Käßmann: Guten Morgen, Herr Birke.
Birke: Frau Käßmann, lehnen Sie selbst eine arbeitsrechtliche Regelung ab, wonach unsere muslimischen Mitbürger einen Anspruch haben sollten, an ihren Feiertagen arbeitsfrei zu bekommen?
Käßmann: Nein, das halte ich für völlig in Ordnung. Aber ein Feiertag, ein gesetzlicher Feiertag ist ja einer, an dem ein Land bedenkt, woher es kommt, was seine eigenen Grundlagen sind. Und 66 Prozent in diesem Land gehören einer christlichen Kirche an, weniger als fünf Prozent dem muslimischen Glauben. Also ich halte das für unverhältnismäßig. Ich glaube vor allen Dingen nicht und deshalb finde ich es merkwürdig, dass das nun gerade Integration hilft, weil wir müssen ja auch wissen, in was wir eigentlich integrieren wollen, in welche Kultur, in welche Gesellschaft.
Birke: Nun haben die Muslime allerdings diesen Feiertagsvorstoß begrüßt, so sagte etwa Mahmud Askar, der Generalsekretär der Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa, die Muslime seien Teil der Gesellschaft und wenn man auf Minderheitenrechte Wert lege, dann sei ein muslimischer Feiertag überfällig.
Käßmann: Also ich sehe das wirklich nicht, dann sollten wir auch einen jüdischen Feiertag einführen in Deutschland und andere mehr. Welche Kultur wollen wir eigentlich aufrecht erhalten? Ich meine, Frau Göring-Eckart, die Grünen sind ja auch sehr unterschiedlich, hat ja gesagt, das sei ungefähr so sinnvoll, wie in Dubai den Pfingstmontag einzuführen. Das ist dann ein bisschen humoristisch ausgedrückt. Ich finde merkwürdig, dass immer wieder kirchliche Feiertage gestrichen werden sollen. Gestern ist es zehn Jahre her, dass der Buß- und Bettag gestrichen wurde, ich glaube, das hat unserem Land nicht gut getan, hat auch die Wirtschaft ganz offensichtlich nicht angekurbelt. Und stattdessen wird über Bord geworfen, was an Traditionen eigentlich vorhanden ist und ich denke, dass wir in einem christlich geprägten Land leben, jüdisch-christlich geprägt, viele Menschen das schnell und flott heute über Bord werfen wollen und sich gar nicht überlegen, auf welcher Grundlage Zusammeleben dann eigentlich stattfinden soll. Was nicht heißen soll, dass nicht Integration nötig ist, aber das sind ganz andere konkrete Schritte.
Birke: Frau Käßmann, lassen Sie uns gerade noch bei dem Stichwort Pfingstmontag bleiben, damit haben Sie mir nämlich ein Stichwort geliefert. Wir haben ja aus anderem Grund eine Feiertagsdebatte gehabt in jüngerer Vergangenheit. Welchen Feiertag könnten Sie sich denn vorstellen, zu opfern, Ostermontag oder Pfingstmontag, auch für die Wirtschaft. Denn in anderen Ländern, die auch sehr religiös, christlich geprägt sind, gibt es diese Feiertage ja zum Teil auch nicht.
Käßmann: Also, ich halte das wirklich von hinten aufgezäumt, dass nun die Wirtschaft wirklich gefördert wird langfristig in unserem Land, durch einen Feiertag, der aufgegeben wird, halte ich für Unfug. Ich denke, unsere Gesellschaft braucht gemeinsame freie Zeiten, in denen sie einmal das Gerenne und Gekaufe und Geschaffe unterbricht und vielleicht ein bisschen zur Besinnung kommt. Ich würde natürlich auch sagen, zur Besinnung auf ihre christlichen Wurzeln, die unsere Gesellschaft weiterhin lebt. Langfristige Wirtschaftsförderung ist das nicht. Wir sehen das an Bayern, dass nun wirklich nicht das Schlusslicht wirtschaftlich ist in der Bundesrepublik und wesentlich mehr Feiertage hat. Außerdem könnte es ja sein, wenn es so notwendig ist, dass jeder einen einzelnen individuellen Urlaubstag aufgibt, anstatt die Tage, die wir gemeinsam in der ganze Republik als Zeiten zum Nachdenken haben.
Birke: Frau Käßmann, ist es der Integration förderlich, wenn Frau Schavan, die Kultusministerin aus Baden Württemberg zum Beispiel fordert, Predigten in den Moscheen sollten nur noch auf Deutsch abgehalten werden oder auch, wenn gefordert wird, dass eben der Koran nur noch auf Deutsch gelehrt werden sollte?
