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Kaum Fortschritte bei energetischer Sanierung
Deutschland heizt die Straße mit

Noch immer wird in Deutschland sehr viel Energie zum Fenster hinaus geheizt. Das gefährdet die Klimaziele. Doch die Politik schafft zu wenige Anreize für die nachträgliche Wärmedämmung von älteren Häusern. Und Mieter fürchten saftige Mietaufschläge, wenn saniert wird.

Von Anja Nehls | 16.10.2017
    Ein Arbeiter sitzt auf einem Bau-Gerüst und montiert Styropor-Platten an einer Hausfassade.
    Ein Haus wird mit Styropor-Platten gedämmt. (Armin Weigel / dpa)
    Zahlen sollen alle Beteiligten und zwar der Besitzer der Immobilien, der Mieter und der Staat. Doch vor allem der Staat tut zu wenig, so der deutsche Mieterbund und die deutsche Umwelthilfe. Denn die energetische Sanierung der Gebäude ist unerlässlich, wenn die Bundesregierung ihre Klimaziele erreichen will.
    35 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie, wenden die Menschen für das Wohnen auf, den weitaus größten Teil davon als Heizenergie. Und bis 2050 sollen 80 Prozent der derzeit verwendeten Heizenergie eingespart werden. Der verbleibende Rest soll dann aus erneuerbaren Energien bestritten werden.
    Damit der Plan aufgeht, müssten allerdings die Hausbesitzer mitziehen und ihre Gebäude energetisch sanieren. Und das tun sie nur, wenn sich die teure energetische Sanierung rechnet. Ob sie sich rechnet, ist sehr vom Einzelfall abhängig und von den Arbeiten, die bei einem Gebäude in den kommenden Jahren ohnehin anstehen würden, sagt Barbara Metz von der deutschen Umwelthilfe.
    "Ab und zu muss natürlich die Fassade gemacht werden, dann lohnt es sich auch, die Dämmung anzugehen. Oder ich muss sowieso eine Heizung austauschen, weil sie schon alt ist und nicht mehr funktioniert, und dann muss sich mich natürlich informieren, welchen Austausch nehme ich da vor, also welche Heizung wähle ich, habe ich schon gedämmt oder habe ich nicht gedämmt."
    Investitionen rechnen sich erst nach Jahrzehnten
    Und dann müsse auch im Einzelfall entschieden werden, welche Maßnahmen für das jeweilige Gebäude sinnvoll sind.
    Ein Prozent der bestehenden Gebäude in Deutschland werden Schätzungen zufolge jährlich - in unterschiedlichem Ausmaß - energetisch saniert. Das Doppelte wäre aber nötig, um den Gebäudebestand bis 2050 auf dem geforderten Standard zu haben.
    Für die Hausbesitzer rechnet sich die Investition einerseits oft erst Jahrzehnte später, außerdem befürchten sie Ärger mit ihren Mietern, sagt Corinna Kodim vom Verband der Haus und Grundbesitzer:
    "Während ja vor Jahren Mieter noch gefordert haben, dass der Eigentümer modernisiert und Dämmung 'ranbringt, weil sie hätten ja so hohe Heizkosten. Das hat sich jetzt doch ins Gegenteil gekehrt. Viele Mieter fürchten, dass der Vermieter großartig modernisiert und dämmt und das dann auf die Kaltmiete umlegt und mittlerweile hat es sich rumgesprochen, dass sich das natürlich nicht rechnet in den Energiekosteneinsparungen, zumal ja die Energiepreise Gas und Öl momentan ja recht günstig sind."
    Und wie die sich entwickeln kann keiner voraussagen. Also profitieren im Moment hauptsächlich Wohnungseigentümer von den Einsparungen, weil sie 20, 30 Jahre in ihrem Haus wohnen bleiben. Mieter wohnen im Durchschnitt 8 bis 10 Jahre in ihrer Wohnung und haben diese Langzeitwirkung nicht, meint Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.
    Mieterbund: Mietsteigerungen wegen Modernisierung sollten auf 6 Prozent begrenzt werden
    Die Kosten für Mieter seien drei- bis viermal so hoch wie das was sie durch die energetische Sanierung einsparen können. Das muss ich ändern:
    "Energetische Modernisierung muss sein, nur sie muss sozialverträglich ausgestaltet werden und das bedeutet: Die Modernisierungsumlage an sich ist deutlich zu reduzieren. Derzeit kann der Vermieter elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen, das führt zu drastischen Mietsteigerungen. Wir fordern, dass die Mietsteigerungen begrenzt werden auf maximal sechs Prozent der Modernisierungskosten."
    Und darüber hinaus müsse die energetische Sanierung wirksamer öffentlich gefördert werden, meint Barbara Metz von der deutschen Umwelthilfe:
    "Dass ein Eigentümer zum Beispiel auch Anreize hat, sein Wohneigentum energetisch zu sanieren, auch wenn er das möglicherweise nicht in der Form auf die Miete umlegen kann, das heißt, dass Förderung dann möglicherweise dann auch wieder bei ihm verbleiben muss, dass es also für ihn einen Anreiz gibt, ich will meine Immobilie tatsächlich langfristig werterhaltend so ausstatten, dass sie auch in 30,40 Jahren noch bewohnbar ist."
    Auch jetzt hat die energetische Sanierung aber nur einen geringen Anteil an den gestiegenen Baukosten und nur fünf Prozent der Mietsteigerungen sei durch eine energetische Sanierung bedingt. Verdrängung von einkommensschwachen Mieterschichten habe andere Ursachen, zum Beispiel ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, so die Deutsche Umwelthilfe
    70 Prozent der Wohngebäude vor 1979 errichtet
    Etwa 70 Prozent der insgesamt 18 Millionen Wohngebäude in Deutschland sind vor 1979 errichtet worden, also zu einer Zeit als es noch keine hohen Anforderungen an den Wärmeschutz gab. Erst ein Viertel davon sind laut einer Untersuchung des Instituts Wohnen und Umwelt zufolge bereits modernisiert.
    Und laut einer Emnid Umfrage halten drei Viertel der befragten Hausbesitzer eine energetische Gebäudesanierung für das Gelingen der Energiewende für sinnvoll. 70 Prozent glauben, dass eine bessere Förderung für die Motivation von besonderer Bedeutung ist.