Martin Zagatta: Chaos wieder einmal an deutschen Bahnhöfen. Mit den Warnstreiks, die heute Morgen begonnen haben, wollen die Gewerkschaften Druck ausüben in den festgefahrenen Tarifverhandlungen. Behinderungen gab es fast bundesweit, vor allem aber in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. Obwohl vor allem der Regionalverkehr bestreikt wurde und Linien von privaten Bahngesellschaften, gibt es also doch Auswirkungen auf den Fernverkehr, auf die viel befahrene Strecke zwischen Köln und Frankfurt etwa. Verbunden sind wir nun mit Karl-Peter Naumann, dem Vorsitzenden des Fahrgastverbandes "Pro Bahn". Guten Tag, Herr Naumann.
Karl-Peter Naumann: Schönen guten Tag!
Zagatta: Herr Naumann, wieder einmal genervte Fahrgäste auf den Bahnhöfen. Über wen muss man sich aus Ihrer Sicht denn ärgern? Sind die Gewerkschaften schuld an diesen Unannehmlichkeiten, oder wer ist schuld?
Naumann: Ich glaube, wir müssen uns über beide ärgern. Es ist sicherlich ein verständliches Anliegen, dass Wettbewerb, den wir ja alle wollen, nicht auf dem Rücken von Lohndumping und auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Wettbewerb muss heißen ein Wettbewerb um gute Ideen und nicht um billigste Löhne. Das ist die Seite, die wir den Unternehmen vorwerfen. Wir sehen aber auch, dass die Gewerkschaften in ihrem Streikverhalten viel zu wenig kreativ sind. Man hätte sicherlich im Vorfeld durchaus mit den Fahrgastverbänden, mit uns und anderen Verbänden, sprechen können, ob man nicht gemeinsame Aktionen starten kann. Hier hätten wir sicherlich Aktionen finden können von Unterschriften sammeln bis sonst etwas. Das ist das eine. Das zweite ist: Muss ich eigentlich immer so streiken, dass ausgerechnet die Reisenden, die Pendler betroffen sind? Kann ich mir nicht andere Streikformen überlegen? Zum Beispiel dass keine Fahrkarten kontrolliert werden, zum Beispiel dass keine Fahrkarten verkauft werden? Das würde die Unternehmen treffen, aber nicht die Reisenden.
Zagatta: Aber so üben sie doch den meisten Druck auf die Arbeitgeber, auf die Bahn aus?
Naumann: Der Druck mag vielleicht ein bisschen größer sein, aber wenn das Unternehmen oder wenn die Unternehmen mehrere Tage lang keine Einnahmen haben, macht das sicherlich auch eine ganze Menge aus, und ich kann mir vorstellen, dass das auch einen Druck ausübt und dass die Unternehmen sich dann auch bewegen.
Zagatta: Was sagen Sie denn zu den Forderungen der Gewerkschaften? Diesmal geht es ja um eine Angleichung der Löhne. Die Gewerkschaften sagen, bei privaten Bahngesellschaften liegen die Löhne 20, 30 Prozent unter der besseren Bezahlung bei der immer noch bundeseigenen Deutschen Bahn. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch, das anzugleichen?
Naumann: Man muss sicherlich einen Basistarif haben, der vergleichbar ist. Es ist natürlich eigentlich völlig undenkbar, dass im Wettbewerb günstigere Preise erzielt werden und dann das Ganze auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, indem sie weniger verdienen.
Zagatta: Sie haben Verständnis dafür?
Naumann: Dafür habe ich Verständnis. Auf der anderen Seite haben die Gewerkschaften auch mit vielen Bahnunternehmen ja Tarifverträge geschlossen und da müssen sich die Gewerkschaften dann natürlich auch fragen lassen, warum sie solche ungünstigen Tarifverträge geschlossen haben.
Zagatta: Wie gut sind eigentlich die privaten Bahnen Ihrer Erfahrung nach? Sind die schlechter oder besser als die Deutsche Bahn? Lässt sich das sagen?