Käßmann: Ja, damit ist natürlich ein Punkt angesprochen, der für Integration ganz zentral ist, nämlich das Erlernen der deutschen Sprache. Ich halte das tatsächlich für einen Dreh- und Angelpunkt. Mit Verboten, glaube ich, ist es schwierig, Integrationspolitik zu machen, aber tatsächlich mit der dringenden Forderung und ich finde, die muss auch umgesetzt werden, dass Menschen, die in unser Land kommen, unsere Sprache tatsächlich auch erlernen. Ich denke das ist für Integration das A und O, der Dreh- und Angelpunkt. Und deshalb, wer Integration will und ich will in jedem Fall Integration, muss dann auch konkret fördern. Beispielsweise die Kindertagesstätten, die Sprachfrühförderung betreiben, unsere kirchlichen Kindertagesstätten bemühen sich darum, aber ohne große finanzielle Unterstützung und auch die Schulen sind überfordert, wenn sie nebenbei, neben dem Unterricht noch eben mal schnell Spracherlernen unterrichten sollen für kleinste Gruppen. Das können sie kaum, weil der Lehrermangel immer noch groß genug ist. Also da anzusetzen, bei der Sprachförderung, bei denen die zuwandern, das ist das Allererste, was wir tun müssen.
Birke: Sollten wir da sogar soweit gehen, in diesem Bereich, im sprachlichen Bereich, aber auch in der Anerkennung eben unserer demokratischen Grundwerte so wie es die Union heute noch mal mit Nachdruck fordert, die Assimilierung zu erzwingen, sprich wenn einer eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bei uns haben will, sollte er einen Demokratietest und einen Deutschtest machen müssen?
Käßmann: Nun, das Erzwingen hört sich jetzt gleich schon wieder so furchtbar an als Verb, das sie da gebrauchen. Aber in der Tat denke ich, wer in unserem Land leben will, muss unsere Verfassung kennen und sich auch zu unseren Verfassungsgrundsätzen bekennen, die ich beispielsweise jetzt auch wieder auf der Grundlage unserer jüdisch-christlichen Prägung sehe. Ich nehme alleine den Verfassungsgrundsatz, Mann und Frau sind gleichberechtigt, was bedeutet das eigentlich, wenn dann jüngste Umfragen zeigen, dass 49 Prozent aller Frauen in muslimischen Familien in diesem Land sexuelle und körperliche Gewalt erleiden und dass auch die Gewaltstatistik bei der Erziehung viel höher ist. Insofern denke ich, wir sollten tatsächlich darauf Wert legen, dass unsere Verfassung bejaht wird, eindeutig gekannt und bejaht wird und auch Sprache notwendig ist. Das würde übrigens gerade den jungen Frauen helfen, die immer noch zwangsverheiratet werden auch nach Deutschland und gar keine Chance haben, hier zurecht zu kommen und Menschen kennen zu lernen, weil sie überhaupt nicht die Sprache erlernen je.
Birke: Mit den Zwangsheiraten haben Sie ein ganz wichtiges Problem angesprochen, wie kann der Staat da noch agieren?
Käßmann: Also nehmen wir alleine die Tatsache, dass jede Frau, die nach Deutschland kommt in eine Ehe von außen, dass sie einen Sprachkurs absolvieren muss und ihre eigenen Rechte in diesem Land kennen lernt, das würde für sie schon einen ganz großen Schritt bedeuten.
Birke: Ganz kurz noch die Frage, wie groß schätzen Sie eigentlich die Gefahr ein, dass wir ähnliche holländische Zustände bekommen, dass die Parallelgesellschaften hier explodieren?
Käßmann: Ich hoffe, dass das nicht so ist, aber ich habe, das muss ich ganz offen sagen, immer gedacht, dass das in Holland auch anders ist. Ich kann nur sagen, unsere Kirche wird alles tun, dass hier auch Religion endlich Konflikte entschärft und nicht auch noch Religion Öl ins Feuer dieser Konflikte gießt. Ich glaube, wir müssen einfach sehr aufpassen und die Gespräche fördern. Wir tun das in vielen einzelnen Gruppen, dass Kirchen und Moscheen in Gesprächskreise kommen. Wir haben jetzt hier am Freitag ein großes Forum christlich-islamisch zur Frage der Erziehung. Wir müssen mehr investieren in Integration, das ist jedenfalls in Holland dramatisch deutlich geworden.
Birke: Ist denn da ein Problem, dass es auf der muslimischen Seite keinen Dachverband, keine groß angelegte Organisation wie etwa die evangelische oder katholische Kirche gibt?
