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Kauder bescheinigt Merkel "gute Arbeit als Bundeskanzlerin"

Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist sicher, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Wahlen im September eine neue Regierung bilden kann. Es werde für eine bürgerliche Mehrheit mit der FDP reichen, zeigte sich Kauder überzeugt. Mit Blick auf Kritiker in den eigenen Reihen forderte Kauder mehr Zurückhaltung.

Volker Kauder im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Immer turbulenter geht es zu bei CDU und CSU. In der Kritik steht der Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Vorwurf, die Werte der Partei seien nicht klar genug zu erkennen. Ein Vorwurf, den die Kritiker seit der vergangenen Woche auch noch mit Zahlen untermauern können. Infratest dimap sieht die Union bei der Sonntagsfrage nur noch bei 32 Prozent. Aus der CSU bläst der Kanzlerin darum scharfer Gegenwind ins Gesicht, etwa von CSU-Landesgruppenchef Ramsauer, der eine härtere Gangart gegenüber der CDU ankündigte und den konservativen Kern der Union beschwört, und vom CSU-Europakandidaten Markus Ferber.

    O-Ton Markus Ferber: Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu einer Entfremdung zwischen traditionellen Wählerschichten der Union und der Union selber kommt. Das sind natürlich kirchliche Kreise, das sind die Mittelständler, das sind die Vertriebenen, die bisher treu an der Seite der Union gestanden sind.

    Schulz: Aber dieses Mal kommen die Angriffe nicht nur aus der Schwesterpartei; der brandenburgische Innenminister Schönbohm mahnte an, die Kanzlerin der Großen Koalition müsse auch klar machen, dass sie als Parteivorsitzende manche Dinge auch anders machen werde, und der CDU-Abgeordnete Willy Wimmer wirft Angela Merkel in der "Leipziger Volkszeitung" von heute vor, sie habe einseitig das Koordinatensystem der CDU verändert.

    Wie tief steckt die Union im Richtungsstreit? - Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Volker Kauder.

    Volker Kauder: Guten Morgen!

    Schulz: Der Berliner Landesvorsitzende Henkel sagt, die Menschen müssten wieder in wenigen Sätzen erklären können, wofür die CDU eigentlich steht. Können Sie es in zwei Sätzen?

    Kauder: Die CDU steht für die soziale Marktwirtschaft und die CDU steht für eine Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes.

    Schulz: Und wie macht das Angela Merkel an ihrem Kurs deutlich?

    Kauder: Angela Merkel macht deutlich, dass die soziale Marktwirtschaft gilt, indem sie klar und eindeutig sagt, wir haben ein Programm entwickelt, ein Konjunkturprogramm, mit dem wir zunächst einmal systemische Risiken, die für unsere ganze Gesellschaft notwendig sind, nämlich unsere Banken, schützen - das ist Kernbestand sozialer Marktwirtschaft -, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.

    Und sie sagt darüber hinaus, in einem Teil II eines Konjunkturprogrammes spannen wir einen Schutzschirm und geben den Betrieben, die eine Liquiditätsproblematik haben (wegen der Finanzkrise und Wirtschaftskrise), Bürgschaften. Das sind Instrumente, die wir in der Union kennen. In fast allen Bundesländern, ich würde sagen in allen Bundesländern haben CDU-geführte Landesregierungen Bürgschaften ausgegeben, geben sie es heute noch aus, klarer Kurs also. Dort, wo es darum geht, unser System für die Wirtschaft, nämlich die Banken zu stützen, dort haben wir ein Programm entwickelt. Auch bei den Landesbanken werden ja öffentliche Mittel hineingegeben. Und bei der Wirtschaft geben wir Bürgschaften, und das ist genau das System der sozialen Marktwirtschaft.

    Schulz: Und dieser klare Kurs, diese klare Bekennung zur sozialen Marktwirtschaft heißt dann auch im Fall Opel, dass es keine staatliche Unterstützung geben wird?

    Kauder: Es gibt eine klare Aussage, dass die Firma Opel ein Konzept vorlegen muss, das eine Zukunftsperspektive beinhaltet. Das steht auch schon in den Richtlinien für das Konjunkturprogramm II drin. Wir haben dafür ein System entwickelt mit Bürgschaften, Krediten über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die andere auch bekommen, aber zunächst einmal geht es bei der Firma Opel darum, dass ein Konzept vorgelegt wird.

    Was mich ein bisschen an der Diskussion wundert - und das ist auch etwas, was ich den Sozialdemokraten zum Vorwurf mache -, sie rennen jetzt durchs Land und erwecken den Eindruck, als ob sie schon beschlossen hätten, Milliarden Steuermittel für Opel zu geben. Dabei ist noch überhaupt nicht klar, ob der Eigentümer bereit ist, Opel überhaupt herauszugeben. Wenn Opel als die große Perle des Konzerns gilt, dann werden natürlich Gläubiger in Amerika doch sehr genau darauf schauen, ob diese Perle im Falle eines Zusammenbruchs von GM einfach so abgegeben werden kann. Also es finden hier virtuelle Diskussionen statt.

