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Kampf um den Flughafen von Bagdad

Müller: Der Belagerungsring um die irakische Hauptstadt scheint sich immer enger zu schließen. Es hat nach Korrespondentenberichten Hunderte von Toten gegeben, insbesondere unter republikanischen Garde. Sie wurden in der Nacht aus der Luft heftig bombardiert. Die US-Soldaten haben sich auf dem Flughafen von Bagdad weiter Gefechte mit irakischen Truppen geliefert. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete von Schusswechseln und Artilleriegefechten, nachdem ein amerikanischer Offizier die weitgehende Kontrolle über das Gelände rund 30 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums verkündet hatte. Am Telefon begrüße ich nun den früheren NATO-General Hanno Graf Kielmannsegg. Guten Tag!

    Kielmannsegg: Guten Tag!

    Müller: Warum ist der Flughafen für die Koalition so wichtig.

    Kielmannsegg: Flughäfen sind immer eine ganz wichtige Basis für die militärischen Operationen. Wenn sie in der Nähe eines großen strategischen Zieles der Hauptstadt, in diesem Fall des Landes, liegen, sind sie umso wichtiger. Der Besitz dieses Flughafens von Bagdad bedeutet natürlich, dass die Alliierten damit eine Versorgungsbasis in unmittelbarer Nähe der Front haben. Bei absoluter Lufthoheit haben sie sogar auch eine ungefährdete Basis, wenn sie denn einmal in eigener Hand ist. Das wird eine Frage der Zeit sein, auch wenn der Flughafen jetzt noch nicht völlig erobert ist. Dann kann dieser sehr lange Versorgungsweg von Umm Kasr als dem Haupthafen bis nach Bagdad natürlich um viele hundert Kilometer abgekürzt werden, zumindest für all das, was durch die Luft transportierbar ist. Das ist mittlerweile bei den großen Transportmaschinen heute sehr viel. Auch die Länge der Landebahnen auf dem Flughafen von Bagdad erlaubt dies, so dass dann die Masse an Truppen und an Material, die man braucht, um eine riesige Stadt wie Bagdad zunächst einmal einzuschließen, auf diese Weise sehr effektiv und schnell an den Ort gebracht werden kann, wo sie gebraucht wird.

    Müller: Ist es auch schwierig, den Flughafen einzunehmen, weil die Amerikaner, wie Sie es gerade beschrieben haben, natürlich kein Interesse daran haben können, den Flughafen zu zerstören?

    Kielmannsegg: Ja, das ist richtig. Eine wirkliche Zerstörung des Flughafens oder seiner Gebrauchsfähigkeit wäre vor allen Dingen eine Zerstörung der Start- und Landebahnen durch Bomben. Das ist sicherlich nicht geschehen. Die Gebäude, die dazu gehören, sind nur in zweiter Linie wichtig. Man benötigt natürlich die Kontrolltürme für den eigenen Gebrauch. Ich denke, dass auch diese weitgehend unzerstört bleiben, es sei denn, die Iraker sprengen sie selbst in die Luft. Aber auch dann gibt es natürlich feldmäßige Möglichkeiten, die Versorgung über die Luft und auf diesem Flughafen sicherzustellen.

    Müller: Wir hatten ja zahlreiche Bilder auf dem Bildschirm, die die Situation um und im Flughafen charakterisieren. Wissen Sie, wo sich die irakischen Kämpfer positionieren?

