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Kaczynski-Besuch soll das deutsch-polnische Verhältnis stärken

Der polnische Botschafter in Deutschland, Andrzej Byrt, geht davon aus, dass der Deutschland-Besuch von Polens Staatspräsident Kaczynski das Verhältnis der beiden Länder nachhaltig verbessern wird. Das Treffen sei eine gute Gelegenheit, die bestehende deutsch-polnische Interessengemeinschaft zu stärken, sagte Byrt. Bundeskanzlerin Merkel und Kaczynski sollten die Gelegenheit nutzen, um die zukünftige Richtung der gemeinsamen Beziehungen zu bestimmen. Staatspräsident Kaczynski kommt am Vormittag zu seinem ersten offiziellen Besuch nach Berlin.

Moderation: Peter Lange |
    Peter Lange: Hoher Besuch heute aus Polen. Lech Kaczynski, der neue Präsident unseres östlichen Nachbarlandes, kommt zum Staatsbesuch nach Berlin. Seit seinem Amtsamtritt ist es, wie es scheint, noch ein wenig kühler geworden im deutsch-polnischen Verhältnis. Das war durch das Pipeline-Projekt von Gerhard Schröder und Wladimir Putin schon gestört und die Charmeoffensive von Angela Merkel bei ihrem Antrittsbesuch in Warschau, die hat offenbar wenig daran geändert. Das Gaspipeline, die beargwöhnten Pläne für ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin und überhaupt die demonstrativ selbstgewusste und robuste Vertretung polnischer Interessen, dies alles weist darauf hin, dass der Besuch von Lech Kaczynski nicht unbedingt ein Hochamt deutsch-polnischer Freundschaft werden wird. Am Telefon begrüße ich nun Andrzej Byrt, den polnischen Botschafter in Deutschland. Guten Morgen, Herr Botschafter.

    Andrzej Byrt: Guten Morgen.

    Lange: Herr Botschafter, ihr Präsident pflegt eine ziemlich direkte Sprache. Ich stelle mir vor, dass Sie hinterher immer viel Arbeit haben, das Ganze diplomatisch zu glätten.

    Byrt: Ja, in der Tat, der Präsident Kaczynski, der spricht, ich würde sagen, unmittelbar, das gilt auch für Polen. Sein Gespräch, das wir auch aus der Wahlkampagne sehr gut kennen, war einigermaßen nicht überraschend, aber er hat etwas andere Töne angeschlagen und in einer Art und Weise, die für Polen viele Jahre lang nicht so bekannt war.

    Lange: Das heißt, Sie müssen jetzt viel beschwichtigen?

    Byrt: Nein. Einige Probleme, wurden, ich würde sagen, in direkter Art und Weise hervorgehoben. Und damit habe auch wir zu tun in unseren Verhältnissen mit unserem Nachbarland Deutschland.

    Lange: Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hatte bei ihrem Besuch in Warschau ja deutlich gemacht, dass sie im Verhältnis zum polnischen Nachbarn und zu Russland die Akzente anders setzen will als ihr Vorgänger Gerhard Schröder. Was bewertet worden ist als ein Schritt auf Polen zu. Warum wird das von ihrem Präsidenten so wenig honoriert?

    Byrt: Ich hoffe das. In dem ersten Gespräch in Warschau hat Frau Merkel den ersten Kontakt zu unserem Präsidenten aufgenommen und zum zweiten Mal werden sie heute in Berlin miteinander reden. Ich denke, dass beide Politiker sehr erfahrene Politiker sind. Die beiden haben viele Jahre lang in der Opposition gearbeitet und nun, wenn sie sozusagen am Steuer ihrer Staaten bleiben, müssen sie einen neuen Weg vielleicht zueinander finden. Ich hoffe, dass die heutige Gespräche auch uns erlauben werden, einige schwierige Themen etwas anders zu formulieren, als die meisten von uns vermuten.

    Lange: Eines dieser schwierigen Themen, das die Beziehungen belastet, ist die Gaspipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland. Hofft ihre Regierung immer noch, dass an diesem Projekt etwas in ihrem Sinne zu ändern ist?

    Byrt: Nein. Die Regierung hat sehr deutlich gesagt: Wir haben es verstanden, Deutschland will eine solche Leitung haben. Und wir nehmen das an und lieber werden wir miteinander über unterschiedliche Energiealternativen reden, zum Beispiel einen Vertrag über Energiesicherheit, die wir sowieso in Europa brauchen. Und das kann vielleicht auch ein Thema sein.

