Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Katalonien-Konflikt
Madrid beharrt auf seiner Position

Die Regierung in Madrid will nichts wissen vom Dialog, den Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont nach seiner - ausgesetzten - Unabhängigkeitserklärung angeboten hat. Vielmehr erwägt sie, den Verfassungsartikel 155 anzuwenden und damit die Regionalregierung Kataloniens de facto abzusetzen und die Autonomie teilweise aufzuheben.

Von Marc Koch | 11.10.2017
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy beim Krisentreffen des spanischen Kabinetts in Madrid
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy beim Krisentreffen des spanischen Kabinetts in Madrid (AFP/ Cesar P. Sendra)
    Es ist die Zahl des Tages in Spanien: 155. Das ist die Nummer des Verfassungsartikels, den die spanische Regierung wahrscheinlich noch heute anwenden wird. Damit kann die Zentralregierung in Madrid die Regionalregierung in Barcelona de facto absetzen, die Autonomie der Region teilweise aufheben und wichtige Teile der katalanischen Verwaltung übernehmen.
    Seit gestern Abend sucht der konservative Regierungschef Mariano Rajoy nach einem breiten Konsens mit den Chefs der sozialistischen und der liberalen Partei. Besonders deren Vorsitzender, Albert Rivera, fordert den Artikel 155 schon seit Tagen, um Neuwahlen in Katalonien zu erreichen:
    "Das ist der einzige Weg, auf dem wir zu echten Wahlen kommen, bei dem wir nicht gefangen sind durch einen Schlag gegen die Demokratie und durch einige Herren, die vorgeben, mit einer Alibi-Unabhängigkeitserklärung für alle Katalanen zu handeln. Für die sie natürlich nicht sprechen."
    "Wir sprechen von radikaler Illegalität"
    Artikel 155 ist nicht unumstritten: Vorbild ist Artikel 37 des deutschen Grundgesetzes, der sogenannte "Bundeszwang". Angewandt wurde der 155 noch nie, seine Formulierungen sind teilweise unscharf und lassen viel Handlungsspielraum. Trotzdem müsse die Regierung in Madrid jetzt zu diesem Instrument greifen, nachdem Katalonien eine Unabhängigkeitserklärung unterschrieben hat, meint der Verfassungsrechtler German Teruel von der Universität Murcia:
    "Wir sprechen hier von einer radikalen Illegalität. Parlament und Regierung in Katalonien bewegen sich seit Langem, spätestens aber seit dem Übergangsgesetz außerhalb der Verfassungsordnung."
    Vom Dialog, den Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont angeboten hat, will die Regierung in Madrid nichts wissen. Sie beharrt auf ihrer Position: Das Referendum war illegal, Puigdemont muss die Unabhängigkeitserklärung zurücknehmen. Auch, wenn die erstmal nur auf dem Papier existiert. Eine richtige Forderung, sagt Verfassungsrechtler Teruel:
    "Das haben doch nicht vier Kumpels in einer Bar unterschrieben. Das ist am Sitz des Parlaments unterschrieben worden, von offiziellen Abgeordneten, auf offiziellem Briefpapier."
    Nur Podemos wirbt für Gespräche
    In Madrid wirbt nur die linke Partei Podemos für Gespräche mit der katalanischen Regierung. Der Abgeordnete Rafa Mayoral sagt:
    "Wir müssen für eine Gesprächsatmosphäre sorgen, für einen umfassenden Dialog, der versteht, dass Katalonien vielfältig ist, dass es Leute gibt, die sich für das Referendum engagiert haben, und andere für Dialog und die Einheit Spaniens"
    Um nichts weniger als die geht es. Ob eine Zahl sie retten kann, muss sich zeigen.