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Kaffeekultur in El Salvador
Heiß geliebt und heiß getrunken

El Salvador eilt ein bedenklich schlechter Ruf voraus: Es gilt als eines der gefährlichsten Länder der Welt. Doch trotz Drogenmafia und marodierender Jugendbanden kommen allmählich wieder mehr Touristen in das mittelamerikanische Land. Zum Beispiel zum Kaffeetrinken.

Von Falk Werner | 01.02.2015
    Geröstete Kaffeebohne
    "Säure, Süße und Bitterkeit: Das ist der ursprüngliche Geschmack des Kaffees", sagt Kaffee-Experte Cesar Magaña aus El Salvador. (dpa / picture alliance / Jens Kalaene)
    "Dieses Jahr wird sehr interessant. Ich denke, wir werden den besten Kaffee bekommen, den wir in den letzten sechs Jahren produziert haben. Die Pflanzen sind sehr gesund und tragen jetzt wirklich eine gute Qualität. Ich höre die Pflanzen schon sagen: Wir werden Dir guten Kaffee geben."
    Cesar Magaña ist großer Hoffnung. Seine Kaffeeplantagen im Westen El Salvadors, in der Provinz Sonsonate, gedeihen gut. Er kennt sein Revier. Kennt die klimatischen Einflüsse des Pazifiks, die konstanten Winde an der Bergkette von Apaneca, die mineralstoffreichen Böden rund um den Vulkan Izalco, einer der jüngsten aktiven Vulkane der Welt. Hier, gleich um die Ecke des Ortes Juayua, ist er aufgewachsen. Cesars gesamtes Leben steht im Zeichen des Kaffees. Man könnte auch sagen: Durch Cesars Adern fließt Kaffee.
    Denn seine Leidenschaft ist ansteckend. Er kümmert sich um seine Pflanzen mehr als um sich selbst. Er röstet den Kaffee mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Und er macht aus einer Tasse Kaffee eine Religion.
    "Ich denke, eine Tasse Kaffee wirkt an jedem Ort und in jeder Gefühlslage unterschiedlich. Manche Kaffees sind einfach so hervorragend, die gehen direkt ins Hirn oder ins Herz und die sagen Dir: Weißt Du, ich bin der Gute!" Doch Cesar schüttelt den Kopf. Ohne Fachwissen kann aus jeder noch so guten Bohne ein schlechter Tropfen werden:
    "Warum hat man eine italienische Espresso-Maschine für 10.000 Dollar, wenn man nicht weiß, wie man sie richtig benutzen muss. Warum? Wozu braucht man einen Sportwagen in El Salvador, wenn wir den hier gar nicht richtig fahren können? Wer ist ein richtiger Barista? Wer kann Dir einen richtigen Kaffee mit einer Espresso-Maschine machen? Davon gibt es nur wenige in der ganzen Welt."
    Und Cesar will mir beweisen, dass er es drauf hat: Ich darf an seiner Kaffeekunst teilhaben und soll die besten Bohnen testen. Wir fahren über Schotterpisten und teils asphaltierte und blumengesäumte Straßen zu seiner Kaffee-Finca. Dann verscheucht er seine Hunde, setzt ein geschäftsmännisches Gesicht auf und wirft den Röster an.
    Kaffeerösten als Wissenschaft
    Der riesige Metallkessel vibriert und lässt den Kaffee im Innern auf- und abspringen. Dabei erhitzt er die später ölig schwitzenden Bohnen auf 170 bis 200 Grad Celsius.
    "Der Kaffee hier ist recht intensiv geröstet. So wird Kaffee für French Press, Chemex und andere feinere Arten geröstet. Traumhaft! Traumhafter Geschmack, traumhaftes Aroma, jede Menge Süße, gerade wenn wir über Kaffee aus El Salvador sprechen, ist das das Merkmal: Süße und einen runden Körper."
