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Klimaziele
"Mindestens minus 40 Prozent CO2-Ausstoß"

Die Klimakonferenz in Paris endete mit dem Beschluss, die Erderwärmung bis 2100 unter zwei Grad zu halten. Nach Ansicht von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, müsse man weiterhin die Ambitionen steigern und die Klimaziele in der Zukunft regelmäßig überprüfen und anpassen. Es sei noch Luft nach oben, sagte sie im Deutschlandfunk.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Georg Ehring | 04.03.2016
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). (Imago / IPON)
    Christoph Heinemann: Mitte Dezember hat die Weltgemeinschaft ein ehrgeiziges Klimaabkommen beschlossen. Der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur soll auf deutlich unter zwei Grad, möglichst sogar 1,5 Grad begrenzt werden. Alle Staaten werden aufgefordert, ihre Anstrengungen zu steigern, auch die Europäische Union. Deren Umweltminister treffen sich heute in Brüssel und sie beraten über einen Vorschlag der Kommission, der vorerst keine höheren Klimaziele vorsieht. Georg Ehring hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dazu befragt.
    Georg Ehring: Frau Ministerin, in Paris ist ja ein ehrgeiziges Klimaschutz-Abkommen beschlossen worden mit dem Ziel, die Erderwärmung bis 2100 deutlich unter zwei Grad, mit Blick auf 1,5 Grad zu halten. Jetzt muss die Europäische Union Konsequenzen daraus ziehen und es sieht so aus, dass die EU-Kommission die Klimaziele Europas in den nächsten 15 Jahren nicht aufstocken will. Wie sehen Sie das?
    Barbara Hendricks: Das kann ich mir so gar nicht vorstellen, denn wir müssen natürlich auch unsere Ambitionen steigern, so wie das auch vorgesehen ist im Abkommen von Paris, und wir haben ja alle fünf Jahre einen Überprüfungsmechanismus. Der erste ist im Jahr 2020 und da werden wir rechtzeitig vorher festlegen müssen, wo und wie wir denn noch besser werden.
    Ehrgeiziges Klimaziel der EU: minus 40 Prozent CO2
    Ehring: Die Kommission hat ja ein Papier vorgelegt, wo die Klimaziele, minus 40 Prozent CO2 in der gesamten Europäischen Union bis 2030, als angemessen bezeichnet werden. Das heißt, Sie finden, das ist nicht angemessen?
    Hendricks: Wir haben ja auch beschlossen, mindestens 40 Prozent, und das gibt natürlich auch noch Luft nach oben. Deswegen müssen wir im Ergebnis des Pariser Prozesses das jetzt zunächst erst mal wissenschaftlich bewerten, was das auch für die europäischen Ziele bedeutet, und daraus dann politische Schlussfolgerungen ziehen. Ich kann jetzt nicht abschließend sagen, was wir wirklich genau noch anders und besser machen müssen oder sollen. Aber wie gesagt, eine wissenschaftliche Bewertung, wie sind die Wirkungen des Pariser Abkommens, dem wir ja zugestimmt haben und das wir bald ratifizieren wollen, auf die Ziele der Union, der Europäischen Union, müssen wir sie anpassen nach oben und wenn ja in welchem Umfang, und das ist dann natürlich auch politisch durchsetzungsnotwendig. Das wird sicherlich nicht so ganz einfach sein.
    Ehring: Da spielen Sie an auf die Kommission einerseits und auf einige Staaten, die das nicht wollen. Was ist Ihre Strategie?
    Hendricks: Die Kommission hat sich ja auch noch nicht abschließend festgelegt. Die Kommission hat einen ersten Vorschlag gemacht und die Kommission wird sich sicherlich nicht dem verschließen, dass wir uns beim Überprüfungsmechanismus auch der Überprüfung stellen müssen und das wird schon im Jahr 2020 sein. Das heißt, wir müssen uns vorher vorbereiten. Das ist der Kommission natürlich auch klar und deswegen brauchen wir da auch noch mehr Offenheit. Klar, es gibt sicherlich einzelne Mitgliedsstaaten, die restriktiver da rangehen wollen, aber der Beschluss gilt, mindestens minus 40 Prozent CO2-Ausstoß, und das bindet alle europäischen Mitgliedsstaaten und in diesem Rahmen können wir das ja möglicherweise dann auch noch mal neu ausformulieren, wenn die Analyse, die wissenschaftliche Analyse das so ergibt.