Naumann: Im großen und ganzen sind sie besser. Es gibt im Bereich Berlin ja direkte Umfragen im Vergleich und da werden alle privaten Anbieter besser bewertet als die DB Regio.
Zagatta: Obwohl sie niedrigere Löhne zahlen?
Naumann: Ja.
Zagatta: Was heißt das aus Ihrer Sicht? Müsste man dann bei der Deutschen Bahn die Löhne senken, oder auf der anderen Seite zulegen?
Naumann: Ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt ist bei den privaten Bahnen, dass es kleinere Einheiten sind, dass der Chef dann auch eher vor Ort ist, dass man jemanden findet, den man ansprechen kann. Das haben sie häufig im großen Konzern nicht und es zeigt sich auch, dass die kleinen Töchter, die die Deutsche Bahn gegründet hat, die Regionalbahnen wie die Usedomer Bäderbahn, die Kurhäfenbahn, die Südostbayernbahn, dass auch dort die Zufriedenheit der Mitarbeiter deutlich größer ist, im Übrigen auch die Zufriedenheit der Kunden.
Zagatta: Also obwohl man dort in diesen Bereichen streikt, läuft es eigentlich aus Ihrer Sicht ganz gut?
Naumann: Ja.
Zagatta: Wo kommt eigentlich die Diskrepanz her? Verglichen mit anderen Ländern ist Bahnfahren in Deutschland ja sehr teuer. Das heißt, die Reisenden zahlen sehr viel. Wo geht eigentlich das ganze Geld hin?
Naumann: Das Geld geht bei uns zu einem ganz großen Teil in die Infrastruktur und in eine mangelnde Effizienz. Wenn Sie sich mal überlegen: In der Schweiz plant man 20 Jahre die Bahn im Voraus und investiert dann dort, wo Investitionen für einen optimalen Fahrplan nötig sind. Bei uns baut man neue teuere Strecken dort, wo bestimmte Ministerpräsidenten oder Regionalfürsten diese Strecken haben wollen, wie Nürnberg-Erfurt, oder wie jetzt auch "Stuttgart 21".
Zagatta: Und deswegen ist Bahnfahren so teuer?
Naumann: Das ist ein Teil, das Bahnfahren teuer macht. Das zweite ist, dass die Bahn in Deutschland auch politisch nach wie vor benachteiligt wird. Sie muss Dinge zahlen, die die Konkurrenten nicht zahlen. Die Kosten für die Stellwerke, für das Stellen der Signale wird im Bahnpreis einberechnet. Im vergleichenden Autoverkehr wird es nicht eingerechnet und damit haben sie natürlich deutliche Wettbewerbsverzerrungen. Wenn diese Wettbewerbsverzerrungen aufgehoben werden würden, hätte die Bahn auch deutlich mehr Einnahmen und würde dann vermutlich auch nicht mehr solche Preise nehmen.
Zagatta: Versprechen Sie sich denn Vorteile von der geplanten und immer wieder aufgeschobenen Privatisierung der Deutschen Bahn?
Naumann: Es kommt, glaube ich, nicht so sehr darauf an, wem die Bahn letztendlich gehört. Wichtig ist, dass wir einen Wettbewerbsmarkt haben, dass also auch mehr Ideen in den Markt kommen und dass die Politik sich eindeutig zur Infrastrukturverantwortung bekennt und nicht die Bahn immer nur vorschiebt, wie jetzt auch wieder bei "Stuttgart 21". Wir brauchen eine effiziente, leistungsfähige und bezahlbare Infrastruktur. Das ist die Voraussetzung für eine attraktive Bahn.
Zagatta: Und in diesem Konflikt jetzt, wer ist da am Zuge? Es gibt ja durchaus Forderungen, die Politik, die das mit verursacht hat, müsse sich jetzt einschalten. Oder sind das die Tarifpartner aus Ihrer Sicht?
