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Katholische Kirche
Die Ehe, die Evangelischen und der Papst

An der Kommunionbank ist für viele Platz, für Wiederverheiratete und Protestanten zum Beispiel. Das lässt sich aus Äußerungen von Franziskus herauslesen. Während der Brief deutscher Bischöfe in Rom keine Wellen schlägt, sorgt ein neues Buch für Turbulenzen. Es behauptet: Dieser Papst wird scheitern.

Von Thomas Migge |
    Papst Franziskus spricht vom Balkon des Petersdoms im Vatikan den Segen "Urbi et Orbi".
    Papst Franziskus spricht vom Balkon des Petersdoms im Vatikan den Segen "Urbi et Orbi". (dpa/L'Osservatore Romano/AP)
    "Gerade in den konfessionsverschiedenen, konfessionsverbindenden Ehen wird es doch als großer Mangel, als Not, empfunden, wenn man nicht gemeinsam auch an der Eucharistie teilnehmen kann", sagt Kardinal Reinhard Marx. Er spricht Offensichtliches an. Die deutsche Bischofskonferenz, der Marx vorsteht, will konfessionsverschiedenen Ehepaaren im Einzelfall die gemeinsame Teilnahme an der Kommunion ermöglichen. Das haben die deutschen Bischöfe jüngst in ihrer Vollversammlung in Ingolstadt nach intensiver Debatte mit einer großen Mehrheit beschlossen.
    Reinhard Marx: "Ich glaube, diese Handreichung, die wir demnächst dann den Priestern und den Seelsorgern geben können, soll eine Hilfe dafür sein, dass jeder sich gut auch prüfen kann, der in einer solchen Situation ist. Aber es ist auch eine Ermutigung, diesen Weg zu gehen."
    Während die betroffenen Paare - oder diejenigen, die sich überhaupt noch dafür interessieren, was die Kirche vorgibt - diese Entscheidung der deutschen Bischofskonferenz begrüßen, regt sich in der Kirche auch Unmut. So haben vor Kurzem sieben deutsche Bischöfe, unter Führung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki, einen Brief an den Papst geschickt. Darin zweifeln sie die Rechtmäßigkeit des Zugangs auch von protestantischen Ehepartnern zur Kommunion an. Ob sich Franziskus von diesem Protest beeindrucken lassen wird, steht dahin. Der Papst, heißt es aus dem Umfeld von Reinhard Marx, habe ja eindeutige Zeichen in eine entsprechende Richtung der Öffnung gesetzt, und eine Bischofskonferenz wie die deutsche brauche keine Erlaubnis mehr, um Entscheidungen wie diese zu treffen.
    "Ein prophetischer Geist"
    Während die Zulassung von Protestanten zur Eucharistie in Deutschland diskutiert wird, ist sie in Italien so gutwie kein Thema: In Italien leben nur wenig Protestanten. Doch es stellen sich in der italienischen Kirche, unter Gläubigen, Geistlichen und Vatikanbeobachtern, andere Fragen. Fragen, bei denen es um die Rolle von Papst Franziskus bei der Reform - oder wie einige Vatikankenner sie auch nennen: "Revolution" - der Kirche geht. Ein heikles Thema, das viele katholische Gemüter in Italien aufwühlt. Auch die Gemüter erklärter Laien, wie etwa von Eugenio Scalfari, Starjournalist und Gründer der Tageszeitung "La Repubblica":
    "Er verfügt über einen revolutionären und prophetischen Geist, denn seine Vision ist in die Zukunft gerichtet."
    Seit Jorge Bergoglio Papst ist, berichten Italiens Medien intensiv über all das, was der Mann aus Argentinien in seinem Kleinstaat verändern will: Laien räumen bei den Vatikanbank IOR auf, Manager großer Unternehmen sollen die vatikanische Verwaltung rationalisieren, die Vatikankommunikation inklusive Radio Vatikan wird modernisiert, ein Rat aus Finanzexperten soll Klarheit über Einnahmen und Ausgaben schaffen. Der Papst eckt mit seinen Entscheidungen bei Konservativen an, weil er auf Homosexuelle, auf Protestanten, auf wiederverheirate Geschiedene zugeht. Ein Revolutionär also, meint der römische Vatikanexperte Marco Politi:
    "Mit Franziskus hat eine ganz neue Phase in der Kirchengeschichte begonnen, in gewissem Sinn eine revolutionäre Phase. Ganz generell: Dieser Papst will kein monarchisch ausgerichtetes Papsttum mehr. Er will eine kollegialere, eine demokratischere Kirche."
