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(K)ein Pranger für Lebensmittel

Analogkäse, Schinkenimitate oder Tütensuppen ohne Geschmacksverstärker, in denen doch Hefeextrakte zu finden sind. Zweifelhafte Lebensmittelversprechen sollen auf einem neuen Internetportal aufgeführt werden. Hartmut König, der das Projekt bei der Verbraucherzentrale Hessen leitet, hofft, dass Endkunden damit nicht mehr irregeführt werden.

Hartmut König im Gespräch mit Theo Geers | 18.10.2010
    Theo Geers: Bei der Verbraucherzentrale Hessen in Frankfurt begrüße ich nun den Leiter dieses Projekts, Hartmut König. Guten Tag, Herr König.

    Hartmut König: Guten Tag, Herr Geers!

    Geers: Herr König, wann startet denn dieses neue Projekt?

    König: Wir planen im März 2011, dass das Projekt Lebensmittelwahrheit, -klarheit – oder der Name wird vermutlich sein Lebensmittelcheck – ans Netz geht.

    Geers: Wahrheit und Klarheit sollen auf die Verpackungen. Welche Missstände wollen Sie denn anprangern?

    König: Es geht um die Beispiele, die Sie genannt haben. Es geht um die Lebensmittelkennzeichnung. Die ist ja häufig sehr widersprüchlich in sich. Sie haben das Beispiel ohne Geschmacksverstärker genannt, aber es gibt auch viele andere Beispiele, Röstkaffee beispielsweise, der gar kein Röstkaffee mehr ist, sondern zehn Prozent Zuckerstoffe enthält, und viele andere Anfragen, die praktisch täglich bei den Verbraucherzentralen ankommen, wo es um irreführende Kennzeichnungen geht.

    Geers: Also zum Beispiel auch um Fittmacher, die zur Hälfte aus Zucker bestehen?

    König: Auch solche Produkte, wenn sie wirklich als spezielle Fittmacher angepriesen werden, das Marketingkonzept entsprechend läuft und dann doch den Verbraucher eher müde machen, weil der Zuckergehalt so hoch ist. Auch solche Maßnahmen und Werbemaßnahmen sollen von diesem Internetportal aufgegriffen werden.

    Geers: Was ist mit neuen Zutaten, oder wenn sich zum Beispiel die Zutatenliste ändert? Da gibt es ja das schöne Beispiel der Tiefkühlpizza, die bisher mit einem Käsebelag versehen war und jetzt plötzlich mit Analogkäse bestrichen ist, der gar kein Käse mehr ist. Solche Dinge auch?

    König: Solche Dinge auch, also Imitate oder imitatähnliche Entwicklungen. Der Hintergrund ist ja, dass sich die Technik in der Lebensmittelverarbeitung und bei den Zusatzstoffen so stark verändert hat, dass letztlich Produkte am Markt sind, die nach außen noch den Anschein der traditionellen Produkte geben, aber sich inhaltlich verändert haben. Sie haben ein Beispiel genannt: Käseimitat, Schinkenimitate, aber auch Eis, das gar kein Milchspeiseeis mehr ist, sondern nur noch aus Trockenmilchpulver und pflanzlichen Fetten hergestellt ist. Also da hat sich einiges verändert und die Verbraucher kommen darauf. Es gibt viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich die Etiketten genau anschauen und dann auf diese Widersprüche aufmerksam werden, und solche Anfragen, aber auch richtige klassische Irreführungen werden dann in diesem Verbraucherportal eine Rolle spielen.

    Geers: Ein Aspekt interessiert die Verbraucher sicherlich auch, wenn es um Wahrheit und Klarheit auf den Verpackungen geht. Gehört dazu vielleicht auch, dass der Hersteller genannt wird, sodass man zum Beispiel bei Hausmarken im Supermarkt, also den Billigmarken, feststellen kann, dass die Plätzchen vielleicht vom selben Hersteller stammen wie die teuere Markenware, die auch im Regal liegt, weil häufig verstecken sich ja bei diesen Hausmarken die Hersteller hinter irgendwelchen Formulierungen, hergestellt von der Handels-Sowieso GmbH und so weiter. Ist das auch ein Thema?

    König: Das ist jetzt für dieses Portal eher kein Thema, weil es geht um die Kennzeichnung, egal welcher Anbieter dann dahinter steckt. Die Frage ist, ist die Kennzeichnung und die Werbemaßnahmen, die ihr macht, sind die eindeutig und wahr. Nach Lebensmittelrecht müssen Aussagen über die Qualität der Lebensmittel wissenschaftlich belegt sein, und das wird letztlich die Frage sein. Ist das, was werbemäßig dargestellt wird, auch wirklich drin in den Lebensmitteln, oder wird ein falscher Anschein geweckt.

    Geers: Wie soll denn dann das Verfahren laufen, Herr König? Kann sich ab März – Sie sagten es: dann startet das Portal – dann jeder Verbraucher an dieses neue Portal wenden und einen Missstand, von dem er glaubt, dass es einer ist, dort melden?

    König: Ja, das ist so. Es wird so einen Produktbereich geben in diesem Internetportal. Dort können die Verbraucher entsprechende Produkte melden, wo sie sich irregeführt fühlen. Wir werden dieses Produkt dann einstellen, einkaufen, wenn notwendig, ein Bild einstellen, die Verbraucherbeschwerde wird eingestellt, wir werden eine Stellungnahme dazu abgeben, die Verbraucherzentrale, und, was ganz wichtig dabei ist, wir wollen auch die Kommunikation mit den Anbietern entwickeln. Auch der bekommt Gelegenheit, zu seiner Kennzeichnung und zu dem Verbraucherproblem Stellung zu nehmen, und auch das wird eingestellt. Im Hintergrund läuft natürlich dann auch die rechtliche Prüfung. Wir können beispielsweise irreführende Werbung abmahnen. Wir arbeiten eng dann mit der Lebensmittelüberwachung auch zusammen, die ja auch Vollzugsmaßnahmen durchsetzen können.

    Geers: So weit, so gut. Das neue Internetportal startet also im März. Wir werden dran bleiben, Herr König. – Das war Hartmut König, Projektleiter für das neue Internetportal gegen irreführende Lebensmittelkennzeichnung bei der Verbraucherzentrale Hessen.

    König: Ja! Guten Tag, Herr Geers.