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Kapital aus dem Leid der Opfer

Versteckt in der Anonymität des Internets bieten Händler Fotos an, die Wehrmachts- und SS-Angehörige aufgenommen haben. Die Verkäufer versuchen dabei, aus dem Leid der Opfer noch einmal Kapital zu schlagen. Denn je grausiger das Motiv, desto höher der Preis.

Von Mirko Schwanitz |
    Besuch bei Martin Pollack. Der österreichische Autor hackt Holz auf seinem Bauernhof im Burgenland. Nach der Arbeit, setzt er sich in seine Bibliothek. Hier sammelt er auch Fotos, die seit Jahren seine Aufmerksamkeit erregen. Einige davon breitet er auf dem Tisch aus.

    "Da sehen wir einen Mann liegen in seinem sandigen Gelände. Ich habe das Bild gekauft und da steht hinten drauf: 'Toter polnischer Heckenschütze'. In der Regel waren das Wehrmachtssoldaten, die so Schnappschüsse gemacht haben."

    Eigentlich war Martin Pollack auf der Suche nach Fotos für eines seiner Bücher über Galizien, als ihm immer wieder die Terminologie auffiel, die Hunderte sich in der Anonymität des Internets versteckende Händler verwenden, wenn sie Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg anbieten.

    "Also das ist Naziideologie, Naziterminologie. Was mich interessiert, ist, warum wird heute diese Terminologie weiterverwendet im Handel. Es gibt Händler, die ausschließlich mit solchen Fotos handeln, in Deutschland, in Österreich. Und die erzielen hohe Preise und zwar je grausiger die Motive umso höher die Preise."

    Tatsächlich kursieren auf Portalen wie Ebay Tausende Fotos einstiger Wehrmachts- und SS-Angehöriger. Viele Händler übernehmen bedenkenlos deren Beschriftungen: 'Jude mit Armbinde', 'Bandenkampf', 'Nackte Zigeuner'. Ist die Beschriftung nicht negativ genug, wird aus der Bezeichnung 'Russische Frauen' im Internet schnell der Begriff 'Russenweiber'. Der Begriff aus Himmlers berüchtigter Rede 'Was kümmert’s mich, wie viel Russenweiber da zugrunde gehen' verspricht offenbar einen schnelleren Absatz.

    "Wenn’s Juden sind in einer Opferrolle, sei es dass man sie mit der Armbinde zeigt, in einer gebrandmarkten Situation, dann ist automatisch der Preis hoch – dass ein Jude mit Armbinde mehr bringt als ein Jude ohne Armbinde."

    Martin Pollack zeigt auf ein anderes Foto:

    "Zwei junge Frauen, die graben. Werden von oben fotografiert. Und wurde verkauft unter 'Jüdinnen bei der Strafarbeit in Samosc'. Und das hat mich schon interessiert, die Bezeichnung 'Strafarbeit', als hätten sie das verdient."

    Während der Handel mit Nazidevotionalien unter Strafe steht, werden solche Fotos seit Jahren frei gehandelt. In den letzten Jahren kommen immer mehr dieser möglicherweise lange Zeit aus Scham streng gehüteten Fotoalben auf den Markt.

    "Ebay hat eine gewisse Kontrolle. Was die privaten Händler betrifft, gibt’s da offensichtlich wenig Regeln und Schamgefühle eigentlich Null. Das ist eine wirklich sehr düstere Grauzone."

    Einige Händler argumentieren mit dem historischen Wert der Fotografien, doch aus wissenschaftlicher Perspektive ist das nicht haltbar. Denn auf den meisten sind weder Ort noch Zeit noch die genaueren Umstände vermerkt, unter denen das Foto entstand - bei dem Geschäft mit den Wehrmachtsfotos geht es nur um eines: Aus dem Leid der Opfer noch einmal höchstmögliches Kapital zu schlagen:

    "Meine Intention ist, das man auf dieses Phänomen hinweist. Das ist vielen Menschen überhaupt nicht bewusst, dass das existiert, dass diese Terminologie hier weiter am Leben erhalten und, wenn es notwendig erscheint, auch wiederbelebt wird. Dass man diese Terminologie wieder hoffähig macht. Da kommt ja auch dazu, dass wir auch diesem Mann, der hier liegt, etwas schulden. Der ist zu Tode gekommen. Wir wissen nicht warum und er wird natürlich mit der Bezeichnung Heckenschütze im Nachhinein noch einmal diffamiert."