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"KarstadtQuelle hatte sich verzettelt"

Heuer: Am Telefon bin ich jetzt mit Marcus Rohwetter verbunden, er beschäftigt sich in der Wirtschaftsredaktion der Wochenzeitung Die Zeit mit dem Thema. Guten Tag.

    Rohwetter: Guten Tag.

    Heuer: Wird das Sanierungskonzept aufgehen, ist KarstadtQuelle so zu retten?

    Rohwetter: Wenn man der Börse glauben darf, dann möglicherweise schon, die Aktie hat heute wieder leicht positiv reagiert nach der Verkündung. Ich glaube persönlich, dass es durchaus eine Möglichkeit ist, das Unternehmen zu retten nach dem Motto besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, denn KarstadtQuelle ist ja schon seit vielen Jahren ein Problemkind.

    Heuer: Es möchte Unternehmenszweige veräußern. Wie stehen denn die Chancen, dass es für diese Unternehmen auch Käufer findet?

    Rohwetter: Das ist die große spannende Frage für die nächste Zeit. Es geht ja im Kern auch um die Warenhausimmobilien, es gibt unterschiedliche Größen, 77 der knapp 190 Warenhäuser sollen verkauft werden und KarstadtQuelle möchte die veräußern, weil sie damit Probleme haben. Die Frage ist: Wer lädt sich denn diese Probleme auf, kauft also diese Immobilien, die zum Teil ja auch als Warenhäuser rein architektonisch konzipiert sind. Da müsste man sehr viel Geld reinstecken, um sie umzubauen, anzupassen an moderne Konzepte und ich glaube, da kann KarstadtQuelle nur einzeln und nach und nach eins nach dem anderen verkaufen. Das wird sehr lange dauern.

    Heuer: Karstadt-Quelle, jedenfalls der Vorstand, setzt künftig auf die gehobene Mitte, den Mittelstand und auch auf Luxushäuser wie das KaDeWe in Berlin. Ist das der richtige Weg?

    Rohwetter: Man muss sehen, KarstadtQuelle hat sich in den vergangenen Jahren stark verzettelt. Die wussten eigentlich nicht, was sie machen wollten: Sie hatten kleine Häuser, große Häuser, dann ein unglaubliches Konglomerat von verschiedenen Vertriebslinien und standen am Ende irgendwo zwischen den Discountern, die ganz billig waren und den hochspezialisierten Boutiquen, die eine unheimlich tolle Beratung hatten. Sie waren so im klassischen Mittelsegment. Dieses Problem selber bleibt natürlich jetzt erstmal bestehen, wenn es so stimmt, was verkündet wurde. Man muss sehen, wie das konkret umgesetzt werden wird. Wenn wenig rentable Produktlinien aus den Häusern verbannt werden, kann das Konzept Erfolg haben, wichtig ist aber, dass weiterhin auf die Beratungskompetenz gesetzt wird, denn das ist das, womit KarstadtQuelle vielleicht noch punkten kann.

    Heuer: Aber wenn der Vorstand sich verzettelt hat und die Strategien nicht stimmten, muss dann nicht eigentlich das Management auch personelle Konsequenzen ziehen?

    Rohwetter: Das ist ja schon geschehen. Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Urban, der KarstadtQuelle eine zeitlang geführt hat, es hat ihn ja schon den Job gekostet, dass er auch eigentlich nie entscheiden wollte, wohin KarstadtQuelle denn nun gehen soll. Die Konsequenzen wurden bereits gezogen und wahrscheinlich wird in einzelnen Bereichen bei Tochtergesellschaften noch vielleicht der ein oder andere Kopf rollen, das kann man nicht ausschließen.

    Heuer: Konsequenzen wird das Sanierungskonzept sicher für die Mitarbeiter haben zu Lasten der Arbeitnehmer könnte es gehen, ver.di sagt, es seien mindestens 20.000 Stellen betroffen. Glauben Sie, die Belegschaft macht mit bei diesem Sanierungskonzept?

    Rohwetter: Sie wird wohl keine großartige andere Wahl haben, denn wenn es so weitergeht, ist der Laden wirklich irgendwann pleite und dann werden die Konsequenzen wahrscheinlich dieselben sein. Ich nehme also an, dass sie es wohl mittragen werden. Ver.di hat gesagt, 20.000 Beschäftigte sind betroffen, das heißt ja nicht, dass wirklich alle ihren Arbeitsplatz verlieren. Da werden bestimmt eine Menge darunter sein, die ihren Job verlieren, aber wenn man sieht, dass Teile ausgegliedert, verkauft werden sollen und bei anderen Unternehmen möglicherweise wieder unterschlüpfen, heißt es ja nicht, dass sie nachher auf der Straße stehen. Dann arbeiten sie möglicherweise für jemand anderen.

    Heuer: Anderen Handelsketten geht es nicht so schlecht wie Karstadt-Quelle, was haben die besser gemacht?

    Rohwetter: Grundsätzlich muss man sagen, der ganze Einzelhandel leidet in Deutschland wegen der schlechten Konsumstimmung. Die hält seit vielen Jahren an, wurde jetzt durch die Hartz-IV-Diskussion verstärkt und ist, auch wenn sie sich jetzt wieder so ein bisschen stabilisiert hat, immer noch auf einem sehr schlechten Niveau. Das liegt daran, dass in Deutschland die Einzelhandelsunternehmen massiv Fläche aufgebaut haben und gar nicht mehr genug umgesetzt wurde pro Quadratmeter. Andere stehen ein bisschen besser da, zum Beispiel der Kaufhof, der zweite große Warenhausbetreiber in Deutschland, hat aber auch leicht mit Umsatzrückgang zu kämpfen gehabt. Allerdings ist der Kaufhof nur Teil eines internationalen Konzerns wie der Metro, dem fünftgrößten Handelskonzern der Welt, der natürlich Schwächen im deutschen Markt ausgleichen kann. KarstadtQuelle ist fast nur auf den deutschen Markt fokussiert und bekommt natürlich die Stagnation hier voll zu spüren.

    Heuer: Und da ist der Blick nach Osteuropa der richtige?

    Rohwetter: Ja, mit Sicherheit. Diese Märkte werden ja allgemein als Wachstumsmärkte eingeschätzt und ich denke schon, dass es der richtige Weg ist, sich im Ausland zu orientieren, einfach weil man dann mögliche Rückgänge in der Konsumstimmung im Inland dadurch möglicherweise irgendwann mal ausgleichen kann.