    Schulz: Herr Kauder, aber noch mal der Blick aufs Grundsätzliche. Wenn es so ist, dass Opel ein Konzept für ein Überleben des Unternehmens vorlegt, warum muss dann der Staat überhaupt in die Bresche springen?

    Kauder: Ich habe immer darauf hingewiesen, dass der Staat nur eingreifen kann im Rahmen des beschlossenen Konjunkturpaketes, wo wir Überbrückungshilfe leisten müssen. Das machen wir bei mittelständischen Firmen auch, wo die Liquidität im Augenblick nicht ausreicht, wo wir dann durch Bürgschaften absichern. Aber im Augenblick geht es ja darum, den Menschen, die bei Opel beschäftigt sind, zu sagen, das was der Staat machen kann tut er, aber darüber hinaus geht es nicht und wir können auf gar keinen Fall in eine Firma Geld hineingeben, die keine Perspektive entwickelt. Was bisher vorgelegt worden ist, ist ja irgendwo symptomatisch für die Firma Opel. Es reicht nämlich hinten und vorne nicht aus.

    Schulz: Wenn wir den Blick vom Fall Opel lösen, wir haben ja noch ein paar andere Themen, nämlich konkret die Kritik an Bundeskanzlerin Merkel. Sie haben gerade gesagt, Angela Merkel stehe für den Kurs der CDU, für den konservativen Kurs der CDU. Diesen Kurs hat sie auch dadurch untermauert, dass sie den Vatikan gescholten hat und Erika Steinbach, die Präsidentin des Vertriebenenverbandes, keine Rückendeckung bekommen hat von ihr?

    Kauder: Zunächst einmal kann man gar nicht formulieren, dass man für einen konservativen Kurs steht. Die Union ist große Volkspartei.

    Schulz: Angela Merkel steht nicht für einen konservativen Kurs?

    Kauder: Die Union - ich habe nicht gesagt Angela Merkel - ich habe gesagt, die Union ist die große Volkspartei mit drei klassischen Wurzeln, der christlichen, der liberalen und der konservativen. Alle drei müssen vorkommen und sie kommen bei uns ja auch vor. Ich glaube, das Grundproblem, das wir im Augenblick haben, ist, dass all diejenigen, die sich öffentlich äußern, mehr die Politik der Union erklären sollten, was im Augenblick geschieht, den Menschen erklären sollten, was wir machen, als ständig mit irgendwelchen Mahnungen, Warnungen an die Öffentlichkeit zu treten. Es gibt, wenn einer etwas sagen will, wenn einem etwas nicht passt, ein Telefon, das man in die Hand nehmen kann, wo man sagen kann was geschieht. Ich erlebe bei meinen vielen Begegnungen Abend für Abend, dass die Menschen einen unheimlichen Bedarf auch in der Partei haben, dass erklärt wird was wir tun. Da müssen alle mithelfen, das kann nicht nur die Bundeskanzlerin alleine machen. Deswegen würde ich mir wünschen, dass von den öffentlichen Äußerungen, wie ich sie jeden Tag höre, mehr erklärend wären.

    Schulz: Ja, Herr Kauder. Sie haben jetzt ja auch die Chance, uns einige Dinge zu erklären, und zwar zum Beispiel die Frage, wie das C wie christlich mit der schroffen Kritik Angela Merkels am Vatikan zusammenpasst?

    Kauder: Es gibt überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der Papst und die Katholische Kirche eine ganz klare Position zum Holocaust haben. Papst Benedikt hat dies mehrfach erklärt, er hat es auch gezeigt mit seinem Besuch im Konzentrationslager, mit seinen Formulierungen. Aber eines ist auch klar: Diskussionen, die in der Kirche stattfinden zu gesellschaftspolitischen Themen, führen natürlich auch zu Diskussionen gerade in einer Partei, die das C im Namen trägt. Da nehmen wir natürlich als christliche Demokraten die Positionen der Kirchen sehr ernst. Mich hat aber natürlich auch bedrückt, dass wir bei der Stammzellfrage keine einheitliche Position der Katholischen und der Evangelischen Kirche hatten, und deswegen eine hilfreiche christliche Weisung in dieser Frage auch nicht ganz einfach war. Ich muss noch einmal betonen: Wir sind eine große Volkspartei, in der Katholiken, in der Protestanten, in der auch Konfessionslose zusammenarbeiten, und da kann es schon einmal auch unterschiedliche Auffassungen geben. Aber eines ist klar und darauf kann sich jeder verlassen: Wer wirklich will, dass christliche Werte in der Politik eine bedeutende Rolle spielen, der ist bei der Union zu Hause.

    Schulz: Aber wenn es so unterschiedliche Meinungen gibt, dann verstehe ich nicht, warum in der Debatte, die wir in den letzten Tagen verfolgt haben, es eigentlich niemanden, so gut wie niemanden gibt, der Angela Merkel den Rücken stärkt.

