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Kappung des Ehegattensplittings

Meurer: Zu dem Thema 'Kappung des Ehegattensplittings' begrüße ich nun am Telefon den Berliner Steuerrechtler Professor Joachim Schulze-Osterloh. Guten Tag Herr Schulze-Osterloh.

    Schulze-Osterloh: Guten Tag Herr Meurer.

    Meurer: Es gibt ja eine ganze Reihe oder einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zum Ehegattensplitting. Wie viel Spielraum gibt es Ihrer Meinung nach überhaupt, um da Veränderungen vorzunehmen?

    Schulze-Osterloh: Ich glaube, in dem Vorbeitrag, den Sie mir ins Telefon reingespielt haben, ist das schon sehr deutlich gewesen, dass der Spielraum sehr gering ist, wahrscheinlich gegen Null geht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1982, die ja auch zitiert worden ist, sagt ausdrücklich, es soll nicht darauf ankommen für die Höhe der steuerlichen Belastung, wie die Ehegatten ihr Familieneinkommen erwirtschaften, sei es, dass einer nur arbeitet und der andere zu Hause bleibt und Kinder betreut oder auch nicht, oder dass beide tätig sind. Das dürfe steuerrechtlich nicht gesteuert werden, da liege die freie Entscheidung der Ehegatten dazwischen, und da dürfe man nicht eingreifen.

    Meurer: Nun geht es aber darum, Herr Schulze-Osterloh, nicht das Ehegattensplitting abzuschaffen. Das weiß Rot-Grün auch, dass das mit Karlsruhe nicht zu machen ist, sondern es nur am oberen Rand zu kappen, so dass die Besserverdienenden ja immer noch in den Genuss kämen, aber nicht mehr ganz so stark wie bislang. Wäre das verfassungswidrig?

    Schulze-Osterloh: Die Möglichkeit, am oberen Rand zu kappen, ergibt sich nur daraus, dass wir einen progressiven Steuertarif haben. Bei 7.235 Euro im Jahr Einkommen beginnt die Steuer mit 19,9 Prozent auf den jeweiligen Mehrbetrag. Wenn ich dann also 100 Euro mehr verdiene, muss ich 19,90 Euro mehr bezahlen. Und das endet dann bei 55.000 Euro rund, und dann muss ich pro 100 Euro 58,50 Euro mehr bezahlen. Das ist dieser progressive Steuertarif. Und der führt dazu, dass also bei Mehrverdienenden jede Erhöhung des Einkommens oder jede Minderung von Steuerabzugsbeträgen zu einem entsprechend höheren Ausschlag bei der Besteuerung führt. Und wenn ich nun das sozusagen ausnutze, diesen höheren Steuersatz, um auf dieser Ebene etwas abzuschöpfen, dann verstoße ich gegen das Prinzip, das in der progressiven Besteuerung an sich liegt, das eben auch dazu führen muss, dass, wenn gemindert wird auf dieser Ebene, diese Minderung dann auch in Höhe eben dieses Steuersatzes durchgreifen muss.

    Meurer: Das Ganze ist sehr kompliziert. Ich hoffe, ich mache es jetzt nicht noch komplizierter mit dem Verweis auf das so genannte Realsplitting. Das bedeutet – ich sage mal, das gibt es bei geschiedenen Paaren –, der Mann zahlt Unterhalt, 14.000 Euro nehmen wir einmal an, die Frau bekommt den Unterhalt, muss ihn versteuern. Der Mann spart Steuern, die Frau muss Steuern bezahlen. Aber über die Differenz, die entsteht zugunsten von Steuersparen, lohnt sich dieses Realsplitting. Wäre das eine Alternative?

    Schulze-Osterloh: Theoretisch wäre das sicherlich eine Alternative, dann müsste man also von folgendem anderen Modell ausgehen: Getrennte Veranlagung der Ehegatten, was sicher verfassungsgemäß ist. Jeder versteuert sein eigenes Einkommen. Zugleich wird aber berücksichtigt, dass derjenige, der das höhere Einkommen erzielt, den anderen – wie wir hoffen wollen – daran partizipieren lässt. Und dann müsste dieser Transfer zur Steuerlast bei dem Begünstigsten führen, das heißt, Steuerminderung bei demjenigen, von dem diese Mittel faktisch abfließen, ohne dass es deshalb in eine Rentenzahlung ausarten soll. Und nur ist es dann das Problem, wie ich bemesse diese Beträge. Die hängen natürlich ganz ab von dem wirtschaftlichen Zuschnitt. Man wird das sicherlich realistisch irgendwie bestimmen müssen, und dann ist das sicherlich nicht so, wie es bei getrennten Ehegatten ist und bei Geschiedenen, wo zur Zeit 13.805 Euro im Kalenderjahr in Betracht kommt, sondern dann wird man sich wirklich tatsächlich, von der Wirtschaftseinheit ausgehend, überlegen müssen, was kommt dem anderen tatsächlich zugute. Und dann wird das natürlich außerordentlich kompliziert.