Käßmann: Also das ist für uns in der Tat ein Problem, weil ganz schwer zu sagen ist, wer ist eigentlich mein Gesprächspartner. Ich hatte eine Einladung beispielsweise ausgesprochen hier in Niedersachsen, da sind es dann fünf Gruppierungen, die aber untereinander auch durchaus zerstritten sind. Ich denke, das braucht wahrscheinlich auch Zeit, wir können sehen, dass das in Frankreich wesentlich weiter ist. Im Moment ist das schwer zu sagen, wer ist das Gegenüber. Aber ich denke, wir sollten auch alles tun mit muslimischen Religionsunterricht in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen, damit keine Nischen sich bilden sondern der Dialog ins Offene kommt und wir tatsächlich uns auf einer Augenhöhe begegnen können.
Birke: Frau Käßmann, die Innenminister der Länder werden sich heute auch noch einmal mit dem Thema Bleiberecht aber auch Terrorbekämpfung, mit dem ganzen Umgang auch mit unseren muslimischen Mitbürgern befassen. Ist es denn in dieser aktuellen angespannten Lage sinnvoll und notwendig, die etwa 200.000 geduldeten Flüchtlinge in der Bundesrepublik eben auch zum Teil aus muslimischen Ländern hier zu lassen?
Käßmann: Also, ich bin entschieden dafür, dass wir dafür tatsächlich in den Bundesländern Härtefallkommissionen einrichten, weil, das müssen Sie ganz einzeln prüfen. Jeder Fall ist ein verschiedenes, jedes Schicksal. Und es gibt Flüchtlinge, die leben seit Jahren, manche seit Jahrzehnten in unserem Land, die haben die deutsche Sprache erlernt, die haben zum Teil einen Arbeitsplatz, eine Wohnung, sind integriert in ihre Dörfer, das kann ich hier auch aus Niedersachsen sagen und wenn die dann abgeschoben werden sollen, ist das sozusagen eine Zuwiderhandlung zu allem, was wir an Integration fordern und deshalb denke ich, das geht nicht pauschal, sondern da muss eine Einzelprüfung jedes einzelnen Schicksals da sein.
Birke: Das war Margot Käßmann, Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche in Hannover, recht herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Birke: Frau Käßmann, lehnen Sie selbst eine arbeitsrechtliche Regelung ab, wonach unsere muslimischen Mitbürger einen Anspruch haben sollten, an ihren Feiertagen arbeitsfrei zu bekommen?
Käßmann: Nein, das halte ich für völlig in Ordnung. Aber ein Feiertag, ein gesetzlicher Feiertag ist ja einer, an dem ein Land bedenkt, woher es kommt, was seine eigenen Grundlagen sind. Und 66 Prozent in diesem Land gehören einer christlichen Kirche an, weniger als fünf Prozent dem muslimischen Glauben. Also ich halte das für unverhältnismäßig. Ich glaube vor allen Dingen nicht und deshalb finde ich es merkwürdig, dass das nun gerade Integration hilft, weil wir müssen ja auch wissen, in was wir eigentlich integrieren wollen, in welche Kultur, in welche Gesellschaft.
Birke: Nun haben die Muslime allerdings diesen Feiertagsvorstoß begrüßt, so sagte etwa Mahmud Askar, der Generalsekretär der Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa, die Muslime seien Teil der Gesellschaft und wenn man auf Minderheitenrechte Wert lege, dann sei ein muslimischer Feiertag überfällig.
Käßmann: Also ich sehe das wirklich nicht, dann sollten wir auch einen jüdischen Feiertag einführen in Deutschland und andere mehr. Welche Kultur wollen wir eigentlich aufrecht erhalten? Ich meine, Frau Göring-Eckart, die Grünen sind ja auch sehr unterschiedlich, hat ja gesagt, das sei ungefähr so sinnvoll, wie in Dubai den Pfingstmontag einzuführen. Das ist dann ein bisschen humoristisch ausgedrückt. Ich finde merkwürdig, dass immer wieder kirchliche Feiertage gestrichen werden sollen. Gestern ist es zehn Jahre her, dass der Buß- und Bettag gestrichen wurde, ich glaube, das hat unserem Land nicht gut getan, hat auch die Wirtschaft ganz offensichtlich nicht angekurbelt. Und stattdessen wird über Bord geworfen, was an Traditionen eigentlich vorhanden ist und ich denke, dass wir in einem christlich geprägten Land leben, jüdisch-christlich geprägt, viele Menschen das schnell und flott heute über Bord werfen wollen und sich gar nicht überlegen, auf welcher Grundlage Zusammeleben dann eigentlich stattfinden soll. Was nicht heißen soll, dass nicht Integration nötig ist, aber das sind ganz andere konkrete Schritte.