    Kauder: Ich betone immer wieder, dass wir in einer Situation sind, in der es darauf ankommt, dass die Menschen Vertrauen haben können, und in Angela Merkel können sie Vertrauen haben. Sie hat sich nicht treiben lassen, als alle geschrien haben, es müssen die Milliarden nur so rausgeschmissen werden, schaut auf die Engländer, schaut auf die Franzosen. Auch unsere Medien haben sich nicht darin überbieten können, was noch alles getan werden muss. Angela Merkel hat Kritik ertragen, "Madam No" ist sie gescholten worden, und das Ergebnis eines ruhigen, klugen Abwägens gibt ihr Recht. Schauen Sie mal die Haushalte der Engländer und die Wirtschaftslage in England und in Frankreich an. Die Deutschen stehen besser da als alle anderen. Also manchmal wird sehr vorschnell aus einer spontanen Situation heraus Kritik geübt, und nachher stellt sich doch heraus, dass es richtig ist, klug und weise abzuwägen. Ich kann nur sagen, ...

    Schulz: Das ist aber keine Erklärung dafür, Herr Kauder, dass die Stimmen, die wir in den letzten Tagen gehört haben, eigentlich alle in eine Richtung weisen.

    Kauder: Ja, das ist ja auch richtig und es ist ja auch wahr, dass da entsprechend auch aus der eigenen Partei heraus Äußerungen gekommen sind. Manche kann ich nicht nachvollziehen. Manche beziehen sich auch darauf, will ich auch mal sagen, wenn beispielsweise Wolfgang Schäuble sagt, wir haben in unserer Republik Instrumente, die eben Firmen nicht vernichten, sondern ihnen helfen, Insolvenzrecht, dann geht natürlich sofort eine große Diskussion von denen los, in denen Standorte von Opel sind. Da werden dann natürlich die Interessen eines einzelnen Bundeslandes vertreten. Diese Diskussionen sind nicht hilfreich, aber in einer Partei - da hat die SPD das Problem nicht -, wir haben elf Ministerpräsidenten mit einem starken Gewicht, auch was Landesinteressen anlangt. Bei der SPD ist das nicht der Fall. Und eines ist auch klar: Die SPD scheint im Augenblick ganz gut dazustehen, aber trotz Müntefering ist sie aus dem 20-Prozent-Loch nicht herausgekommen.

    Schulz: Herr Kauder, wir sprechen jetzt aber im Moment über Ihre Umfrageergebnisse und konkret blicken wir auch auf die Bundestagswahl im September. Wenn es für eine Mehrheit, Herr Kauder, bei der Bundestagswahl für schwarz/gelb nicht reichen sollte, bleibt Angela Merkel dann Parteivorsitzende?

    Kauder: Ich sage Ihnen, es reicht für eine Mehrheit von schwarz/gelb, für eine bürgerliche Koalition. Die Menschen spüren, dass es jetzt darauf ankommt, mit Kompetenz durch diese Wirtschaftskrise zu kommen. Da sind nicht sozialistische Umverteiler gefragt, sondern die Regierungsführung unter Angela Merkel und zusammen mit der FDP, die einen klaren Kurs hat. Ich sehe die Diskussionen sehr wohl. Ich sehe auch, dass wir in den Meinungsumfragen noch nicht so dastehen, wie wir dastehen sollten. Im ZDF sind andere Werte. Es gibt also noch viel zu tun in den nächsten sechs Monaten, das ist richtig, und daran sollten sich nun alle in der Union beteiligen. Wir wollen dem Land eine noch bessere Regierung stellen als jetzt, und darauf müssen wir uns konzentrieren. Wenn dies alle beherzigen in unserer Partei, dann kommen wir auch wieder voran.

    Schulz: Ab welcher Marke ist Angela Merkel nicht mehr zu halten?

    Kauder: Angela Merkel ist die gewählte Parteivorsitzende. Sie macht eine gute Arbeit als Bundeskanzlerin und sie wird nach dem September in einer neuen Regierungskoalition ihre zweite Regierung bilden können. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

    Schulz: Darauf geben Sie uns Ihr Wort, unabhängig vom Wahlergebnis?

    Kauder: Wissen Sie, Wahlergebnisse entscheiden natürlich darüber, ob eine Regierung gebildet werden kann. Jetzt haben wir alle unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir ein gutes Wahlergebnis bekommen. Ich brauche mir darüber keine Gedanken zu machen, was passiert wenn. Das sind spekulative Fragen, mit denen die Menschen im Augenblick auch nichts anfangen können. Ich habe eine klare Vorstellung. Wir werden den Menschen sagen, wie wir uns vorstellen, mit der FDP zusammen das Land aus dieser Krise zu führen, und dann, bin ich sicher, werden wir auch das Vertrauen bekommen.

    Schulz: Das war eine klare Antwort vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke schön!