    "Wir haben als nächstes vor, den Emissionshandel zu reformieren"
    Ehring: Die neue polnische Regierung setzt stark auf die Kohle, noch stärker als ihre Vorgängerregierung, die von höheren Klimazielen auch nicht gerade begeistert war. Wie wollen Sie diese Staaten, auch die anderen osteuropäischen Staaten überzeugen?
    Hendricks: Wir haben ja als nächstes vor, den Emissionshandel zu reformieren und da werden wir sicherlich auch den polnischen Nachbarn noch mal entgegenkommen. Da bin ich ganz sicher. Aber selbstverständlich müssen sie sich auch bewegen, das ist keine Frage. Und Zertifikate müssen auch eingesetzt werden in der Stromproduktion und selbst wenn wir gegenüber den polnischen Nachbarn großzügig sind mit der Zertifikatvergabe, wird nicht alles unverändert weitergehen können.
    Ehring: Das heißt, Sie setzen auf ein Ziel deutlich über 40 Prozent, oder rechnen damit, dass es deutlich über 40 sein wird?
    Hendricks: Ich gehe davon aus, dass wir bei über 40 ankommen werden, und das ist ja durch das Wort "mindestens" auch umfasst.
    Ehring: Nun hat ja Deutschland 2020 schon vor, 40 Prozent zu erreichen, und da sind wir ja noch immer nicht auf Kurs. Was muss sich Ihrer Ansicht zusätzlich tun? Es gab ja dieses Sofortprogramm, was Sie eingeleitet haben, aber da ist ja noch nicht so viel von umgesetzt.
    Hendricks: Das ist richtig. Es ist insbesondere in einzelnen Bereichen noch nicht viel umgesetzt, namentlich im Verkehrsbereich. Aber da werden wir jetzt auch in den nächsten Wochen und Monaten Entscheidungen fällen müssen, bezogen auf Elektromobilität. Es wird kaum anders gehen, als dass wir wirklich stärker in die Elektromobilität einsteigen, nicht nur im PKW-Bereich. Wir fördern zum Beispiel auch Elektrobusse. Das ist natürlich ein wichtiger Bereich im ÖPNV, der sich hoffentlich noch mehr durchsetzen wird. Und dann ist es klar, dass wir auch im Bereich der Landwirtschaft noch Fortschritte brauchen. Da kommen wir jetzt zwar besser voran mit dem Bereich Nitrat im Bereich Düngegesetzgebung, aber wir sind noch nicht so richtig weit im Bereich Ammoniak und wir sind auch dabei, eine Stickstoff-Strategie vorzubereiten, die dann die Landwirtschaft natürlich auch adressiert, gerade auch die klimaschädlichen Gase adressiert, und das werden wir in den nächsten Jahren noch vorantreiben müssen.
    "Ich selber habe mich schon mehrfach für eine Kaufprämie ausgesprochen"
    Ehring: Bleiben wir mal bei der Elektromobilität. Die Autoindustrie möchte gerne Subventionen, um mehr Elektroautos auf den Markt zu bringen. Wollen Sie dem entgegenkommen?
    Hendricks: Ich selber habe mich schon mehrfach für eine Kaufprämie ausgesprochen, weil ich nicht wüsste, wie wir sonst tatsächlich einen Markthochlauf hinbekommen. Allerdings muss eine solche Kaufprämie befristet und degressiv gestaltet sein. Die Automobilhersteller müssen von vornherein auch daran beteiligt werden. Die müssen auch ein eigenes Interesse daran haben. Es geht nicht zuletzt um Preisgestaltung, das ist ganz klar. Aber das ist wie immer ein Henne und Ei Problem. Solange die Serien so klein sind, werden sie auch nicht preiswerter, und deswegen ist ja auch eine degressiv gestaltete Kaufprämie vernünftig. Wenn die Serien größer werden, werden sie auch preiswerter.
    Heinemann: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Die Fragen stellte mein Kollege Georg Ehring.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.