Engels: Am vergangenen Freitag wurde die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst unter Dach und Fach gebracht, doch das ganze Wochenende über hielt die Klage der öffentlichen Arbeitgeber über diese Einigung an. Nach der Vereinbarung sollen in diesem Jahr die Bezüge um 2,4 Prozent steigen. Ab Januar und Mai kommt jeweils ein weiterer Prozentpunkt hinzu. Macht nominal 4,4 Prozent über die lange Laufzeit von 27 Monaten gerechnet. Vielen Ländern und Kommunen ist dieser Abschluss zu hoch, und zu diesem Thema ist uns nun Rainer Robra, CDU, der Chef der Staatskanzlei, zugeschaltet. Guten Morgen.
Robra: Guten Morgen.
Engels: Vorweg eine andere Frage: Wie geht es Ihrem Chef, Wolfgang Böhmer, dem Ministerpräsidenten heute Morgen?
Robra: Sein Befinden ist wieder stabil. Er tut das, was wir alle in vergleichbarer Situation auch täten, er lässt sich durchchecken, und ich hoffe, dass er seine Arbeit dann wieder aufnehmen kann.
Engels: Das freut uns zu hören und vielen Dank, dass sie sich als Ersatzinterviewpartner zur Verfügung gestellt haben. Jetzt also zum fachlichen Teil: Nominal 4,4 Prozent mehr Lohn und Gehalt im öffentlichen Dienst. Das Ganze in mehreren Schritten und mit 27 Monaten Laufzeit. Ist der Abschluss für Sachsen-Anhalt zu teuer?
Robra: Der Abschluss ist insgesamt, weil wir noch die Ost-West-Anpassung hinzurechnen müssen, praktisch kaum zu bewältigen. Wir werden weitere intensive Sparanstrengungen unternehmen müssen, oder, was wir eigentlich überhaupt nicht wollen, tatsächlich die Netto-Neuverschuldung nochmals erhöhen. Dieser Tarifabschluss ist, wie Ministerpräsident Böhmer es formuliert hat, aus ostdeutscher Sicht schlicht unfair.
Engels: Speziell unfair, weil die Ostländer so viel mehr drauf zahlen mussten für die Ostangleichung, die vorgesehen ist bis 2007 beziehungsweise bis 2009, die Angleichung der Ostlöhne auf Westniveau zu erreichen?
Robra: Nein, unfair weil das Westtarifgebiet einen zu hohen Sockel vereinbart hat, der gewissermaßen die Basis für die Anpassung Ost bringt. Wenn der Westen wenigstens in der Phase, in der wir die Anpassung von 90 auf 100 Prozent bewältigen müssen, zurückhaltender agierte, fiele uns das wesentlich leichter.
Engels: Das Land Berlin ist ja aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten und verhandelt jetzt alleine. Könnte das für Sie ein Vorbild werden?
Robra: Das ist eine Option, über die wir, und zwar gemeinsam mit unseren mitteldeutschen Partnern Sachsen und Thüringen intensiv nachdenken.
Engels: Wird das auch konkret? Können Sie sich vorstellen, dass Sie bald aus der Tarifgemeinschaft aussteigen?
Robra: Wir können uns vorstellen, dass wir gemeinsam mit den anderen mitteldeutschen Partnern aus der Tarifgemeinschaft aller deutscher Länder aussteigen, um uns mit Ihnen gemeinsam hier im mitteldeutschen Raum um eine moderatere, sicherlich auch differenziertere und leistungsorientiertere Tarifanpassung zu bemühen.
Engels: Und solche Rückmeldungen, das zu verlangen, erhalten Sie auch von Ihren Kommunen?
Robra: Auch bei den Kommunen, deren Finanzlage notorisch angespannt ist, weil sich ja die Steuerausfälle geradezu dramatisch auswirken, ist die Bereitschaft nach anderen Wegen der Anpassung der Gehälter ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu suchen noch ungleich größer als bei den Ländern.
Engels: Was halten Sie denn dann von dem Vorschlag des Gelsenkirchner Oberbürgermeisters, dass die Gebietskörperschaften künftig generell getrennt vom Bund verhandeln sollten?
