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Kanzlerin Merkel in Frankfurt
Deutsche Banker fühlen sich von der Politik im Stich gelassen

Wenn Frankfurt als Finanzmetropole Europas an Bedeutung verliert, könnte das langfristig auch dem Industriestandort Deutschland schaden. Dabei hat der Kampf um die wichtigsten Standorte für die Finanzwirtschaft in Europa längst begonnen. Da kommt der Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Frankfurt gerade recht.

Von Mischa Ehrhardt | 04.09.2018
    Vor der Kurve des Deutschen Aktienindex (DAX) steht am Dienstag (09.08.2011) in der Börse in Frankfurt am Main ein Miniatur-Bulle.
    Dass mit der Commerzbank und der Deutschen Bank die beiden größten deutschen Privatbanken schwächeln, schadet dem Finanzplatz Frankfurt am Main. Kanzlerin Angela Merkel zum ersten Mal seit drei Jahren zu Besuch. (dpa / Fredrik von Erichsen)
    Vielleicht brennt es der Kanzlerin ja unter den Nägeln: Nur wenige Tage nach ihrem Bundesfinanzminister taucht auch sie in Frankfurt auf. Das letzte Mal, dass sie ihr Wort an Banker in Frankfurt richtete, liegt rund drei Jahre zurück. Heute soll sich ihr Fokus auf den Finanzstandort Deutschland in Europa richten.
    In diesem Zusammenhang hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am vergangenen Donnerstag ein Problem umrissen: Die Banken in Europa, vor allem aber in Deutschland, sind im Nachgang der großen Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich geschrumpft.
    Er sehe deswegen das Problem, "dass die Banken, die hier tätig sind, nicht die Größenordnung und die Globalität haben, die notwendig ist, um die Wirtschaft zu begleiten. Denn das bleibt ja so: dass der Erfolg unserer Wirtschaft, auch der Exporterfolg der deutschen Wirtschaft davon abhängt, dass sie global tätig ist. Dass sie im globalen Wettbewerb erfolgreich ist. Und natürlich muss die Finanzindustrie und müssen die Banken in der Lage sein, das zu begleiten".
    Börsenwert der Deutschen Bank zu gering für Eurostoxx 55
    Wie berechtigt diese Sorgen sind, zeigt, dass die Deutsche Bank wohl aus dem europäischen Börsenindex Eurostoxx 50 herausfliegen wird – ihr Börsenwert ist mittlerweile zu gering. Der Commerzbank steht aller Voraussicht nach sogar ein Abstieg aus dem Dax bevor.
    Kurzum: Das Gewicht der deutschen Finanzbranche hat abgenommen mit der schwindenden Bedeutung der beiden deutschen größten Privatbanken. Offenbar übt man sich in Berlin an einer Kurskorrektur:
    "Wir machen Industriepolitik, das haben wir uns angewöhnt. Aber dass wir Industriepolitik im Zusammenhang mit der Finanzwirtschaft machen, das ist vielleicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwas aus der Mode gekommen. Das war nicht zum Nutzen unseres Wirtschaftsstandortes und deswegen glaube ich, muss es eine neue Bedeutung in der politischen Bewertung und Betrachtung erhalten", sagte Olaf Scholz.
    Denn andernorts zeigt sich die politische Elite umtriebiger. So hat der frühere Investmentbanker und französische Präsident Emmanuel Macron Vertreter der Finanzindustrie nach Paris geladen, um offen für seinen Finanzstandort zu werben. Auch hatte sich das Pendel nach Paris geneigt, als Frankreich den Zuschlag für die Europäische Bankenaufsicht EBA bekommen hat.
    Chef der Deutschen Börse begrüßt Merkels Besuch
    In Frankfurt kritisieren Vertreter der Finanzbranche, dass das auch an mangelnder Unterstützung aus Wiesbaden und Berlin gelegen hätte. Wie auch immer, jedenfalls hat sich der Chef der Deutschen Börse, Theodor Weimer, erfreut gezeigt, dass die Kanzlerin den Besuch in Frankfurt geplant hat. Auf die Frage, ob die Politik genug für den Finanzstandort tue, sagte er – einigermaßen diplomatisch:
    "Die Politik hat zunehmend erkannt, dass das Euro Clearing, nach Europa kommt, unterstützt uns sehr gut. Sie haben Herrn Finanzminister Scholz heute Morgen gehört. Frau Merkel ist nächste Woche in Frankfurt, um sich auch da zu zeigen, zu Themen des Finanzplatzes, was ich sehr begrüße".
    Dass es der Kanzlerin mittlerweile unter den Nägeln brennen könnte, hat zwei gute Gründe. Zum Einen rückt der Brexit unaufhaltsam näher. Und zum Anderen liegt die letzte Finanzkrise nun einige Jahre zurück. In deren Nachgang hat Berlin eher Abstand gehalten zur Finanzindustrie, die die schwerste Wirtschaftskrise des Jahrhunderts ausgelöst hatte.
    Unter dem Vorzeichen des nahenden Brexit traut man sich offensichtlich wieder mehr Nähe zu.