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Kalte Messung

Klimaforschung. - Lässt der Klimawandel die Pole abschmelzen und so den Wasserspiegel steigen? Verlässliche Zahlen über die Auswirkungen der Erderwärmung auf das wohl nicht mehr ewige Eis soll bald der Satellit CryoSat-2 liefern. Mit seinen Sensoren kann er das Volumen der Eismassen genau bestimmen.

Von Thomas Wagner | 07.04.2010
    "CryoSat-1 ist ja leider Gottes einem Start-Raketenfehler zum Opfer gefallen. Das wissenschaftliche Interesse an dem Satelliten war aber so groß gewesen, dass innerhalb kürzester Zeit, innerhalb von weniger als einem halben Jahr eine nochmalige Beauftragung für einen Nachbau entschieden wurde."

    Ekkehard Settelmeyer, für Erdbeobachtung zuständiger Geschäftsführer bei Astrium/EADS in Immenstaad am Bodensee, weiß, wie wichtig die Forschungsmission des jüngsten Esa-Satelliten CryoSat-2 ist: Es geht darum, mehr über die Ursachen und den Verlauf des Klimawandels zu erfahren. An Bord von CryoSat-2 befindet sich dazu ein Allwetter-Radaraltimeter. Das ist ein Mikrowellen-Instrument, speziell für die Messung großer Eismassen entwickelt.

    "Damit werden Radarimpulse auf die Eisfläche gesandt und von dort zurückgestrahlt. Und aus den Laufzeitmessungen kann man Unterschiede, Variationen in der Eisschichtdicke über verschiedene Messungen hinweg erfassen."

    Für die Messung senden zwei voneinander getrennte Kameras Radarimpulse zur Erde. Die treffen auf die Eisoberfläche und werden dabei unterschiedlich stark und in verschiedene Richtungen reflektiert. Zudem treten kleine Laufzeitunterschiede bei der Reflexion der beiden Radarstrahlen auf, aus denen die räumliche Struktur berechnet werden kann. Aus diesen Daten kann die Dicke der Eisschicht bis auf zwei Zentimeter genau bestimmt und dreidimensional dargestellt werden.

    "Und darauf kann man eben rückschließen, wie sich Eisvolumina, Eis-Höhen, Eismassen daraus abgeleitet eben über saisonale Effekte und jahreszeitliche Effekte oder auch über den Jahreszyklus hinweg verändern."

    Gerade die dreidimensionale Erfassung der Eisplatten ist für die Wissenschaftler überaus wichtig. Denn daraus lassen sich neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wie das Abschmelzen des Eises den Klimawandel genau beeinflusst.

    "Die Dicke der Eismassen spielt insofern eine Rolle, als dass die Veränderungen der Gesamtmassen des Eises einen Einfluss haben können auf die Gesamtklimaveränderungen. Diese Erkenntnis ist bisher nicht gegeben, wir haben bislang keinerlei Daten über die Dickenverteilung, sondern von früheren Missionen her nur eine Aussage über die Fläche des Eises. Und insofern gewinnen wir hier neue Erkenntnisse", "

    erklärt Klaus Peter Köble, CryoSat-2-Projektleiter bei Astrium/EADS. Bei den Vermessungen geht es nicht nur um den aktuellen Istzustand. Vielmehr sollen die CryoSat-Daten Informationen darüber liefern, in welcher Geschwindigkeit die Eismassen abschmelzen. Da der Satellit alle 90 Minuten die Erde umkreist, erfasst das Messinstrument selbst kleinste Veränderungen des Volumens. Diese Daten sind aus Sicht der Wissenschaftler aber überaus wichtig. Denn je schneller das Eis abschmilzt, umso rascher schreitet der Klimawandel voran.

    " "Zum einen reflektiert das weiße Eis sehr stark die einstrahlenden Lichtenergien von der Sonne. Und wenn sich die Eismassen zurückbilden, wird diese Reflexion nicht mehr in dem Umfang stattfinden, wie es notwendig wäre. Diesen Einfluss auf die Veränderungen, sprich auf die Erwärmung der Erde, lässt sich mit unseren Daten dann ganz einfach ermitteln. Und zum Zweiten spielt auch eine ganz große Rolle, dass zurückgehende Eismassen auch Dichteunterschiede in den Ozeanen begründen und sich somit Strömungen ergeben von den kalten Polarregionen zu den warmen Äquatorialregionen und sich somit insgesamt eine Erwärmung ergibt, die wiederum zum Abschmelzen der Eismassen, insbesondere des Nordpolareises, bewirken."

    Um seine auf drei Jahre ausgelegte Mission erfüllen zu können, muss CryoSat-2 stets in exakter Position auf seiner Umlaufbahn 720 Kilometer über der Erdoberfläche unterwegs sein. Dazu verfügt der Satellit über einen so genannten Star-Tracker: Das ist eine elektronische Sternenkarte in Verbindung mit mehreren Außenkameras, die die Konstellation der Sterne erfassen. Der Abgleich zwischen der elektronischen Sternenkarte und dem Außenbild ermöglicht die notwendige Positionsbestimmung, um den 720 Kilogramm schweren und 4,60 Meter hohen Satelliten auf der richtigen Position zu halten.