Birke: Frau Käßmann, lassen Sie uns gerade noch bei dem Stichwort Pfingstmontag bleiben, damit haben Sie mir nämlich ein Stichwort geliefert. Wir haben ja aus anderem Grund eine Feiertagsdebatte gehabt in jüngerer Vergangenheit. Welchen Feiertag könnten Sie sich denn vorstellen, zu opfern, Ostermontag oder Pfingstmontag, auch für die Wirtschaft. Denn in anderen Ländern, die auch sehr religiös, christlich geprägt sind, gibt es diese Feiertage ja zum Teil auch nicht.
Käßmann: Also, ich halte das wirklich von hinten aufgezäumt, dass nun die Wirtschaft wirklich gefördert wird langfristig in unserem Land, durch einen Feiertag, der aufgegeben wird, halte ich für Unfug. Ich denke, unsere Gesellschaft braucht gemeinsame freie Zeiten, in denen sie einmal das Gerenne und Gekaufe und Geschaffe unterbricht und vielleicht ein bisschen zur Besinnung kommt. Ich würde natürlich auch sagen, zur Besinnung auf ihre christlichen Wurzeln, die unsere Gesellschaft weiterhin lebt. Langfristige Wirtschaftsförderung ist das nicht. Wir sehen das an Bayern, dass nun wirklich nicht das Schlusslicht wirtschaftlich ist in der Bundesrepublik und wesentlich mehr Feiertage hat. Außerdem könnte es ja sein, wenn es so notwendig ist, dass jeder einen einzelnen individuellen Urlaubstag aufgibt, anstatt die Tage, die wir gemeinsam in der ganze Republik als Zeiten zum Nachdenken haben.
Birke: Frau Käßmann, ist es der Integration förderlich, wenn Frau Schavan, die Kultusministerin aus Baden Württemberg zum Beispiel fordert, Predigten in den Moscheen sollten nur noch auf Deutsch abgehalten werden oder auch, wenn gefordert wird, dass eben der Koran nur noch auf Deutsch gelehrt werden sollte?
Käßmann: Ja, damit ist natürlich ein Punkt angesprochen, der für Integration ganz zentral ist, nämlich das Erlernen der deutschen Sprache. Ich halte das tatsächlich für einen Dreh- und Angelpunkt. Mit Verboten, glaube ich, ist es schwierig, Integrationspolitik zu machen, aber tatsächlich mit der dringenden Forderung und ich finde, die muss auch umgesetzt werden, dass Menschen, die in unser Land kommen, unsere Sprache tatsächlich auch erlernen. Ich denke das ist für Integration das A und O, der Dreh- und Angelpunkt. Und deshalb, wer Integration will und ich will in jedem Fall Integration, muss dann auch konkret fördern. Beispielsweise die Kindertagesstätten, die Sprachfrühförderung betreiben, unsere kirchlichen Kindertagesstätten bemühen sich darum, aber ohne große finanzielle Unterstützung und auch die Schulen sind überfordert, wenn sie nebenbei, neben dem Unterricht noch eben mal schnell Spracherlernen unterrichten sollen für kleinste Gruppen. Das können sie kaum, weil der Lehrermangel immer noch groß genug ist. Also da anzusetzen, bei der Sprachförderung, bei denen die zuwandern, das ist das Allererste, was wir tun müssen.
Birke: Sollten wir da sogar soweit gehen, in diesem Bereich, im sprachlichen Bereich, aber auch in der Anerkennung eben unserer demokratischen Grundwerte so wie es die Union heute noch mal mit Nachdruck fordert, die Assimilierung zu erzwingen, sprich wenn einer eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bei uns haben will, sollte er einen Demokratietest und einen Deutschtest machen müssen?