Robra: Das liegt auf der Linie, über die wir ja auch nachdenken. Der Bund ist mit seinen vergleichsweise wenig Beschäftigten in einer grundlegend anderen Situation als die Länder und die Gemeinden, die für den Löwenanteil der öffentliche Bediensteten zu sorgen haben.
Engels: Innenminister Otto Schily argumentiert, dass der Tarifabschluss die öffentlichen Haushalte real nur mit etwa 1,7 Prozent belaste. Verstehen Sie, wir er zu diesen Zahlen kommt?
Robra: Das ist eine Rechnung, die ich so nicht nachvollziehen kann. Bei uns wirkt sich das mit einem voraussichtlich dreistelligen Millionenbetrag wesentlich höher aus, den wir werden schultern müssen.
Engels: Können Sie den auch schon beziffern?
Robra: Nein, wir können den wegen der Differenziertheit und vor allen Dingen wegen der ja letztlich noch offenen Frage, ob das Tarifergebnis eins zu eins gegenüber den Beamten durchgesetzt wird oder ob es da doch noch, wie es in den vergangenen Jahren ja immer wieder geschehen ist, noch zu differenzierteren Lösungen kommt, noch nicht im einzelnen beziffern.
Engels: Da haben Sie ein Stichwort geliefert. Heute tagt der Beamtenbund. Ist es denn vorstellbar, dass man im Tarifabschluss auf die 1,7 Millionen Beamten eins zu eins überträgt, wie ver.di das verlangt?
Robra: Vorstellbar ist das natürlich durchaus. Nur wir werden um das finanzielle Volumen des Tarifergebnisses für den öffentlichen Dienst insgesamt zu begrenzen, über differenzierte Lösungen nachdenken müssen, etwa eine Verschiebung des Beginns oder eine differenzierte Anpassung nach Besoldungsgruppen, wie es ja früher durchaus vorgekommen ist. Es hat kaum jemals ein Jahr gegeben, in dem das Tarifergebnis, das für die Angestellten und die Arbeiter ausgehandelt worden ist, wirklich im Verhältnis eins zu eins auf die Beamten übertragen worden ist.
Engels: Schauen wir noch einmal auf den Abschluss, der erzielt worden ist. Kann nicht die extrem lange Laufzeit ein Ausgleich für die Belastung die sie kurzfristig haben?
Robra: Die lange Laufzeit könnte sich als Vorteil erweisen, wenn wir in den kommenden Monaten und Jahren tatsächlich den wirtschaftlichen Aufschwung hätten und sich dann die moderatere Anpassung im Jahre 2004 als vorteilhaft erweisen würde. Aber das ist bedauerlicherweise eine Rechnung, die unter Umständen ohne den Wirt gemacht würde.
Engels: Sie haben eben von einem dreistelligen Millionenbetrag gesprochen, den Sachsen-Anhalt zusätzlich aufbringen muss. Fordern Sie dafür, dass der Bund ausnahmsweise doch einspringt?
Robra: Na ja, das fordern wir nicht, weil das eine illusorische Forderung wäre. Der Bund, die Länder, die Kommunen sind für die Bezahlung ihrer jeweiligen Beschäftigten zuständig. Dort noch den - wenn man so will - Finanzausgleich zu befrachten, würde am Ende zu nichts führen, sondern wir werden das Ergebnis jeweils im Bund, in den Ländern und in den Kommunen umsetzen müssen.
Engels: Wird es als Konsequenz aus dem Abschluss einen Beschäftigungsabbau im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt geben?
Robra: Den Abbau von Beschäftigten müssen wir ohnehin bewältigen, weil wir nach wie vor in bestimmten Bereichen, etwa bei den Lehrern, zu viele Bedienstete haben. Er wird allerdings durch Forderungen und Tarifergebnisse derart wie wir sie jetzt zu bewältigen haben ungleich größer ausfallen müssen.
Engels: Können Sie eigentlich noch in irgendeiner Form, wenn Sie auch über den Ausstieg aus dem Flächentarif nachdenken, diese Einigung für Sachsen Anhalt unwirksam machen?
