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Katholische Kirche und Mafia
Keine Messe für die "Bestie"

Italienische Medien nannten ihn die "Bestie" - den Mafia-Boss Salvatore "Totò" Riina. Er starb Mitte November im Alter von 87 Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis. Ein kirchliches Begräbnis verwehrte die katholische Kirche dem "Boss der Bosse" jedoch. Aus Sicht der Mafia ist Papst Franziskus schuld.

Von Thomas Migge |
    Gibt immer noch aus dem Gefängnis Mordaufträge: Mafiaboss Toto Riina, hier bei seinem Prozess 1995.
    Der Mafiaboss "Totò" Riina hat die letzten Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht (imago/stock&people)
    "Für uns hier war Totò Riina immer ein Gentleman! Er konnte niemandem etwas zu leide tun. Niemandem!"
    Und deshalb, meint dieser alte Mann aus der sizilianischen Kleinstadt Corleone, sei es unbegreiflich, dass die katholische Kirche Totò Riina bei seinem letzten Gang allein gelassen habe.
    "Auch er verdient doch Respekt, auch seitens der Kirche! Er war doch ein Mensch wie jeder andere auch. Sicher, er hat sich versündigt, aber eine richtige Bestattung hätte er doch verdient," meint dieser junge Mann. Auch er findet es unglaublich, dass die Kirche den, Zitat, "berühmtesten" Mitbürger Corleones ohne den Segen der Kirche bestatten ließ.
    "Man kann nicht Christ und Mafioso sein"
    Totò Riina war berühmt-berüchtigt - vielleicht sogar der berühmteste Mafiaboss Italiens. Der Boss der Bosse, wie ihn die Medien nannten. 17 Jahre auf der Flucht vor der Polizei und viele Jahre, bis zu seinem Tod, in Einzelhaft. Direkt nach seinem Tod erklärte die katholische Kirche, Riina sei als Mafiaboss a priori exkommuniziert, eine offizielle Bestattung mit einem Geistlichen sei deshalb unmöglich. Michele Pennisi ist Erzbischof von Monreale auf Sizilien. Er begründet die Entscheidung so:
    "Man kann nicht gleichzeitig Christ und Mafioso sein. Wer einen Verhaltenskodex hat, der total dem eines Christen widerspricht, kann keinen Segen der Kirche erwarten. Wir als Kirche werden für diese Position auch scharf kritisiert - mit der Begründung, alle Menschen seien Kinder Gottes. Was ja auch stimmt, aber dann muss man sich auch ein wenig wie ein Kind Gottes verhalten."
    Bei der Beisetzung Riinas auf dem Friedhof von Corleone Ende vergangener Woche waren nur seine Witwe und seine Kinder anwesend; und dazu ein Heer von Journalisten und Kameraleuten. Als der Sarg in das Grab gelassen wurde, unter einer eineinhalb Meter großen Skulptur eines Engels, war kein katholischer Priester anwesend. Dafür aber viele Bürger Corleones, die ihrem Boss die letzte Ehre erweisen wollten.
    "Sie sind exkommuniziert!"
    Papst Franziskus ist der erste Papst, der entschieden Mafiabosse und Mitglieder der Clans aus der Kirchengemeinschaft ausschließt. Anlässlich seines Besuchs in der süditalienischen Region Kalabrien, der Hochburg der sogenannten 'Ndrangheta-Mafia, sagte er im Jahr 2014:
    "Diejenigen, die in ihrem Leben dieser Straße des Bösen folgen, die Mafiosi, sind nicht Teil der Gemeinschaft Gottes. Sie sind exkommuniziert!"
    Klare Worte. Doch aus dem Vatikan kommen danach keine ebenso klaren und konkreten Anweisungen, wie der Klerus fortan mit den Angehörigen der organisierten Kriminalität umzugehen habe. Die meisten Bischöfe in jenen Regionen, in denen die Mafia präsent ist - in Apulien, Kalabrien, der Campagna und auf Sizilien - untersagen ab sofort die Präsenz von Klerikern bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen von Personen, die nachweislich der organisierten Kriminalität angehören - oder in diesem Ruf stehen. Doch nicht alle Geistlichen halten sich an entsprechende Vorgaben ihrer Diözesen.
    Nicht wenige süditalienische Geistliche erlauben immer noch religiöse Prozessionen, bei denen abzusehen ist, dass Madonnen- und Heiligenskulpturen vor den Wohnhäusern prominenter Bosse Halt machen, um diesen so Ehre zu erweisen. Wie etwa im vergangenen Sommer im sizilianischen Paternò. Dort wurde die Figur der Heiligen Barbara, getragen von acht Männern, minutenlang vor dem Wohnhaus des Clans Santapaola abgesetzt, um die einflussreiche kriminelle Familie zu ehren.
    Die Haltung des Papstes ist umstritten
    Es scheint Süditaliens Bischöfen nicht zu gelingen, den gesamten Klerus auf Linie zu bringen - und auch nicht die Laienbruderschaften, die Siziliens Prozessionen mit Madonnen und Stadtpatronen organisieren. Was fehlt sind eindeutige Anweisungen. Deshalb bleibe ihnen nichts anderes übrig, als von Fall zu Fall zu entscheiden, sagen viele süditalienische Geistliche. Wer so argumentiere, schimpft Cosimo Scordato, der stecke mit der Mafia unter einer Decke. Scordato kämpft in Palermo seit rund 30 Jahren gegen die Mafia im Stadtviertel Bagheria. Für ihn ist die von Papst Franziskus ausgesprochene Exkommunizierung der Mafia eine unmissverständliche Anweisung an alle Geistlichen:
    "Jeder, der mit der Mafia zu tun hat, darf keine Kirche betreten, hat keinen Anspruch auf die Sakramente, also keine Taufen, darf nicht Taufpate sein. Damit ist doch alles klar!"
    Eine klare Stimme - in einem Süditalien, wo andere Seelsorger andere Akzente setzen. Auch wenn sie es nicht offen sagen: Viele sehen auch im Mafioso einen Gläubigen, dem die Kirche in jeder Lebenslage zur Seite stehen müsse. Auch im Fall einer Bestattung. Solche Einstellungen sind gerade in Süditalien immer noch weitverbreitet. Deshalb begrüßt nur ein Teil des süditalienischen Klerus die klaren Worte von Papst Franziskus.