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Kaufgeschäfte auf kubanischem Prachtboulevard

Was lange verboten war, ist seitdem Raúl Castro einen vorsichtigen Reformkurs einschlägt, in Kuba wieder erlaubt: Die Kubaner dürfen kaufen und verkaufen. Auf dem Prado in Havanna bieten sie Gebrauchtwagen, Wohnungen sowie kleine und große Häuser an.

Von Hennig von Löwis | 03.07.2013
    Ungewohnte Töne auf Havannas Flaniermeile Prado, die vom Parque Central bis ans Meer führt - bis zum berühmten Malecón. Paseo del Prado No. 309. Ein prächtiger Palast mit dem für die kubanische Hauptstadt so typischen Soportal, dem Schatten spendenden Säulenvorbau. Zwischen wuchtigen Säulen in Kübeln gepflanzte Palmen. Auf dem Balkon im ersten Stock ein Dudelsackspieler, der die Blicke der Passanten auf sich zieht. Ein Schotte in Havanna?

    Weit gefehlt! In diesem Gebäude befinde sich ja das Centro Asturiano, das asturische Zentrum, bemerkt einer der Umstehenden. Er sei Historiker, sagt der Mann und bietet eine Führung durch Havannas Altstadt an.

    Nur ein paar Schritte entfernt, direkt vor dem Palast der Asturier, ein besonderer Blickfang: ein knallgelber Käfer. Ein dunkelhäutiger Kubaner ist gerade dabei, den Volkswagen auf Hochglanz zu polieren. Bei einer Temperatur von über 30 Grad ein schweißtreibendes Unterfangen. Auf den hinteren Seitenscheiben des Wagens ein weißer Zettel: Se vende, zu verkaufen.

    Was soll denn der Käfer kosten? Der Kubaner mit dem Putzlappen in der Hand verweist an den Besitzer, der auch gleich zur Stelle ist.

    8000 CUC. Konvertierbare kubanische Pesos, was 8000 US-Dollar entspricht.

    Nicht gerade billig! Aber das sei ja auch ein Klassiker - dieser Käfer Baujahr '59, betont der Besitzer. So alt sieht der Wagen nicht aus. Mittlerweile strahlt er so, dass sich ein Stück historisches Havanna in ihm spiegelt.

    Am Prado mangelt es nicht an Ruinen, Halb-Ruinen und mehr oder minder heruntergekommenen Häusern, aber hier ist auch noch etwas vom Glanz vergangener Tage zu spüren.

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Prado zu dem Prachtboulevard Havannas umgestaltet worden: links und rechts jeweils zwei Spuren für den Autoverkehr, dazwischen eine breite baumbestandene Promenade mit Marmorbänken, bewacht von imposanten Bronzelöwen. Am Prado errichteten wohlhabende Habaneros Vorzeigehäuser - kleine und große Paläste, reich verziert mit Ornamenten. Hier wurden die neuesten Nobelkarossen Made in Detroit vorgeführt.

    Prado arriba – Prado abajo, lautete die Devise – den Boulevard rauf und runter, runter und rauf – und das immer wieder.
    Der Prado, der eigentlich Paseo José Marti heißt, entwickelte sich zu Havannas Laufsteg par excellence. Und das ist er bis heute geblieben.

    Morgens kurz nach neun. Schüler laufen sich warm, angefeuert von ihren Lehrern. Jungs jagen einem Fußball hinterher, Mädchen fangen Tennisbälle auf. Der Prado als idealer Sport- und Spielplatz. Alle Schulen im Umkreis wissen das zu schätzen, nutzen die Flaniermeile für Leibesübungen unter freiem Himmel.

    Drei Stunden später. Auf den Bänken am nördlichen Ende des Prado ist kein Platz frei. Dicht gedrängt neben einem der großen Bronzelöwen: Gruppen von Männern und Frauen, in lebhafte Gespräche verwickelt. Viele führen selbst gemalte Schilder mit sich:

    "Zweizimmerwohnung in Cojimar – en buen estado – in gutem Zustand – 11.000 CUC."

    "Wohnung in Bahía, 3 Zimmer, Bad, Balkon und Terrasse – Bestzustand – 14.000 CUC."
    Seit Jahren ist der Prado Bolsa de permutas die Tauschbörse für Wohnungen. Wer von der Satellitenstadt Alamar zurück ins Zentrum Havannas möchte, wer der engen und stickigen Altstadt entrinnen will und eine Bleibe am Stadtrand sucht, der macht sein Ansinnen hier publik – in der Hoffnung einen Tauschpartner zu finden.

    Jahrzehntelang konnte man lediglich tauschen. Seitdem Raúl Castro in der Wirtschaft einen vorsichtigen Reformkurs steuert und die Parole ausgab, die selbständig Erwerbstätigen dürften nicht länger verteufelt werden, sind für Kleinunternehmer bessere Zeiten angebrochen.

    Was lange verboten war, ist wieder erlaubt. Die Kubaner dürfen kaufen und verkaufen - nicht nur gelbe Käfer und Gebrauchtwagen, sondern auch Wohnungen, kleine und große Häuser.

    Pablo, sportlicher Mitdreißiger, weiße Baseballkappe, T-Shirt mit dem Konterfei Che Guevaras, am Handgelenk ein nicht zu übersehendes Chronometer, blättert in einem Stapel von Papieren. Er hat alle Hände voll zu tun. Die Bank, auf der er sich mit seinen Unterlagen ausgebreitet hat, ist dicht umlagert von Kubanern, die Wohneigentum erwerben oder veräußern möchten.

    Pablo vertritt die Agentur Habana-Yunior und die verheißt auf einem Werbeplakat: Seriosität und Zuverlässigkeit. Und das 24 Horas, also rund um die Uhr. Nach dem Motto: Si tiempo es oro. Ihre Zeit ist Gold wert. Sie haben Anspruch auf einen guten Service.

    Ein Mann möchte seinen Wohnsitz von Matanzas nach Havanna verlegen.

    Ein anderer hat die Reise von Camaguey im Osten gemacht, um sich hier nach einem Dach über dem Kopf umzusehen.

    An einen Laternenpfahl gelehnt: eine elegante nicht mehr ganz junge Lady in red, rotes Minikostüm, dazu passendes Stirnband, Sonnenbrille. Die Dame möchte ein Haus in Marianao verkaufen.

    Viele wollen nach wie vor tauschen, verfügen nicht über das nötige Kapital um Wohneigentum zu erwerben.

    Heiß begehrt: Immobilien in der Hauptstadt. Der Wohnungsmarkt boomt wie nie zuvor in Havanna. Und Pablo profitiert davon. Seine Geschäfte gehen offensichtlich gut. Deutsche und andere Ausländer dürften leider keine Immobilien kaufen, bemerkt der kubanische Business man. Aber das werde sich sicher bald ändern. Und außerdem gäbe es ja Mittel und Wege, um dieses Problem elegant zu lösen.

    So habe ein bekannter Künstler aus Europa kürzlich eine schöne Wohnung nur einen Steinwurf entfernt vom Kapitol gekauft und es damit nicht bewenden lassen. Zuvor hätte er im Hochzeitspalast hier am Prado eine Kubanerin geheiratet.
    PODIUM: Eine Kubanerin bietet auf dem Prado in Havanna ihre Wohnung zum Kauf an
    Eine Kubanerin bietet ihre Wohnung zum Kauf an (Henning von Löwis)