    Der Mann in Weiß und die bösen Wölfe
    Und macht sich damit auch Feinde. Politis spannendes Buch "Franziskus unter Wölfen - der Papst und seine Feinde" wurde auch in Deutschland ein Bestseller.
    Hört man sich unter Italienern um, bekommt man oft das Gleiche zu hören: endlich ein modernerer Papst, der von bösen Erzkonservativen an der Realisierung seiner Kirchenrevolution gehindert werde. Das sei alles Unsinn, meint hingegen Marco Marzano. Der Autor und Journalist ist Professor für Soziologie an der Universität Bergamo. Er gilt als angesehenster Kirchensoziologe Italiens:
    "Ich finde das Bild des Revolutionspapstes, der von bösen Wölfen umgeben ist, falsch. Diese Wölfe gibt es nicht. Es gibt scharfe Kritik, aber vor allem von heute pensionierten Kardinälen. Und es gibt allgemeine Kritik in und außerhalb der Amtskirche zu bestimmten Entscheidungen und Reformansätzen, wie in allen Großorganisationen."
    Vatikanbeobachter Marzano fragt in seinem gerade erschienenen und viel diskutierten Buch, zu Deutsch, "Die unbewegliche Kirche - Franziskus und die verfehlte Revolution", was denn seit Bergoglios Amtsübernahme im März 2013 konkret Revolutionäres geschehen sei:
    "Meiner Meinung nach kann von einer 'Revolution', wie sie von Autoren wie Politi beschworen wird, keine Rede sein. Revolutionär ist allerdings sein ganz persönlicher Stil: Wie er kommuniziert, interagiert, mit den Menschen, mit den Medien etc. Das ist ganz anders als bei seinen Vorgängern."
    Das religiöse Hardcore-Business bleibt
    Dass Franziskus seine alten Schuhe aus Argentinien auch in Rom trägt, dass er im vatikanischen Pilgerhotel und nicht im Papstpalast wohnt, dass er in der Vatikanmensa isst und seine Aktentasche selbst trägt, all das, so der Kirchensoziologe Marzano, dürfe nicht mit einer Revolution im Kirchenmanagement und im Umgang mit kirchlichen Normen gleich gesetzt werden. Da sei fast alles beim Alten geblieben. Der Stil sei neu, das religiöse Hard-Core-Business sei aber unverändert, meint Marco Marzano:
    "Schaut man sich genau an, was der Papst sagt, wird klar, dass er inhaltlich in der Tradition seiner Vorgänger steht - sogar bei Aussagen, die weltweit als 'revolutionär' interpretiert wurden. Wie etwa als er sagte: 'Wer bin ich, um einen Homosexuellen zu beurteilen?' Inhaltlich findet sich diese Aussage seit langem im kirchlichen Katechismus! Die Aussage von Franziskus bedeutet also keinen revolutionären Wandel der Kirche im Umgang mit Homosexuellen!"
    Nur in Sachen Wiederverheiratet-Geschiedene stieß, so Marco Marzano, der Papst etwas an.
    "Nehmen wir den Inhalt des päpstlichen Schreibens 'Amoris laetitia', das Franziskus nach der von ihm einberufenen Familiensynode 2016 veröffentlichte. Da ist die Rede von der Möglichkeit der Zulassung Wiederverheiratet-Geschiedener zur Eucharistie. Und es ist die Rede von der Eigenverantwortung in der Anwendung dieser Norm. Das ist alles sehr vieldeutig. Es entstehen Konflikte, wenn Normen nicht mehr klar sind."
    Mit der viel beschworenen "Revolution" in der katholischen Kirche, realisiert von einem Papst, der alles auf den Kopf stelle, habe das allerdings nichts zu tun. Sicherlich stoße dieser Papst Neues an, resümiert Kirchensoziologe Marco Marzano, aber das Anstoßen von Neuem sei kein revolutionärer Akt. Vielmehr müsse man von Reformansätzen sprechen, von mehr aber auch nicht.
    Die sieben Briefschreiber aus Deutschland pochen auf klare Normen, eine Gewissensentscheidung ist ihnen zu vieldeutig.