Robra: Nein, das ist bei der Vertragsstruktur, in der wir uns in der Tarifgemeinschaft und im Verhältnis der Tarifgemeinschaft zu den Gewerkschaften bewegen, jedenfalls für dieses Tarifergebnis nicht möglich. Wir reden also insofern nur über die Zukunft. Mit dem Ergebnis, das in Potsdam verhandelt worden ist, werden wir zunächst einmal leben müssen.
Engels: Vielen Dank. Das war Rainer Robra von der CDU. Er ist der Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Robra: Guten Morgen.
Engels: Vorweg eine andere Frage: Wie geht es Ihrem Chef, Wolfgang Böhmer, dem Ministerpräsidenten heute Morgen?
Robra: Sein Befinden ist wieder stabil. Er tut das, was wir alle in vergleichbarer Situation auch täten, er lässt sich durchchecken, und ich hoffe, dass er seine Arbeit dann wieder aufnehmen kann.
Engels: Das freut uns zu hören und vielen Dank, dass sie sich als Ersatzinterviewpartner zur Verfügung gestellt haben. Jetzt also zum fachlichen Teil: Nominal 4,4 Prozent mehr Lohn und Gehalt im öffentlichen Dienst. Das Ganze in mehreren Schritten und mit 27 Monaten Laufzeit. Ist der Abschluss für Sachsen-Anhalt zu teuer?
Robra: Der Abschluss ist insgesamt, weil wir noch die Ost-West-Anpassung hinzurechnen müssen, praktisch kaum zu bewältigen. Wir werden weitere intensive Sparanstrengungen unternehmen müssen, oder, was wir eigentlich überhaupt nicht wollen, tatsächlich die Netto-Neuverschuldung nochmals erhöhen. Dieser Tarifabschluss ist, wie Ministerpräsident Böhmer es formuliert hat, aus ostdeutscher Sicht schlicht unfair.
Engels: Speziell unfair, weil die Ostländer so viel mehr drauf zahlen mussten für die Ostangleichung, die vorgesehen ist bis 2007 beziehungsweise bis 2009, die Angleichung der Ostlöhne auf Westniveau zu erreichen?
Robra: Nein, unfair weil das Westtarifgebiet einen zu hohen Sockel vereinbart hat, der gewissermaßen die Basis für die Anpassung Ost bringt. Wenn der Westen wenigstens in der Phase, in der wir die Anpassung von 90 auf 100 Prozent bewältigen müssen, zurückhaltender agierte, fiele uns das wesentlich leichter.
Engels: Das Land Berlin ist ja aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten und verhandelt jetzt alleine. Könnte das für Sie ein Vorbild werden?
Robra: Das ist eine Option, über die wir, und zwar gemeinsam mit unseren mitteldeutschen Partnern Sachsen und Thüringen intensiv nachdenken.
Engels: Wird das auch konkret? Können Sie sich vorstellen, dass Sie bald aus der Tarifgemeinschaft aussteigen?
Robra: Wir können uns vorstellen, dass wir gemeinsam mit den anderen mitteldeutschen Partnern aus der Tarifgemeinschaft aller deutscher Länder aussteigen, um uns mit Ihnen gemeinsam hier im mitteldeutschen Raum um eine moderatere, sicherlich auch differenziertere und leistungsorientiertere Tarifanpassung zu bemühen.
Engels: Und solche Rückmeldungen, das zu verlangen, erhalten Sie auch von Ihren Kommunen?
Robra: Auch bei den Kommunen, deren Finanzlage notorisch angespannt ist, weil sich ja die Steuerausfälle geradezu dramatisch auswirken, ist die Bereitschaft nach anderen Wegen der Anpassung der Gehälter ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu suchen noch ungleich größer als bei den Ländern.
Engels: Was halten Sie denn dann von dem Vorschlag des Gelsenkirchner Oberbürgermeisters, dass die Gebietskörperschaften künftig generell getrennt vom Bund verhandeln sollten?
Robra: Das liegt auf der Linie, über die wir ja auch nachdenken. Der Bund ist mit seinen vergleichsweise wenig Beschäftigten in einer grundlegend anderen Situation als die Länder und die Gemeinden, die für den Löwenanteil der öffentliche Bediensteten zu sorgen haben.
