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Kampf um Mossul
Schnelle Fortschritte der irakischen Armee

Die USA haben den Start der Offensive auf die IS-Bastion Mossul im Irak gelobt, die irakischen Streitkräfte seien ihrem Zeitplan voraus. Amnesty International warnt allerdings vor Kriegsverbrechen bei der Einnahme der Stadt.

18.10.2016
    Irakische Soldaten in Panzern südlich von Mossul
    Irakische Soldaten südlich von Mossul (AFP / Ahmad al-Rubaye)
    "Der erste Tag lief gut", sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook in Washington. Man rechne jedoch mit großem Widerstand durch den sogenannten Islamischen Staat (IS), denn Mossul ist seine letzte Bastion. Die Terroristen hatten die Millionenstadt Mossul im Juni 2014 vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Die irakische Armee nahm zwölf Orte südlich von Mossul ein, kurdische Peschmerga sieben Dörfer östlich der Stadt, berichtet ARD-Korrespondentin Anna Osius.
    Irakische Sicherheitskräfte hatten gestern im Schutze der Dunkelheit mit dem Angriff begonnen. Die von Washington angeführte Anti-IS-Koalition unterstützt die Regierungstruppen und kurdische Peschmerga-Kämpfer mit Luftangriffen, Artillerie und Ausbildung. Die seit Monaten vorbereitete Großoffensive auf die Stadt ist die entscheidende Phase im Kampf gegen die Extremisten.
    Amnesty: Schwere Menschenrechtsverletzungen
    Doch den Angriff auf Mossul empfinden wohl nicht alle Bewohner als eine Befreiung. Mossul ist vorrangig sunnitisch geprägt, einige Menschen fühlen sich von der schiitisch geprägten Regierung unterdrückt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft paramilitärischen schiitischen Milizen und Regierungstruppen im Irak zudem schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vor. Tausende Zivilisten, die aus vom IS kontrollierten Gebieten geflohen sind, seien im Mai und Juni bei Einsätzen um die irakische Stadt Falludscha Opfer schiitischer Milizen und möglicherweise auch von Regierungstruppen geworden, heißt es in einem in London und Berlin veröffentlichten Bericht.
    Amnesty spricht unter anderem von Folter, willkürlichen Inhaftierungen und außergerichtlichen Hinrichtungen. Beim Militäreinsatz zur Rückeroberung der vom IS kontrollierten Stadt Mossul bestehe die Gefahr weiterer schwerer Menschenrechtsverletzungen. Befragt wurden für den Bericht unter anderem mehr als 470 ehemalige Gefangene, Augenzeugen und Verwandte. Die irakische Regierung trage eindeutig eine Verantwortung für diese Menschenrechtsverstöße, erklärte Amnesty.
    Angriff als Lackmustest für den Irak als Staat
    Der Journalist Martin Gerner verwies in einem Interview im Deutschlandfunk auf zahlreiche unterschiedliche Interessen im Irak und fragte: "Was geschieht mit der Zivilbevölkerung?" Der Angriff sei ein Lackmustest, ob der Irak als Staat eine Zukunft hat.
    Die Einnahme der Stadt, in der Mal fast drei Millionen Menschen gelebt haben, käme laut Beobachtern zumindest im Irak einer militärischen Vernichtung des IS gleich. "Es ist jedenfalls, wie es scheint, der Anfang vom Ende der territorialen Ausdehnung des IS im Irak und seines Staatsprojekts im Irak", sagte Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandfunk. Der Nahost-Experte Udo Steinbach sagte im DLF, mit dem Zurückdrängen durch die Armee sei "das Thema Irak dann abgehakt" für den sogenannten Islamischen Staat.
    (nch/fwa)