Naumann: Jetzt sollen sich die Tarifpartner erst noch mal bitte an den Tisch setzen und, was wünschenswert wäre natürlich, zusammen mit einem Schlichter oder einem Moderator, um dann zu einem Ergebnis zu kommen, was sowohl für die Kunden wie aber auch für die Mitarbeiter tragbar ist.
Zagatta: Danke schön für dieses Gespräch. Das war Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Fahrgastverbandes "Pro Bahn".
Karl-Peter Naumann: Schönen guten Tag!
Zagatta: Herr Naumann, wieder einmal genervte Fahrgäste auf den Bahnhöfen. Über wen muss man sich aus Ihrer Sicht denn ärgern? Sind die Gewerkschaften schuld an diesen Unannehmlichkeiten, oder wer ist schuld?
Naumann: Ich glaube, wir müssen uns über beide ärgern. Es ist sicherlich ein verständliches Anliegen, dass Wettbewerb, den wir ja alle wollen, nicht auf dem Rücken von Lohndumping und auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Wettbewerb muss heißen ein Wettbewerb um gute Ideen und nicht um billigste Löhne. Das ist die Seite, die wir den Unternehmen vorwerfen. Wir sehen aber auch, dass die Gewerkschaften in ihrem Streikverhalten viel zu wenig kreativ sind. Man hätte sicherlich im Vorfeld durchaus mit den Fahrgastverbänden, mit uns und anderen Verbänden, sprechen können, ob man nicht gemeinsame Aktionen starten kann. Hier hätten wir sicherlich Aktionen finden können von Unterschriften sammeln bis sonst etwas. Das ist das eine. Das zweite ist: Muss ich eigentlich immer so streiken, dass ausgerechnet die Reisenden, die Pendler betroffen sind? Kann ich mir nicht andere Streikformen überlegen? Zum Beispiel dass keine Fahrkarten kontrolliert werden, zum Beispiel dass keine Fahrkarten verkauft werden? Das würde die Unternehmen treffen, aber nicht die Reisenden.
Zagatta: Aber so üben sie doch den meisten Druck auf die Arbeitgeber, auf die Bahn aus?
Naumann: Der Druck mag vielleicht ein bisschen größer sein, aber wenn das Unternehmen oder wenn die Unternehmen mehrere Tage lang keine Einnahmen haben, macht das sicherlich auch eine ganze Menge aus, und ich kann mir vorstellen, dass das auch einen Druck ausübt und dass die Unternehmen sich dann auch bewegen.
Zagatta: Was sagen Sie denn zu den Forderungen der Gewerkschaften? Diesmal geht es ja um eine Angleichung der Löhne. Die Gewerkschaften sagen, bei privaten Bahngesellschaften liegen die Löhne 20, 30 Prozent unter der besseren Bezahlung bei der immer noch bundeseigenen Deutschen Bahn. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch, das anzugleichen?
Naumann: Man muss sicherlich einen Basistarif haben, der vergleichbar ist. Es ist natürlich eigentlich völlig undenkbar, dass im Wettbewerb günstigere Preise erzielt werden und dann das Ganze auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, indem sie weniger verdienen.
Zagatta: Sie haben Verständnis dafür?
Naumann: Dafür habe ich Verständnis. Auf der anderen Seite haben die Gewerkschaften auch mit vielen Bahnunternehmen ja Tarifverträge geschlossen und da müssen sich die Gewerkschaften dann natürlich auch fragen lassen, warum sie solche ungünstigen Tarifverträge geschlossen haben.
Zagatta: Wie gut sind eigentlich die privaten Bahnen Ihrer Erfahrung nach? Sind die schlechter oder besser als die Deutsche Bahn? Lässt sich das sagen?
Naumann: Im großen und ganzen sind sie besser. Es gibt im Bereich Berlin ja direkte Umfragen im Vergleich und da werden alle privaten Anbieter besser bewertet als die DB Regio.
Zagatta: Obwohl sie niedrigere Löhne zahlen?
Naumann: Ja.