    Kielmannsegg: Nein, das weiß ich natürlich nicht genau. Sie werden sicherlich das Gelände und die Bebauung um den Flugplatz ausnutzen, weil sie dort Deckung finden und sehr viel schwieriger aufzuspüren sind. Das ist sozusagen allgemeine Regel im Ortskampf, und dabei handelt es sich bereits um Teile des Ortskampfes. Aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, dass sie das aufgeben müssen. Die republikanische Garde, im wesentlichen sind es ja Divisionen dieser Truppe, die Bagdad verteidigen, wird sich langsam auf die Stadt selbst zurückziehen. Eine solche Stadt schluckt ja ohne weiteres gewaltige Truppenmengen, sowohl zur Verteidigung als auch zum Angriff. Für beide Zwecke kann man in einer Fünf-Millionen-Stadt mühelos Hunderttausend Soldaten einsetzen. Das wird im wesentlichen durch die republikanische Garde geschehen. Die Amerikaner müssen noch sehr viel stärker werden, wenn sie Bagdad mit Erfolg einschließen wollen. Sie müssen zum Ostufer des Tigris zum Beispiel, wo sie noch nicht sind. Nur wenn der Ring wirklich zugemacht werden kann, hat man auch alle Zufahrtsstraßen und alle Versorgungsmöglichkeiten der Stadt so in der Hand, dass man sie zumindest im Griff hat, auch wenn man sie noch nicht gleich erobern will.

    Müller: Man hört ja vom Zentralkommando der amerikanischen Streitkräfte immer wieder, dass ein Häuserkampf möglicherweise vermieden werden soll. Ist das realistisch?

    Kielmannsegg: Das ist eine Absicht, die natürlich verständlich ist, weil dabei sowohl die Verluste der Soldaten, wie auch die Verluste nicht evakuierter Zivilisten nicht in Kauf genommen werden wollen. Ich denke, die Iraker werden, wenn es dazu kommt, den Einwohnern der Stadt nicht erlauben, einfach zu fliehen, weil sie sie selbst als Geiseln halten und als Schutzschilde benutzen werden, um die Wirkung der Amerikaner damit zu begrenzen. Das ist immer ein schwieriges Gefecht. Allerdings wird man zumindest sicherlich in Teilen nicht um einen Häuserkampf herumkommen, denn man kann die Stadt ja nicht wochen- oder monatelang belagern, sie aushungern oder ausdürsten, weil das in der Tat auch Verluste unter der Zivilbevölkerung zur Folge hätte, die in keiner Weise vertretbar sind und die die Amerikaner sicherlich auch nicht wollen.

    Müller: Zählt bei einem Häuserkampf die technische Überlegenheit?

    Kielmannsegg: Die zählt nur noch bedingt. Das ist sicherlich einer der Vorteile des Verteidigers, dass es da zu der klassischen Duellsituation Mann gegen Mann kommt. Das geschieht in unbebautem, unübersichtlichem Gelände, wo die Überlegenheit der Angreifer an Elektronik und Munition reduziert wird. Das ist also dann ein Gefecht, das in der Tat gleich auf gleich läuft. Da kommt es dann auch auf die zahlenmäßigen Verhältnisse an.

    Müller: Wir haben in den letzten beiden Tagen die Gesamtsituation ein wenig aus den Augen verloren. Sehen Sie in irgendeiner Form militärische Fortschritte an der sogenannten Nordfront?

    Kielmannsegg: Ich sehe nur insofern Fortschritte, dass sich diese Front konsolidiert. Es ist jedoch keine Front, von der aus ein größerer Entlastungsangriff nach Süden, also Richtung Bagdad geführt werden könnte, um zum Beispiel den Nochteil der Einfassung zu schießen. Dazu sind dort einfach, aufgrund der türkischen Weigerung nicht genügend Landstreitkräfte vorhanden. Die kurdischen Peschmerga sind dafür nicht einsetzbar. Sie sollen dafür auch nicht einsetzbar sein. Sie sind nicht schwer bewaffnet. Sie sind eigentlich dazu da, ihren eigenen Einflussbereich zu sichern und in der unmittelbaren Nachbarschaft, also in Mossul und Kirkuk mit Amerikanern eingesetzt zu werden. Sie sollen also die Städte sichern und die Ölfelder, die dort sind, vor der Zerstörung bewahren.

    Müller: Vielen Dank, Herr Kielmannsegg!