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'Katzenkaffee' Kopi Luwak
Etikettenschwindel beim teuersten Kaffee der Welt

"Kopi Luwak" gilt als teuerster Kaffee der Welt. Die Bohnen werden angeblich durch die Verdauung im Magen indonesischer Schleichkatzen veredelt. Deutsche Forscher halten das für einen Mythos - und brandmarken die Käfighaltung von Schleichkatzen als unnötige Tierquälerei.

Von Volker Mrasek | 19.08.2021
Ein Bauer füttert eine Schleichkatze mit Kirschen der Kaffeebohne. Durch die Fermentierung im Darm des Tieres soll angeblich die Kaffeebohne veredelt werden. Das Kilo kostete 2010 schon 444 US-Dollar.
Ein Bauer füttert eine Schleichkatze mit Kirschen von Kaffeesträuchern - nach der Verdauung im Magentrakt des Tieres sollen die Bohnen angeblich für den Kaffeetrinker veredelt sein. (EPA/Bagus Indahono)
Ja! Hier wird Kaffee frisch gemahlen! Und nein! Dies ist keine Espresso-Bar, sondern der Verkostungsraum im Kaffee-Konsulat in Mannheim. Hinter dem ungewöhnlichen Namen verbirgt sich eine Forschungs- und Ausbildungsstätte für alles, was mit den schwarzen Bohnen zu tun hat:
"Jetzt wird der Kaffee aufgebrüht, wir nehmen jetzt heißes Wasser. Und haben dann einen trinkfertigen Kaffee."
"Ich rühr' jetzt hier einmal um."
"So! Der ist jetzt schön leicht und fruchtig und beerig."
"Mit einem sehr abgerundeten Mundgefühl, würde ich sagen."
Steffen Schwarz und Dirk Lachenmeier treffen sich nicht von ungefähr im Kaffee-Konsulat. Schwarz leitet das Institut, Lachenmeier ist Lebensmittelchemiker im Untersuchungsamt Karlsruhe. Gemeinsam haben sie jüngst einen Kommentar für das Fachjournal Foods verfasst, der mächtig Zündstoff enthält. Darin stellt das Duo nämlich die These auf, hinter dem teuersten Kaffee der Welt stecke ein großer Bluff.
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Der teuerste Kaffe der Welt

Es geht um Kopi Luwak aus Indonesien. Steffen Schwarz war selbst schon dort:
"Kopi ist das indonesische Wort für Kaffee. Und Luwak die Bezeichnung für die Schleichkatze."
Fleckenmusang heißt sie auch, ist in etwa so groß wie eine Hauskatze und frisst gerne Früchte, darunter auch die Kirschen von Kaffeesträuchern:
"Also, das ist der Kaffee, der durch die Schleichkatze hindurchgegangen ist. Durch dieses Kuriose - von einem Tier gefressen und wieder ausgeschieden - eben ganz besonders teuer und gehypt."
Bei der Passage durch den Verdauungstrakt sollen die Kirschkerne auf besondere Weise fermentiert werden. Deshalb schmeckt Kaffee aus den Bohnen im Katzenkot angeblich so einzigartig:
"Ist natürlich, wenn es im Magen eines Tieres fermentiert wurde, eine tolle Story!"
Nur hält sie der Mannheimer Kaffeeexperte und ausgebildete Mediziner für Unfug, wie er frei heraus sagt. Die Bohnen seien schließlich von einer festen Hornschale umgeben, die sie schütze:

Schale schützt Kaffeebohne - auch vor Verdauungssäften

"Das sieht die Biologie so vor, weil ja Früchte gegessen werden von Tieren. Und wenn die dann nicht mehr keimfähig wären oder verändert wären durch Verdauungsenzyme oder Verdauungssäuren – das ist schon Quatsch! Also werden dort keine großen Veränderungen stattfinden, das ist völlig logisch."
Schwarz und Lachenmeier haben eine ganz andere Theorie, was Kopi Luwak so schmackhaft machen könnte:
"Wenn die Katze frei lebt, die Schleichkatze, dann wird sie sich natürlich immer nur die optimal reifen Kirschen pflücken. Und dann über diese Selektion einen besonderen Geschmack erzielen."
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Aber das ist noch nicht alles:
"Dann haben wir jetzt hier den Liberica. Der Liberica, den wir ja für die geheime Zutat des Luwak halten, des Kopi Luwak."
"Ein sehr schön abgerundeter Kaffee."
"Aber unwahrscheinlich süß! Es fehlt die normale erlernte Bitterkeit im Kaffee. Er kriegt schon so eine ganz leichte Frischkäse-Note, was man ja normalerweise im Kaffee nicht vermuten würde."
Coffea Liberica – ein Kaffee, den kaum jemand kennt. Auf dem Weltmarkt führt die exotische Sorte ein Schattendasein. Es dominieren Arabica und Robusta. Aber der indonesische Fleckenmusang fliegt auf die zuckerreichen Liberica-Kirschen, die es dort gibt. Und das ist für Steffen Schwarz das wahre Geheimnis von Kopi Luwak:

Schleichkatze bevorzugt die Sorte "Liberica"

"Wenn man auch 'mal so ein paar Häufchen untersucht, ich hab' das auch 'mal ein bisschen auseinander klabüstert, dann ist da immer ein Liberica-Anteil drin von ungefähr zehn Prozent, 15 Prozent – je nachdem, wieviel er eben davon bekommt."
Sein exotisches Aroma erhält Kopi Luwak demnach durch die Vorliebe der Schleichkatzen für eine Kaffeesorte, die uns fremd ist. Und nicht durch eine Veredelung der Bohnen im Verdauungstrakt der Tiere:
"Dieser verdaute Kaffee ist eben unverdauter Liberica – selbst wenn er durch den Magen des Tiers durchgegangen ist."
Es sei nicht etwa so, dass keine Untersuchungen über Kopi Luwak vorlägen, sagt Dirk Lachenmeier, aber:
"Das Problem mit diesen Studien ist, dass immer quasi die Kontrollgruppe, mit der dieser Kaffee verglichen wurde, falsch war. Wenn man einen indonesischen Liberica mit einem brasilianischen Arabica vergleicht, ist klar, dass es da einen Unterschied gibt. Aber das hat jetzt nichts damit zu tun, dass der irgendwie durch einen Tiermagen gegangen ist."
300 Euro pro Kilo – so viel kostet Kopi Luwak laut dem Lebensmittelchemiker. Wer den Kaffee 'mal probieren möchte, muss also tief in die Tasche greifen.
Auf fast allen Tüten steht, die Bohnen stammten von wilden Schleichkatzen. Doch alle freilebenden Tiere zusammen liefern vermutlich nur um die 300 Kilogramm Kopi Luwak pro Jahr, moniert Steffen Schwarz:

Kopi Luwak - ein Etikettenschwindel

"Es gibt mittlerweile Tonnen aus Käfighaltung. Weil es eben so stark nachgefragt wird, werden jetzt eben Luwaks in Käfigen gehalten."
Tierschützer fordern immer lauter das Ende dieser Quälerei. Dirk Lachenmeier hält sie erst recht für inakzeptabel. Denn die Argumente, mit denen Kopi Luwak vermarktet wird, seien in Wahrheit ein Etikettenschwindel:
"Also letztlich prangern wir diese Art von Kaffee generell an, weil das überhaupt nicht nötig ist."