    Nach 20 Minuten ist sich Cesar sicher, die richtige Röstung für mich gefunden zu haben. Er entlässt die Bohnen in die Freiheit, als Dank sondern sie den typisch leckeren Kaffeegeruch ab. Süßlich, verführerisch. Die frischen Bohnen lässt Cesar kurz darauf erneut tanzen. In seiner Kaffeemühle, dort werden sie zerkleinert. Und auch das ist wieder eine Wissenschaft für sich. Denn der Geschmack kommt auch mit der Pulvergröße. Ein handgemachter Kaffee braucht Zeit. Doch nach einer halben Stunde steht er endlich vor mir. Kaum habe ich den ersten Schluck probiert, beginnt Cesar seinen Kaffeeunterricht:
    "Woran erinnert Dich der bittere Geschmack dieses Kaffees? Grüne Orangenschale oder brennt es? Ist deine Zunge trocken oder feucht? Diese Dinge musst Du auseinanderhalten können. Du suchst ja immer nach der Balance. Dieser Kaffee ist übrigens sehr säurehaltig. Manche Menschen mögen das nicht. Sie glauben, dass es zu sauer für sie wäre. Wenn Du die Säure, Süße und die Bitterkeit schmeckst? Das ist der ursprüngliche Geschmack des Kaffees."
    Ich komme mir so vor, als ob ich heute meinen ersten richtigen Kaffee im Leben trinke. Dieses Gefühl können alle wissenshungrigen Kaffeetrinker aus aller Welt in El Salvador erleben. Denn Cesar bietet mehrstündige bis zweiwöchige Kaffeekurse an.
    "Man lernt, wie man Kaffee zubereitet. Man bekommt die Option, Espressos und Cappuccinos jeden Tag zu machen. Und das auf einem hohen Niveau. Dabei reden wir darüber, den eigenen Kaffee zu rösten, einen richtigen Aufguss zu machen, mit frischem Kaffee und Kaffeeresten zu arbeiten und am Ende ist man auf dem Weg ein Barista zu werden."
    Nur 5.000 deutsche Touristen pro Jahr
    Mit seinen Kaffeetouren packt Cesar die Gelegenheit beim Schopfe. Der Tourismus in El Salvador verzeichnet jährlich zweistellige Wachstumsraten. Rund 1,7 Millionen Besucher zählt das Land. Doch die Deutschen bleiben ängstlich. Sie kaufen zwar den meisten Kaffee aus El Salvador und importieren ihn nach Deutschland. Doch nur rund 5.000 Deutsche trauen sich jährlich in das Land. Denn El Salvador eilt ein bedenklich schlechter Ruf voraus. El Salvador gilt als eines der gefährlichsten Länder der Welt. Operierende Jugendbanden, wie die Barrio 18 und Salvatrucha, formen maßgeblich das Bild im Ausland. Die Maras erpressen lokale Unternehmer, überfallen und rauben, sie morden für die Macht in den Straßen.
    "Ich liebe El Salvador. Ich liebe mein Land. Und ich werde es um jeden Preis beschützen", sagt Sala. Der 22-Jährige versucht mit Freunden die Kaffeeregion Juayua auf die touristische Landkarte zu bringen. Seiner Meinung nach sind die Maras Teil von El Salvador und als ausländischer Tourist bräuchte man nur die salvadorianischen Regeln beachten, um sicher zu reisen:
    "Hier in dieser Region gibt es glücklicherweise nur eine Gang. Das ist kein Problem. Denn es sind eben nicht beide verfeindete Gangs hier, die sich gegenseitig ermorden. In San Salvador wollen dagegen beide Gangs das Gebiet kontrollieren. Wenn man sich mit ihnen anlegt, dann finden die dich. Aber wenn du ruhig bleibst, dann interessiert es die nicht einmal, ob du existierst."
