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Kampf gegen Treibhausgase
Steine aus Kohlendioxid

Jedes Jahr gelangen gewaltige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Luft. Bislang bringen alle Versuche, die Emissionen zu vermindern wenig Erfolg. Das gilt bisher auch für das Abscheiden und die Endlagerung des Treibhausgases tief in der Erde. Um dieses Problem zu lösen, wollen Forscher Kohlendioxid in Stein umwandeln. So könnte es nicht mehr an die Luft gelangen.

Von Dagmar Röhrlich | 10.06.2016
    Wissenschaftler untersuchen Bohrkerne des mit CO2 versetzten Bodens.
    Wissenschaftler untersuchen Bohrkerne des mit CO2 versetzten Bodens. (Science / Juerg Matter])
    Hinter "Carbon Capture and Storage", kurz CCS genannt, steckt die Idee, Kohlendioxid aus Fabrikabgasen abzuscheiden und dauerhaft im Untergrund zu speichern. Eine der Unsicherheiten ist, ob das CO2 nicht doch unbemerkt wieder in die Luft gelangen kann. Dieses Problem hoffen Forscher zu lösen - indem sie es in Stein verwandeln.
    "Konventionell injiziert wird CO2 eigentlich in Sedimentgesteine, in ehemalige Öl- und Gasreservoirs, um es zu entsorgen. Unsere Lösung ist eine nicht Konventionelle: Wir brauchen ein basaltische Gestein, also ein vulkanisches Gestein."
    Weiteres Projekt in Island
    Denn Basalt ist reich an Calcium-Magnesium-Mineralen. Die reagieren mit Kohlendioxid, bilden dabei Karbonatminerale wie Kalkstein oder Magnesit, erklärt Jürg Matter von der University of Southampton. Dass diese "Versteinerung" prinzipiell funktioniert, haben er und seine Kollegen im Oman nachgewiesen. Und so lud der isländische Präsident Ólafur Ragnar Grímsson sie zu einem Experiment ein:
    "Das Experiment wurde durchgeführt ziemlich nahe an Reykjavik in der Nähe eines dazumal neuen geothermischen Kraftwerks. Das Kraftwerk heißt Hellisheiði Power Plant. Aber das Kraftwerk produziert auch CO2 und Schwefelwasserstoff H2S als natürliche Emission, weil: Sie produzieren Dampf aus dem Untergrund und der Dampf hat auch CO2 und Schwefelwasserstoff. Also hatten wir dort die richtigen Gesteine, Basaltgesteine, und wir hatten auch eine CO2 Quelle."
    Im Rahmen von "CarbFix" lösten die Forscher abgeschiedenes Kohlendioxid in Wasser und markierten es mit dem radioaktiven Kohlenstoffisotop C14. Dann injizierten sie 220 Tonnen dieser Kohlensäure in ein 400 bis 500 Meter tiefes Reservoir.
    Ein Forscher in dicker Kleidung im verschneiten Island und neben ihm der Schlauch mit dem 2011 CO2 in den Boden gepumpt wurde.
    Das CO2 wurde 2011 in den Boden gepumpt. (Science / Sigurdur Gislason)
    "Wir hatten einen pH von 3,2, das heißt, es ist ziemlich sauer und die Säure attackiert eigentlich unser Gestein und löst diese Calcium-Magnesium-Ionen aus dem Gestein, und die brauchen wir dann, um das CO2 auszufällen als Karbonatmineralien."
    Durch mehrere Beobachtungsbohrungen verfolgten sie das Schicksal der Lösung. Das Ergebnis:
    "Über drei Jahre hatten wir ein Monitoringprogramm, und wir waren extrem überrascht, dass nach etwas weniger als zwei Jahren zwischen 95 und 98 Prozent von unserem injizierten CO2 reagiert hat, wurde ausgefällt als Karbonatmineral."
    Aufgrund von Laborexperimenten und Berechnungen hatten die Forscher mit etwa fünf Jahren gerechnet. Dass die Reaktionen im Feld sehr schnell ablaufen können, darauf weist auch ein anderes Experiment in einem Basalt im Nordwesten der USA hin. Dort komme man zu einem ähnlichen Ergebnis, erzählt Jürg Matter. Und so läuft in Island derzeit ein sehr viel größeres Experiment:
    "Reykjavik Energy, das ist unser Industriepartner, das geothermische Kraftwerk, injiziert jetzt etwa 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr in ein tieferes Reservoir. Das ist eigentlich zu testen, was ist die Kapazität von so einem Reservoir."
    Wenn Kohlendioxid über lange Zeit in einen Basalt geleitet wird, werden die Porenräume irgendwann einmal mit den weißen Karbonatmineralien verstopfen. Dann müsste man umziehen in einen frischen Bereich des Basalts.
    "Weltweit haben wir sicher genügend Reservoirs vorhanden im Basalt, um genügend CO2 zu injizieren und zu entsorgen."
    Wenn auch nicht in jedem Land und erst recht nicht in der Nähe einer jeden Fabrik. CarbFix verbraucht zudem pro Tonne Kohlenstoffdioxid 25 Tonnen Wasser. Allerdings kommt das Verfahren, das mit einem ähnlichen Ergebnis in den USA getestet wird, ohne aus: Dort wird nur CO2 injiziert. So oder so bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit: "Ökonomisch werde CCS erst dann, wenn das Freisetzen von CO2 wirklich Geld koste", urteilt Jürg Matter.