    Meurer: Das heißt, dass Besserverdienende höhere Unterhaltsbeträge einsetzen können und dann auch wieder mehr Steuern sparen.

    Schulze-Osterloh: Sicher, also der begünstigte Ehegatte zahlt mehr und der abgebende zahlt dann entsprechend bei seinem Steuersatz dann entsprechend wieder weniger. Das würde vor allen Dingen auch dazu führen, dass sich Finanzverwaltungen mehr oder minder in die persönliche Lebensweise dieser Ehegatten einmengen müssten.

    Meurer: Noch eine weitere Überlegung, Herr Schulze-Osterloh: Ehegattensplitting nur für Eltern mit Kindern, ist das möglich?

    Schulze-Osterloh: Das ist sicherlich deshalb nicht möglich, weil Artikel 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, also zunächst einmal die Ehe der Familie mit Kindern gleichstellt insoweit. Sie können also schlecht eine Ehe gegenüber einer Familie mit Kindern in dieser Weise diskriminieren. Dass natürlich Kinder berücksichtigt werden müssen, dass es Kinderfreibeträge, Kindergeld und dergleichen gibt, das ist selbstverständlich. Aber prinzipiell zu sagen, wer keine Kinder hat wird in bestimmter Weise behandelt, das ist sicherlich nicht sachgerecht. Im Übrigen muss man auch bedenken, dass diejenigen, die keine Kinder haben, möglicherweise auch deshalb keine Kinder mehr haben, weil die Kinder erwachsen sind.

    Meurer: Nun argumentieren ja viele, das Ehegattensplitting belohnt, wenn die Frau zu Hause bleibt, und bestraft, wenn die Frau – sie ist ja in der Regel diejenige, die wegen der Kinder zu Hause bleibt – bestraft es, wenn sie arbeiten geht. Ist das Ehegattensplitting, das 1958 eingeführt wurde, wirklich noch zeitgemäß?

    Schulze-Osterloh: Ja, ich sehe die Bestrafung nicht, abgesehen davon, dass der Begriff nicht passt. Das Einkommen der Ehegatten wird als einheitliches zusammengefasst angesehen mit der vielleicht romantischen Vorstellung, dass die Ehefrau den Ehemann bestärkt in seinem rastlosen Bemühen um Verdienst. Das mag durchaus sein, aber von einem Bestrafen kann keine Rede sein, wenn die Frau selber arbeitet. Dieses Bild entsteht – glaube ich – immer in der Bevölkerung deshalb, weil normalerweise sie dann nach Steuerklasse V auf der Steuerkarte besteuert wird. Das ist aber nur eine á-Konto-Zahlung auf die gemeinsame Steuer. Wenn man sich nachher die Steuererklärung und den Steuerbescheid ansieht, wird man sehen, dass die Steuer insgesamt dann doch wieder voll dem Splitting unterliegt und daher dann so bemessen wird, wie das Einkommensteuergesetz es befiehlt.

    Meurer: Also, unter dem Strich, sagen Sie, beim Lohnsteuerjahresausgleich kommt für die Frau, die dann arbeiten geht, doch noch etwas heraus trotz höherer Besteuerung. Schulze-Osterloh: Ja sicher, bloß es wird eben alles gemeinsam berechnet. Und dadurch merkt sie das nicht. Sie wird sich dann an ihren Mann wenden müssen, der ihr das mal ausrechnen muss, wenn die Verhältnisse so sein sollten.

    Meurer: Die Vor- und Nachteile des Ehegattensplittings und ob es überhaupt verfassungsrechtlich geändert werden kann. Das war der Berliner Steuerrechtler Professor Joachim Schulze-Osterloh. Herzlichen Dank und auf Wiederhören.

    Schulze-Osterloh: Bitte, gerne, Herr Meurer. Auf Wiederhören.