Zagatta: Was heißt das aus Ihrer Sicht? Müsste man dann bei der Deutschen Bahn die Löhne senken, oder auf der anderen Seite zulegen?
Naumann: Ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt ist bei den privaten Bahnen, dass es kleinere Einheiten sind, dass der Chef dann auch eher vor Ort ist, dass man jemanden findet, den man ansprechen kann. Das haben sie häufig im großen Konzern nicht und es zeigt sich auch, dass die kleinen Töchter, die die Deutsche Bahn gegründet hat, die Regionalbahnen wie die Usedomer Bäderbahn, die Kurhäfenbahn, die Südostbayernbahn, dass auch dort die Zufriedenheit der Mitarbeiter deutlich größer ist, im Übrigen auch die Zufriedenheit der Kunden.
Zagatta: Also obwohl man dort in diesen Bereichen streikt, läuft es eigentlich aus Ihrer Sicht ganz gut?
Naumann: Ja.
Zagatta: Wo kommt eigentlich die Diskrepanz her? Verglichen mit anderen Ländern ist Bahnfahren in Deutschland ja sehr teuer. Das heißt, die Reisenden zahlen sehr viel. Wo geht eigentlich das ganze Geld hin?
Naumann: Das Geld geht bei uns zu einem ganz großen Teil in die Infrastruktur und in eine mangelnde Effizienz. Wenn Sie sich mal überlegen: In der Schweiz plant man 20 Jahre die Bahn im Voraus und investiert dann dort, wo Investitionen für einen optimalen Fahrplan nötig sind. Bei uns baut man neue teuere Strecken dort, wo bestimmte Ministerpräsidenten oder Regionalfürsten diese Strecken haben wollen, wie Nürnberg-Erfurt, oder wie jetzt auch "Stuttgart 21".
Zagatta: Und deswegen ist Bahnfahren so teuer?
Naumann: Das ist ein Teil, das Bahnfahren teuer macht. Das zweite ist, dass die Bahn in Deutschland auch politisch nach wie vor benachteiligt wird. Sie muss Dinge zahlen, die die Konkurrenten nicht zahlen. Die Kosten für die Stellwerke, für das Stellen der Signale wird im Bahnpreis einberechnet. Im vergleichenden Autoverkehr wird es nicht eingerechnet und damit haben sie natürlich deutliche Wettbewerbsverzerrungen. Wenn diese Wettbewerbsverzerrungen aufgehoben werden würden, hätte die Bahn auch deutlich mehr Einnahmen und würde dann vermutlich auch nicht mehr solche Preise nehmen.
Zagatta: Versprechen Sie sich denn Vorteile von der geplanten und immer wieder aufgeschobenen Privatisierung der Deutschen Bahn?
Naumann: Es kommt, glaube ich, nicht so sehr darauf an, wem die Bahn letztendlich gehört. Wichtig ist, dass wir einen Wettbewerbsmarkt haben, dass also auch mehr Ideen in den Markt kommen und dass die Politik sich eindeutig zur Infrastrukturverantwortung bekennt und nicht die Bahn immer nur vorschiebt, wie jetzt auch wieder bei "Stuttgart 21". Wir brauchen eine effiziente, leistungsfähige und bezahlbare Infrastruktur. Das ist die Voraussetzung für eine attraktive Bahn.
Zagatta: Und in diesem Konflikt jetzt, wer ist da am Zuge? Es gibt ja durchaus Forderungen, die Politik, die das mit verursacht hat, müsse sich jetzt einschalten. Oder sind das die Tarifpartner aus Ihrer Sicht?
Naumann: Jetzt sollen sich die Tarifpartner erst noch mal bitte an den Tisch setzen und, was wünschenswert wäre natürlich, zusammen mit einem Schlichter oder einem Moderator, um dann zu einem Ergebnis zu kommen, was sowohl für die Kunden wie aber auch für die Mitarbeiter tragbar ist.
Zagatta: Danke schön für dieses Gespräch. Das war Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Fahrgastverbandes "Pro Bahn".