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Katalanische Aktivisten
Protestcamp vor Gefängnismauern

Das Gerichtsverfahren gegen die Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung dürfte im Februar in Madrid beginnen. Zwei Frauen und sieben Männern drohen Geld- und hohe Haftstrafen. Noch befinden sie sich in katalanischen Gefängnissen, ihre Anhänger wollen sie dort nicht alleine lassen.

Von Julia Macher | 25.01.2019
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    Das Gefängnis Lledoners ist zum Pilgerort der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung geworden (AP/Felipe Dana)
    "Bona nit, …."
    Jeden Abend um 20.45 Uhr nimmt der 23-jährige Joan ein Megaphon in die Hand und wünscht eine gute Nacht. Scheinwerfer tauchen das Gefängnis gegenüber in taghelles Licht, der Flachbau ist weniger als hundert Meter Luftlinie entfernt. Wenn einer der sieben dort inhaftierten katalanischen Politiker und Aktivisten antwortet, gibt es Applaus.
    Das Gefängnis, eine knappe Autostunde von Barcelona entfernt, ist zum Pilgerort der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung geworden. Am Wochenende versammeln sich mehrere Tausend Menschen auf der kleinen Anhöhe, es gibt Konzerte, Lagerfeuer, Bäume, an die Besucher gelbe Wunschzettel heften.
    "Es geht darum, unsere Politiker nicht zu vergessen und ihnen unsere Unterstützung zu geben. Sie sind im Gefängnis, weil sie uns haben wählen lassen. Dass sie im Gefängnis sind, ist eine große Ungerechtigkeit."
    Misstrauen zwischen Unabhängigkeitsparteien
    "Absolution", Freispruch – das ist auch die Forderung der Strafverteidiger. Im katalanischen Parlament ist die Kluft zwischen den beiden großen Unabhängigkeitsparteien, der linksrepublikanischen Esquerra und der Puigdemont-Liste Junts per Catalunya, groß, das Misstrauen sitzt tief. Bei den Verteidigungsstrategien vor Gericht sprechen sich die juristischen Teams miteinander ab. Gemeinsame These: Die Verfahren seien politische Prozesse. Andreu van der Eynde vertritt den ehemaligen Vizepräsidenten Oriol Junqueras und dessen Partei- und Kabinettskollegen Raúl Romeva.
    "Der Oberste Gerichtshof hat nicht nur die Grundrechte der Angeklagten verletzt, sondern die Gesetze unvorhersehbar und in totalem Widerspruch zur bisherigen Praxis interpretiert. Das betrifft nicht nur die Zuständigkeit – eigentlich müsste dieser Prozess vor dem katalanischen Gericht geführt werden – sondern vor allem den Straftatbestand der Rebellion. Dieser Vorwurf ist schlicht absurd und diente bloß dazu Angst zu verbreiten und die Politiker ihrer Funktion zu entheben."
    Laut spanischem Strafrecht muss bei einer Rebellion Gewalt angewendet worden sein. Die sieht die spanische Staatsanwaltschaft unter anderem in dem – Zitat - "feindseligen Klima" bei verschiedenen Demonstrationen. Für die Anwälte der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter ist diese Auslegung Beweis, dass es beim Prozess nicht primär um Sezessionsbestrebungen geht, sondern um die – Zitat - "Ausübung von demokratischen Grundrechten".
    "Das Recht auf Demonstrationsfreiheit beinhaltet auch mögliche Exzesse. In einer demokratischen Gesellschaft müssen bestimmte Unpässlichkeiten wie beispielsweise Straßenblockaden hingenommen werden."
    Hoffnung auf Tränen
    Der Gerichtsprozess wird live im Fernsehen übertragen. Die Verteidigung will das nutzen, um der Weltöffentlichkeit ihre Sicht der Dinge zu schildern - mit medienwirksamen Schachzügen. Die Anwälte der Politiker der Puigdemont-Liste "Junts per Catalunya" haben angekündigt, den spanischen König, Ex-Premier Mariano Rajoy und den inzwischen in Belgien lebenden Carles Puigdemont in den Zeugenstand zu rufen. Anwalt Jordi Pina will vor Gericht einen Film vom Polizeieinsatz beim verbotenen Unabhängigkeitsreferendum zeigen.
    "Ich habe die Hoffnung, dass Millionen Spanier weinen werden, wenn sie live die Bilder vom ersten Oktober sehen."
    Über den Zulass solcher Beweismittel entscheidet das Gericht.
    An der Basis ist man inzwischen von der Notwendigkeit eines Gerichtsverfahren überzeugt. In den vergangen Wochen war darüber spekuliert worden, ob man statt Solidaritätskonzerten vor dem Gefängnis Lledoners nicht die Straßen blockieren sollte.
    "Porten tant de temps."
    Das bringe doch nichts, sagt Joan. Nach so vielen Monaten in Untersuchungshaft hätten die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter nun endlich Gelegenheit, sich zu erklären.