Engels: Innenminister Otto Schily argumentiert, dass der Tarifabschluss die öffentlichen Haushalte real nur mit etwa 1,7 Prozent belaste. Verstehen Sie, wir er zu diesen Zahlen kommt?
Robra: Das ist eine Rechnung, die ich so nicht nachvollziehen kann. Bei uns wirkt sich das mit einem voraussichtlich dreistelligen Millionenbetrag wesentlich höher aus, den wir werden schultern müssen.
Engels: Können Sie den auch schon beziffern?
Robra: Nein, wir können den wegen der Differenziertheit und vor allen Dingen wegen der ja letztlich noch offenen Frage, ob das Tarifergebnis eins zu eins gegenüber den Beamten durchgesetzt wird oder ob es da doch noch, wie es in den vergangenen Jahren ja immer wieder geschehen ist, noch zu differenzierteren Lösungen kommt, noch nicht im einzelnen beziffern.
Engels: Da haben Sie ein Stichwort geliefert. Heute tagt der Beamtenbund. Ist es denn vorstellbar, dass man im Tarifabschluss auf die 1,7 Millionen Beamten eins zu eins überträgt, wie ver.di das verlangt?
Robra: Vorstellbar ist das natürlich durchaus. Nur wir werden um das finanzielle Volumen des Tarifergebnisses für den öffentlichen Dienst insgesamt zu begrenzen, über differenzierte Lösungen nachdenken müssen, etwa eine Verschiebung des Beginns oder eine differenzierte Anpassung nach Besoldungsgruppen, wie es ja früher durchaus vorgekommen ist. Es hat kaum jemals ein Jahr gegeben, in dem das Tarifergebnis, das für die Angestellten und die Arbeiter ausgehandelt worden ist, wirklich im Verhältnis eins zu eins auf die Beamten übertragen worden ist.
Engels: Schauen wir noch einmal auf den Abschluss, der erzielt worden ist. Kann nicht die extrem lange Laufzeit ein Ausgleich für die Belastung die sie kurzfristig haben?
Robra: Die lange Laufzeit könnte sich als Vorteil erweisen, wenn wir in den kommenden Monaten und Jahren tatsächlich den wirtschaftlichen Aufschwung hätten und sich dann die moderatere Anpassung im Jahre 2004 als vorteilhaft erweisen würde. Aber das ist bedauerlicherweise eine Rechnung, die unter Umständen ohne den Wirt gemacht würde.
Engels: Sie haben eben von einem dreistelligen Millionenbetrag gesprochen, den Sachsen-Anhalt zusätzlich aufbringen muss. Fordern Sie dafür, dass der Bund ausnahmsweise doch einspringt?
Robra: Na ja, das fordern wir nicht, weil das eine illusorische Forderung wäre. Der Bund, die Länder, die Kommunen sind für die Bezahlung ihrer jeweiligen Beschäftigten zuständig. Dort noch den - wenn man so will - Finanzausgleich zu befrachten, würde am Ende zu nichts führen, sondern wir werden das Ergebnis jeweils im Bund, in den Ländern und in den Kommunen umsetzen müssen.
Engels: Wird es als Konsequenz aus dem Abschluss einen Beschäftigungsabbau im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt geben?
Robra: Den Abbau von Beschäftigten müssen wir ohnehin bewältigen, weil wir nach wie vor in bestimmten Bereichen, etwa bei den Lehrern, zu viele Bedienstete haben. Er wird allerdings durch Forderungen und Tarifergebnisse derart wie wir sie jetzt zu bewältigen haben ungleich größer ausfallen müssen.
Engels: Können Sie eigentlich noch in irgendeiner Form, wenn Sie auch über den Ausstieg aus dem Flächentarif nachdenken, diese Einigung für Sachsen Anhalt unwirksam machen?
Robra: Nein, das ist bei der Vertragsstruktur, in der wir uns in der Tarifgemeinschaft und im Verhältnis der Tarifgemeinschaft zu den Gewerkschaften bewegen, jedenfalls für dieses Tarifergebnis nicht möglich. Wir reden also insofern nur über die Zukunft. Mit dem Ergebnis, das in Potsdam verhandelt worden ist, werden wir zunächst einmal leben müssen.
Engels: Vielen Dank. Das war Rainer Robra von der CDU. Er ist der Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio