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Karriere auf der Drehleiter

Das Magazin "Der Spiegel" hat in einer Umfrage herausgefunden, dass der hauptamtliche Feuerwehrmann der bei den Deutschen beliebteste Beruf ist. Er rettet Leben, hilft bei Bränden und Unfällen. Eine technische oder handwerkliche Berufsausbildung ist Voraussetzung.

Von Thomas Wagner | 01.01.2011
    "Wir haben im Jahr etwa zehn bis 15 Einsätze hier auf dem Feuerlöschboot. Zur Sicherheit der Schiffe hier auf dem See."

    Gut 15 Meter lang - und kein bisschen langsam: Das Löschboot der Feuerwehr Friedrichshafen auf einer Testfahrt. Mit 35 Stundenkilometer braust das Schiff über die glatte Wasserfläche des Bodensees. Am Steuer steht der 30-jährige Rocco Farkas. Er hat seinen Traumberuf gefunden:

    "Ich bin seit 2006 hauptamtlicher Mitarbeiter der Feuerwehr Friedrichshafen. Wir sind hier gerade unterwegs mit dem Feuerlöschboot Friedrichshafen auf dem See Richtung Langenargen."

    Einsätze auf dem See sind für Rocco Farkas nichts Ungewöhnliches:

    "Wenn ein Schiff wie gesagt brennt oder ein Schiff in Seenot ist. Wenn es um vermisste Personen geht."

    Feuerwehrmann - das ist für Rocco Farkas ein ganz außergewöhnlicher Beruf. Da ist auf der einen Seite der leise Hauch des Abenteuers - und auf der anderen Seite die Gewissheit, einen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten:

    "Das Schönste daran ist, Menschen zu helfen, aus lebensbedrohlichen Situationen. Es ist halt einfach ein schöner Beruf. Wer kann schon während seiner Arbeitszeit davon reden, dass er praktisch Menschenleben retten kann."

    Und das in vielfältiger Weise: An einem Tag das Löschboot auf dem Bodensee steuern, am nächsten mit der Drehleiter einen Brand löschen - gerade die Vielseitigkeit der Aufgaben macht die Arbeit in der Feuerwehr besonders attraktiv:

    "Die Anzahl der Brandeinsätze geht zurück, stetig zurück auf 15 bis 20 Prozent. Alles andere sind überwiegend Einsätze der technischen Hilfeleistung: Umweltschutz. Hier bei uns am See sind es auch viele Ölwehreinsätze, Seenoteinsätze auf dem See, dann Gefahrguteinsätze."

    Louis Laurösch ist Kommandant der Feuerwehr Friedrichshafen. Nach der Fahrt mit dem Löschboot trifft er sich mit seinen Feuerwehrleuten im Feuerwehrheim. Alle, die am Tisch sitzen, haben eine technische oder handwerkliche Berufsausbildung absolviert: Der eine ist Elektriker, der andere KFZ-Mechaniker; unter den Feuerwehrleuten finden sich auch Installateure und Feinmechaniker. Eine solche Berufsausbildung ist Grundvoraussetzung dafür, um hauptberufliche Feuerwehrfrau oder hauptberuflicher Feuerwehrmann zu werden.

    "Dann geht es los mit der Feuerwehr-Grundausbildung: Das beinhaltet dann Atemschutz, die Grundtätigkeit des Löschens, technische Hilfseinsätze. Der Gefahrguteinsatz wird abgehandelt, die Gefahrgut-Ausbildung. Dann ist ein Sprechfunker dabei, der Maschinist für Drehleiter ist dabei. Und dann meistens auch noch der Rettungssanitäter."

    Stefan Marquardt, 29 , und Tobias Sommer, 30 Jahre, sitzen bei der Besprechung mit am Tisch. Der eine ist fünf, der andere zweieinhalb Jahre Jahre bei der Feuerwehr mit dabei. Heute würden sie sich genauso wie beim Berufsstart für ihren Traumberuf entscheiden:

    "Die zwei Berufe, die man ausübt, einmal das technische in der Wache in der einsatzfreien Zeit, dort sich um die Geräte kümmern und die reparieren, schrauben, na, und dann weiß man nicht: Kommt ein Einsatz, kommen drei Einsätze am Tag? Und da einfach den Menschen und der Bevölkerung helfen zu können, das ist ein schönes Gefühl, dass man dabei hat, und das macht das Ganze eigentlich aus."

    "Und sicherlich ist es ganz toll, aus dem Hobby den Beruf zu machen: Ich habe das als junger Kerl mit 14 angefangen, bin dann eingestiegen in die freiwillige Feuerwehr, und jetzt hier mache ich das hauptberuflich. Und wie der Kollege das schon gesagt hat: Sein handwerkliches Geschick, seinen handwerklichen Beruf noch einbinden in die feuerwehrtechnische Ausbildung ist eine sehr tolle Geschichte. Es macht Spaß, Menschen zu helfen, in jeglicher Notsituation Mensch und Tier zu schützen."

    Notruf: "Unklare Rauchentwicklung im zweiten Obergeschoss."

    "Ok, ich schick den Löschzug raus."

    Jeden Augenblick kann ein Einsatz kommen. Hauptberufliche Feuerwehrleute arbeiten rund um die Uhr im Schichtdienst, auch an den Wochenenden. Das ist die Kehrseite eines spannenden Traumberufes. Doch damit können sich alle am Tisch arrangieren. Stefan Marquardt:

    "Wenn man es so sieht, hat der Koch ja auch am Wochenende Dienst. Der Polizist leistet seinen Dienst. Der Busfahrer - alle haben irgendwo in ihrem Arbeitsumfeld eine Schichtbelastung heutzutage. Wenn man den Job gerne macht, einem das Spaß macht, die Familie dahinter steht, die Freundin das weiß, das man den Job gerne macht, dann funktioniert das auch."

    Eine weitere Kehrseite: Die Konfrontation beispielsweise bei schweren Bränden oder Verkehrsunfällen mit menschlichem Leid, mit dem Tod. Damit der Traumberuf nicht zum Albtraum wird, ist ein gutes Einvernehmen unter den Feuerwehrleuten wichtig, erklärt Stefan Marquardt:

    "Das ist einfach das Wichtige: Die Einsatznachbesprechung. Wir sind nicht alle die großen Helden. Wir sind ganz normale Menschen. Wir müssen mit den Problemen umgehen und uns dann auch darüber unterhalten. Das ist die beste Bewältigung für so etwas."

    Immerhin bietet die Feuerwehr für ihre hauptamtlichen Mitarbeiter auch Karrierechancen: Nach entsprechenden Lehrgängen wird ein Feuerwehrmann Fahrzeug, Gruppen- oder Wachführer. Nach einem weiteren Lehrgang ist der Aufstieg in den gehobenen Dienst möglich. Dafür muss ein Feuerwehrmitarbeiter eine eineinhalb Jahre eine Spezialschule besuchen. Wer Glück hat, schafft es sogar zum Kommandanten.

    Als solcher muss Louis Laurösch auch über die Bewerbungen für den hauptberuflichen Dienst in der Feuerwehr entscheiden. Die meisten waren bereits Mitglied der Jugendfeuerwehr. Die Mitgliedschaft dort ist derzeit so beliebt, dass Louis Laurösch einen Aufnahmestopp verfügen musste; das Interesse an der Feuerwehr ist riesengroß. Neben der technisch orientierten Berufsausbildung schaut der Kommandant auf ein weiteres, wichtiges Kriterium:

    "Er muss diese Sozialkompetenz mitbringen, dass er eingesetzt werden kann für die eigenen hauptamtlichen Kräfte, aber auch als Führungskräfte für die Freiwillige Feuerwehr."

    Hier die technischen Fertigkeiten und der Mut, dort die Sozialkompetenz und das Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Betroffenen eines Unglücks: Hauptberufliche Feuerwehrleute müssen viele unterschiedliche Kenntnisse in ihren Berufsalltag einbringen. Das aber wird nicht immer von der Gesellschaft anerkannt, glauben Feuerwehrmann Stefan Marquart und Kommandant Louis Laurösch:

    "Es gibt auch viele Leute, die sich über Feuerwehr…naja, sie freuen sich, wenn man kommt, wenn sie einen rufen. Aber ansonsten will man mit der Feuerwehr eigentlich nichts zu tun haben. Man muss auch der Feuerwehr mal nachsehen, dass sie einfach eine Straße sperren muss, wenn sie irgendwo durchmuss. Oder beim vorbeugenden Brandschutz: Da kann man halt einfach keine Parkplatz hinmachen, weil da eine Rettungszufahrt ist."
    "Man sieht das auch daran: Wenn wir im Einsatz waren - und wir sind viele hunderte Male im Einsatz - bekommt man sehr, sehr selten ein Dankeschön. Das passiert vielleicht drei, vier Mal im Jahr, dass sich jemand für den Einsatz bedankt. Ansonsten wird das als selbstverständlich angesehen."