    Lange: Trotzdem wirkt ihr Präsident, wenn ich das so sagen darf, immer noch ein wenig beleidigt, so kam es jedenfalls in dem jüngsten Interview von Präsident Kaczynski zum Ausdruck. Verpasst er damit nicht die Chance, die Beziehungen wieder zu verbessern?

    Byrt: Ich bin völlig überzeugt, dass die Verbindungen, die Verhältnisse von Deutschland und Polen, die sind gut. Das muss sehr deutlich gesagt werden, am Anfang aller Gespräche. Die sind gut, wir haben zahlreiche, auf unterschiedlichen Ebenen entwickelte Verhältnisse. Sei es in den Streitkräften, sei es mit unterschiedlichen, mehr als 500 unterschiedliche Partnerschaftsverträgen zwischen Städten, Ländern oder was auch immer. Und diese Kontakte, die werden bleiben. Die sind vier Jahre her entstanden und sie werden sich schrittweise auch weiter entwickeln. Man muss es nicht nur in der Perspektive der unterschiedlichen politischen Größe betrachten. Es gibt auch, unabhängig davon, was auf der politischen Ebene gesagt wird, gibt es auch diese gegenseitigen Kontakte, die weiter sehr gut zirkulieren und sich entwickeln.

    Lange: Aber das, Herr Byrt, hört sich jetzt ein bisschen so an, als wollten Sie sagen, die Basis, das Fundament ist in Ordnung, da kommt es nicht ganz so darauf an, wie es an der Spitze läuft.

    Byrt: Ja, ich denke, dass wir an der Spitze vielleicht etwas anderes, unterschiedliche Probleme werden formulieren müssen und ich hoffe, dass das heutige Treffen auch den beiden Seiten eine Chance geben wird, diese Unterschiede gut zu erkennen.

    Lange: Außenpolitik hat ja meistens auch eine direkte Verbindung zur Innenpolitik. Nun ist die polnische Innenpolitik auch nach den letzten Wahlen nicht unbedingt ein Muster an Stabilität. Kann es sein, dass der, na nennen wir es energische Ton von Präsident Kaczynski gegenüber den europäischen Partnern auch ein Reflex ist, auf innenpolitische Schwächen?

    Byrt: Nein, das ist nicht der Fall. In der Tat, die Regierung ist heute eine Minderheitsregierung, die mit zwei andere Parteien einen so genannten Stabilitätspakt unterzeichnet hat. Das bedeutet, dass sie mindestens für das nächste Jahr unterschiedliche Pläne oder Gesetzte im Parlament werden durchführen können. Und ich hoffe, diese Stabilität, teilweise und temporär, kann auch, ich würde sagen, die Auslandspolitik stabilisieren.

    Lange: Die Regierungen von Helmut Kohl und Gerhard Schröder, Herr Botschafter, waren energische Fürsprecher des EU- und des Natobeitritts von Polen. Hätten Sie ein bisschen Verständnis dafür, wenn deutsche Politiker nun die gegenwärtige Haltung der gegenwärtigen polnischen Führung für, ja vielleicht ein bisschen undankbar hielten?

    Byrt: Ich denke, dass zuerst deutsche Politiker, wie alle anderen Politiker, Realisten sind, und sie wissen Bescheid, was hinter unterschiedliche Alternativen, die plötzlich in der Politik auftauchen, was dahinter steckt. Polen ist sehr dankbar für die Unterstützung. Ich hoffe auch, die heutige Regierung ist auch dafür dankbar. Was in der Vergangenheit geschehen ist zwischen Deutschland und Polen auf unserem Weg zur Europäischen Union. Aber wir müssen auch sehr deutlich sagen: Die Nutzen des Prozesses waren auch sehr groß für die deutsche Seite. Das auch ist ganz klar. Deutschland hat auch vieles aus der Öffnung der Märkte in Mittel-Ost-Europa herausgezogen. In diesem Sinne denke ich, die beiden Partner haben aus dem Prozess sehr gut profitiert.

    Lange: Ihre Prognose: Was wird am Ende dieses Besuches stehen?

    Byrt: Ich denke, dass nach dem Ende dieses Besuches beide Seiten viel besser werden sagen können, in welche Richtung sie miteinander weiter gehen sollen. Und ich hoffe, dass diese Erkenntnis nach den Gesprächen nicht nur realistischer wird, sondern auch Hoffnung geben wird, dass die so genannte deutsch-polnische [...]-Gemeinschaft, Interessengemeinschaft sowieso existiert.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Andrzej Byrt, der polnische Botschafter in Deutschland. Herr Botschafter, ich danke ihnen für das Gespräch.

    Byrt: Danke. Vielen, vielen Dank.