
    Rechtsbruch-Vorwürfe an den Präsidenten
    Rzeplinski handele längst nicht mehr wie ein Richter, so die Kritik aus der PiS. Er verhalte sich wie ein Politiker aus dem Lager der Opposition.
    Die Regierung wirft also dem Präsidenten des Verfassungsgerichts einen Rechtsbruch vor. Dieser wiederum erklärte, die Regierung verstoße gegen die Verfassung, wenn sie das Urteil nicht veröffentliche.
    Die polnische Opposition droht deshalb der Regierung, sollte sie bei ihrer Haltung bleiben. Cezary Tomczyk von der rechtsliberalen "Bürgerplattform":
    "Das Ganze entwickelt sich zu einem Streit zwischen dem demokratischen Rechtsstaat und der Regierungspartei PiS. Wir haben ein gültiges Urteil, das die Regierung veröffentlichen muss. Wenn sie das nicht tun, werden wir die Staatsanwaltschaft über diesen Rechtsbruch informieren. Die Regierung hat in der Sache nur noch eine Rolle zu spielen: die eines Druckers. Der Drucker kann nicht entscheiden, ob etwas gedruckt werden soll."
    Dass die Staatsanwalt Ermittlungen aufnimmt, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Regierung hat gerade erst ihren Einfluss auf die Behörde deutlich erweitert. Anfang des Monats trag ein Gesetz in Kraft, wonach Justizminister Zbigniew Ziobro in Amtseinheit auch Generalstaatsanwalt ist - mit weitreichenden Vollmachten.
    Rechtswissenschaftler weisen darauf hin, dass sich der Konflikt, wenn er nicht beigelegt wird, künftig laufend wiederholen wird. Das Verfassungsgericht wird weitere Urteile fällen - auf der Grundlage des alten Gesetzes, die von der Regierung dann nicht anerkannt werden.
    Regierung unter Druck
    Die gestrige Entscheidung setzt die Regierung auch international weiter unter Druck. Morgen wird die Venedig-Kommission des Europarats einen kritischen Bericht über den Streit um das Verfassungsgericht vorlegen. Und schon im Januar leitete die EU-Kommission ein Verfahren gegen Polen ein, das den Zustand des Rechtsstaats überprüfen soll.
    Angesichts dessen solle sich die Regierung besinnen, meint Ryszard Petru, Vorsitzender der liberalen Oppositionspartei "Modernes Polen":
    "Das ist inzwischen nicht nur ein polnisches, sondern ein internationales Problem. Polen wird im Ausland als ein Land betrachtet werden, in dem die Verfassung verletzt wird. Dies ist ein sehr wichtiger Moment. Wenn die Regierungspartei PiS stur bleibt, wird Polen die größte Staatskrise erleben, seit es 1989 die Unabhängigkeit errungen hat."
    Weitere Proteste erwartet
    In diesem Fall rechne er in den kommenden Tagen mit noch stärkeren gesellschaftlichen Protesten als bisher, sagte Petru. Einige Regierungsgegner haben damit schon begonnen und die Nacht vor dem Ministerrat verbracht. Sie projizierten das Urteil des Verfassungsgerichts an die Wand des Gebäudes - und veröffentlichten die Entscheidung damit bereits auf ihre Art.