Käßmann: Nun, das Erzwingen hört sich jetzt gleich schon wieder so furchtbar an als Verb, das sie da gebrauchen. Aber in der Tat denke ich, wer in unserem Land leben will, muss unsere Verfassung kennen und sich auch zu unseren Verfassungsgrundsätzen bekennen, die ich beispielsweise jetzt auch wieder auf der Grundlage unserer jüdisch-christlichen Prägung sehe. Ich nehme alleine den Verfassungsgrundsatz, Mann und Frau sind gleichberechtigt, was bedeutet das eigentlich, wenn dann jüngste Umfragen zeigen, dass 49 Prozent aller Frauen in muslimischen Familien in diesem Land sexuelle und körperliche Gewalt erleiden und dass auch die Gewaltstatistik bei der Erziehung viel höher ist. Insofern denke ich, wir sollten tatsächlich darauf Wert legen, dass unsere Verfassung bejaht wird, eindeutig gekannt und bejaht wird und auch Sprache notwendig ist. Das würde übrigens gerade den jungen Frauen helfen, die immer noch zwangsverheiratet werden auch nach Deutschland und gar keine Chance haben, hier zurecht zu kommen und Menschen kennen zu lernen, weil sie überhaupt nicht die Sprache erlernen je.
Birke: Mit den Zwangsheiraten haben Sie ein ganz wichtiges Problem angesprochen, wie kann der Staat da noch agieren?
Käßmann: Also nehmen wir alleine die Tatsache, dass jede Frau, die nach Deutschland kommt in eine Ehe von außen, dass sie einen Sprachkurs absolvieren muss und ihre eigenen Rechte in diesem Land kennen lernt, das würde für sie schon einen ganz großen Schritt bedeuten.
Birke: Ganz kurz noch die Frage, wie groß schätzen Sie eigentlich die Gefahr ein, dass wir ähnliche holländische Zustände bekommen, dass die Parallelgesellschaften hier explodieren?
Käßmann: Ich hoffe, dass das nicht so ist, aber ich habe, das muss ich ganz offen sagen, immer gedacht, dass das in Holland auch anders ist. Ich kann nur sagen, unsere Kirche wird alles tun, dass hier auch Religion endlich Konflikte entschärft und nicht auch noch Religion Öl ins Feuer dieser Konflikte gießt. Ich glaube, wir müssen einfach sehr aufpassen und die Gespräche fördern. Wir tun das in vielen einzelnen Gruppen, dass Kirchen und Moscheen in Gesprächskreise kommen. Wir haben jetzt hier am Freitag ein großes Forum christlich-islamisch zur Frage der Erziehung. Wir müssen mehr investieren in Integration, das ist jedenfalls in Holland dramatisch deutlich geworden.
Birke: Ist denn da ein Problem, dass es auf der muslimischen Seite keinen Dachverband, keine groß angelegte Organisation wie etwa die evangelische oder katholische Kirche gibt?
Käßmann: Also das ist für uns in der Tat ein Problem, weil ganz schwer zu sagen ist, wer ist eigentlich mein Gesprächspartner. Ich hatte eine Einladung beispielsweise ausgesprochen hier in Niedersachsen, da sind es dann fünf Gruppierungen, die aber untereinander auch durchaus zerstritten sind. Ich denke, das braucht wahrscheinlich auch Zeit, wir können sehen, dass das in Frankreich wesentlich weiter ist. Im Moment ist das schwer zu sagen, wer ist das Gegenüber. Aber ich denke, wir sollten auch alles tun mit muslimischen Religionsunterricht in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen, damit keine Nischen sich bilden sondern der Dialog ins Offene kommt und wir tatsächlich uns auf einer Augenhöhe begegnen können.
Birke: Frau Käßmann, die Innenminister der Länder werden sich heute auch noch einmal mit dem Thema Bleiberecht aber auch Terrorbekämpfung, mit dem ganzen Umgang auch mit unseren muslimischen Mitbürgern befassen. Ist es denn in dieser aktuellen angespannten Lage sinnvoll und notwendig, die etwa 200.000 geduldeten Flüchtlinge in der Bundesrepublik eben auch zum Teil aus muslimischen Ländern hier zu lassen?
Käßmann: Also, ich bin entschieden dafür, dass wir dafür tatsächlich in den Bundesländern Härtefallkommissionen einrichten, weil, das müssen Sie ganz einzeln prüfen. Jeder Fall ist ein verschiedenes, jedes Schicksal. Und es gibt Flüchtlinge, die leben seit Jahren, manche seit Jahrzehnten in unserem Land, die haben die deutsche Sprache erlernt, die haben zum Teil einen Arbeitsplatz, eine Wohnung, sind integriert in ihre Dörfer, das kann ich hier auch aus Niedersachsen sagen und wenn die dann abgeschoben werden sollen, ist das sozusagen eine Zuwiderhandlung zu allem, was wir an Integration fordern und deshalb denke ich, das geht nicht pauschal, sondern da muss eine Einzelprüfung jedes einzelnen Schicksals da sein.
Birke: Das war Margot Käßmann, Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche in Hannover, recht herzlichen Dank für dieses Gespräch.