    Mit den gut gemeinten Tipps reise ich weiter durch das Land. Juayua liegt an der Ruta de las Flores, der Blumenstraße, eine von acht touristisch ausgebauten Strecken in El Salvador. Von hier aus geht meine Reise in die Hauptstadt, nach San Salvador. Landestypisch reise ich in den Camionetas, den Hühnchen-Bussen - das sind die meist gelben kastenförmigen Schulbusse von Automobilherstellern wie Wayne und Ford, die auf den Straßen zwischen Kanada und Panama unterwegs sind und die vor allem in Mittelamerika nicht von den öffentlichen Straßen wegzudenken sind. Im stickigen Straßenverkehr der Hauptstadt treffe ich Nadia Carranza. Mit ihr hatte ich mich über das soziale Netzwerk Couchsurfing verabredet. Die 34-jährige Statistikerin will mir ihre Couch anbieten, auf der ich heute Nacht kostenlos schlafen darf. Doch zunächst fahren wir in eine leise Bar, um uns kennenzulernen.
    Nadia ist voller Vorfreude und glücklich wieder einen Couchsurfer zu treffen. Es sind ja nicht so viele, die sich nach El Salvador wagen. Warum eigentlich? Nadia schwärmt in den höchsten Tönen.
    "Faktisch zeige ich Couchsurfern verschiedene Sehenswürdigkeiten in El Salvador an den Wochenenden, wenn ich frei habe. Wir sind ein kleines Land, und es ist einfach an die Strände zu fahren, in die Berge oder um das Nachtleben San Salvadors kennenzulernen. Und wir sind sehr freundliche Menschen - also die meisten - wir plaudern gern und helfen Menschen auf der Straße, die eine Frage haben."
    Pupusas auf dem Paseo
    Salvadorianer sind stolz und willig, ihr Land in den schönsten Farben zu präsentieren. Und so bringt mich Nadia an diesem Abend noch nach Los Planes de Renderos. Das liegt oberhalb des Zentrums der Hauptstadt. Hier entführt mich Nadia in eine sogenannte Pupuseria - ein typisch salvadorianisches Schnellrestaurant. Dort werden Pupusas serviert, das sind mit Bohnen, Käse, Paprikawurst gefüllte Mais- oder Reistortillas. Simples Essen für wenige Cents das Stück. Lecker und die Salvadorianer lieben es.
    Außerdem blicken wir von einem Aussichtspunkt auf die Hauptstadt - ein Lichtermeer eingebettet in das Tal der Hängematten, dem Vulkan Boquerón und dem Ilopango Kratersee. San Salvador gilt aufgrund seiner phänomenalen Ausblicke als attraktivste Hauptstadt Zentralamerikas. Alles wirkt idyllisch. Kein Wort von Kriminalität, Jugendbanden und Morden - Nadia winkt bei diesem Thema ab. Ihr sind andere Dinge im Leben wichtiger:
    "Ja, die Familie. Derzeit wohne ich alleine in San Salvador, doch ich habe Familie in Jucuapa, die ich besuche, die sich um mich kümmert und die meine Unterstützung braucht. Das Leben in Jucuapa ist viel ruhiger. Ich denke, die Familien hängen dort auch enger zusammen und man hat mehr gemeinsame Zeit in der Familie. Jeder kennt jeden."
    Als wir in der Nacht nach Hause kommen, gehöre ich automatisch zur Familie. Nadia bietet mir keine Couch an, sondern - viel besser noch - ein eigenes Zimmer mit einem richtigem Bett. Das ist Gastfreundschaft à la El Salvador.
    An diesem Wochenende lerne ich Nadias Familie und ihre besten Freunde kennen, sie zeigt mir ihre Lieblingsorte, darunter auch Santa Tecla. Keine 15 Minuten von San Salvadors Zentrum entfernt. Auf dem bei den Einheimischen mittlerweile berühmten Paseo del Carmen wird gefeiert, gegessen, getrunken. Hier lerne ich auch Emilia Estrada, Reiseleiterin in El Salvador, kennen. Und sie fasst El Salvador besser zusammen, als ich es je in Emotionen packen könnte:
    "Der Tourismus in El Salvador wächst jeden Tag und jedes Jahr. Die Statistiken zeigen, dass wieder mehr Touristen Vertrauen in El Salvador haben. Das Beste, was El Salvador zu bieten hat, sind die Salvadorianer selbst. Wenn Du mit Touristen sprichst, die in El Salvador waren, dann sehen viele El Salvador jetzt ganz anders und würden gern wieder in unser Land zurückkehren."