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Kampf gegen Windmühlen

5427 Internet-Seiten hat die Prüfstelle jugendschutz.net in Mainz im vergangenen Jahr geprüft, rund die Hälfte davon wurde beanstandet. Doch mit 15 Leuten für den Jugendschutz im Internet zu kämpfen, gleicht einem Kampf gegen Windmühlen.

Von Christoph Gehring | 28.07.2007
    Das Untergeschoss eines schmucklosen Zweckbaus in der Nähe des Mainzer Hauptbahnhofes. Ein paar miteinander verbundene Büros. Ein langer Gang. Neonröhren. Hier sitzen die Mitarbeiter von jugendschutz.net, der zentralen Einrichtung der Bundesländer, die Kinder und Jugendliche im Multimedia-Zeitalter vor dem Schlimmsten bewahren soll, also vor Gewaltdarstellungen, rechtsextremem Gedankenmüll und Pornografie.

    "Ein flächendeckendes Vorgehen gegen Verstöße im Internet, das ist aussichtslos. Wenn ich heute den Begriff 'Porn' bei Google eingebe, dann habe ich 400 Millionen Treffer. Da können wir natürlich nicht gegen vorgehen","

    sagt Friedemann Schindler, der Leiter der Einrichtung. Er und seine Mitarbeiter surfen ganztags durchs Internet auf der Suche nach Verbotenem, nach "unzulässigen Inhalten", wie Verstöße gegen den Jugendschutz offiziell heißen:

    ""Da gibt es verschiedene Ebenen. Es gibt absolut unzulässige Inhalte, da gehört beispielsweise Kinderpornografie dazu oder rechtsextreme Propaganda. Dann gibt es eingeschränkt unzulässige Inhalte, die nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden dürfen, da gehört beispielsweise Pornografie dazu. Und dann gibt es entwicklungsgefährdende Inhalte, das ist alles das, was in den klassischen Medien mit Alterklassifizierungen versehen wird."

    Doch von den klassischen Medien ist das Internet weit entfernt gerade in seinen Gewalt- und Sexexzessen. Und für die widerwärtigste aller Formen der Pornografie, die Darstellung von Sex mit Kindern, sind die Digitalisierung der Medien und die weltweite Vernetzung ein besonders nahrhafter Dünger. Friedemann Schindler:

    "Ich glaube, dass der Kampf gegen die Kinderpornografie im Internet schwierig ist, aber ich glaube, dass man in den letzten Jahren auch Erfolge erzielt hat. Durch die Digitalkameras, die überall verfügbar sind, es eben eine Masse an neuen kinderpornografischen Bildern halt gibt, aber es ist so, dass man in der Verfolgung der kinderpornografischen Szene natürlich auch dazugelernt hat."

    Tatsächlich konnten die Strafverfolgungsbehörden in den letzten Monaten weltweit Hunderte von Pädokriminellen identifizieren und stellen, die für Kinderpornos aus dem Netz mit ihrer Kreditkarte bezahlt hatten. In Großbritannien verhaftete die Polizei den Betreiber einer Kindersex-Seite und betrieb sie noch eine Woche weiter, um an die Daten der weltweit verstreuten User heranzukommen. Die Botschaft ist klar: Im Internet hinterlässt jeder Spuren, die zurückverfolgt werden können; das Internet ist nicht anonym und die Strafverfolgung so global organisiert wie das Web. Friedemann Schindler:

    "Insgesamt ist es so, dass es im Bereich der Kinderpornografie weltweit ein Verbot gibt. Es gibt natürlich in einigen Ländern noch Durchsetzungsschwierigkeiten. Aber gerade der Bereich der Kinderpornografie ist eigentlich der einzige Punkt, wo man weltweit mit einem Konsens rechnen kann."

    Wenn sie Kinderpornos im Netz entdecken, übergeben die Männer und Frauen von jugendschutz.net den Fall an die Staatsanwaltschaft. Stoßen sie hingegen auf gewöhnliche Pornografie ohne Kindersicherung, auf die Darstellung von Gewaltexzessen, auf Nazipropaganda oder auch auf Chatforen, in denen Selbstmord verherrlicht und Magersucht als besondere Erfahrung angepriesen wird, fordern sie den Provider, also die Firma, die den Speicherplatz bereitstellt, auf, die Seite abzuschalten. Gemessen an den Millionen und Abermillionen von Websites ist die Zahl der Fälle, die jugendchutz.net bearbeiten kann, allerdings erbärmlich gering: Schindler und seine Leute - 15 sind es, dazu ein paar Aushilfen - haben vergangenes Jahr exakt 5427 Seiten prüfen können und mussten rund die Hälfte davon beanstanden. Mit 15 Leuten für den Jugendschutz im Internet zu kämpfen, das ist ein bisschen wie der Versuch, eine Jauchegrube mit dem Teelöffel leer zu schöpfen. Dennoch ist Friedemann Schindler im Rahmen dessen, was die Ausstattung seiner Einrichtung eben hergibt, recht zufrieden:

    "Man stellt sich so vor, als würden wir eher frustriert sein, aber die größte Zahl der Fälle, die wir verfolgen, die gestalten wir ja erfolgreich - also etwa 70 Prozent."

    Weil ein Großreinemachen im Internet nicht möglich ist, engagiert sich jugendschutz.net für mehr Medienkompetenz bei Jugendlichen - und ihren Eltern. Denn dass Minderjährige nach Belieben Schmuddelkram gucken können, hat auch damit zu tun, dass sie über den Computer und das Internet oftmals mehr wissen als Mama und Papa. Deswegen gibt jugendschutz.net gezielt Surftipps, die zu besonders kindergeeigneten Seiten führen, und versucht den Eltern zu erklären, wie ein Computer wenigstens halbwegs kindersicher konfiguriert werden kann. Denn, so Friedemann Schindler:

    "Natürlich haben Kinder das Recht, ein neues Medium wie das Internet zu nutzen. Und unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie das können, ohne dabei beeinträchtigt zu werden Wir gehen halt davon aus, dass man beides tun muss. Also: Kinder vor Gefährdungen schützen, sie aber auch zu guten Seiten führen."