Christian Schütte: "Koch muss weg", lautete das Motto von SPD, Grünen und der Linken in Hessen. Das hat bekanntlich nicht geklappt. Im Gegenteil: Koch wird bleiben. So sagen es jedenfalls die aktuellen Umfragewerte voraus. Demnach gäbe es eine Mehrheit für schwarz-gelb. Neuwahlen sollen vermutlich am 18. Januar abgehalten werden.
Die SPD muss noch verkünden, wer ihr Spitzenkandidat sein soll beziehungsweise ob Andrea Ypsilanti noch einmal antritt. Die Landtagsfraktion der SPD hat am Vormittag in Wiesbaden erneut getagt.
Mitgehört hat Wahlforscher Matthias Jung. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Wahlen. Guten Tag, Herr Jung.
Matthias Jung: Einen schönen guten Tag.
Schütte: Die SPD in Hessen ist in aktuellen Umfragen deutlich abgerutscht, liegt bei etwa 27 Prozent. Das sind etwa zehn Prozentpunkte unterhalb des Ergebnisses der vergangenen Landtagswahl. Lohnt es sich überhaupt für die SPD, über Strategien nachzudenken? Wie es aussieht, steht sie auf verlorenem Posten und die Wahl scheint gelaufen.
Jung: Da muss man immer sehr vorsichtig sein. Bis zu der Wahl ist ja noch einige Zeit hin und mit Sicherheit wird der Stand in der Stimmung heute nicht das Wahlergebnis sein. Das sagt jetzt nicht unbedingt etwas darüber aus, wer denn dann die größeren Chancen hat, aber es ist dort noch viel möglich und selbstverständlich bleibt der SPD ja auch gar nichts anderes übrig, als eine Strategie für eine Wahl zu entwickeln, weil sie wird ja antreten müssen, mit wem auch immer.
Schütte: Kann die SPD noch mit Andrea Ypsilanti antreten?
Jung: Das muss natürlich die SPD zunächst mal selbst entscheiden.
Schütte: Aber es wäre schlau!
Jung: Na ja, es geht auch darum, dass man langfristig eine Perspektive entwickelt, und man kann diese Perspektive unter unterschiedlichen Aspekten entwickeln. Es gibt ja auch manche, die sagen, in der momentanen Situation bleibt gar nichts anderes übrig, als dass Frau Ypsilanti sozusagen jetzt den Schlusspunkt in einer Wahl suchen muss, damit man, wenn man denn verliert, anschließend mit einer neuen Person es aufbauen kann und man jetzt nicht wiederum in einer relativ aussichtslosen Situation einen neuen, vielleicht in der Zukunft aussichtsreichen Kandidaten oder eine Kandidatin zu verbrennen.
Schütte: Das heißt, Ihr Rat an die SPD wäre, sie sollte noch einmal mit Andrea Ypsilanti antreten und dann möglicherweise ein schlechtes Ergebnis einfahren?
Jung: Ich habe da gar keinen Rat zu erteilen und ob das ein schlechtes oder ein gutes Ergebnis wird, werden die Wähler entscheiden und je nachdem, was wir dann auch im Wahlkampf erleben werden. So sicher kann da eigentlich niemand sein. Gerade Hessen hat immer wieder gezeigt, dass auch innerhalb von kurzer Zeit sehr starke Veränderungen stattfinden können. Wir haben ja kein Land, in dem eine Union oder ein Ministerpräsident Koch sozusagen eine ererbte Mehrheit hat. Das haben wir ja gerade bei der letzten Landtagswahl erlebt.
Schütte: Manfred Schaub ist ja auch ein möglicher Kandidat. Das ist der stellvertretende Landesvorsitzende. Wir haben gerade schon - Sie haben es angedeutet - darüber gesprochen, ob man einen neuen Kandidaten so schnell aufbauen kann. Ist das möglich? Wäre das möglich mit Manfred Schaub, den ja auch in Hessen, ich will nicht sagen keiner kennt, aber der keine bekannte Figur ist?
Jung: Das ist wilde Spekulation, zum heutigen Zeitpunkt so etwas zu beurteilen. Wir werden ja auf jeden Fall, wenn es denn jetzt zur Neuwahl am 18. Januar kommt, einen ganz extrem kurzen Wahlkampf haben, weil ja die Ferien bis zum 10. Januar gehen und dann ist da mehr oder minder gerade eine ferienfreie Woche, die als heiße Wahlkampfphase zur Verfügung steht.
Davor ist Weihnachten. Da gibt es eigentlich für keine Partei ernsthafte Chancen, einen neuen unbekannten Kandidaten aufzubauen. Von daher ist das letztlich auch eine ganz unrealistische Option in dieser zeitlichen Konstellation.
Schütte: Mit welcher Botschaft, wenn wir einmal über Inhalte reden, könnten die Sozialdemokraten in Hessen noch Boden gut machen bis Januar?
Jung: Sie können ja eigentlich wie andere Parteien auch jetzt nicht mit einem neuen Programm auftauchen. Wenn das mit den alten Optionen nicht erfolgreich war, was die Wahl der Ministerpräsidentin anging, dann wäre es ja völlig unglaubwürdig, wenn man mit einem anderen Programm, was vielleicht auf andere Koalitionen abzielt, dort antreten würde. Von daher werden die Parteien ja auch gar keine Möglichkeit haben, neue inhaltliche Schwerpunkte zu setzen.
Schütte: Eine neue strategische Aussage der Hessen-SPD gibt es aber, nämlich dass sie bei der kommenden, der anstehenden Wahl keine Koalition ausschließen möchte, auch nicht mit der aus SPD-Sicht ja ungeliebten CDU. Wie glaubwürdig kann die SPD da auftreten?
Jung: Dass sie mit der vorherigen Aussage nicht glaubwürdig gewesen ist, ist ja sozusagen bewiesen worden und ich glaube, es werden auch alle Parteien - Ähnliches gilt auch für die FDP - nicht mehr mit einer solchen Entschiedenheit bestimmte Konstellationen ausschließen. Man wird ja auch nach dieser Wahl, wenn denn vielleicht wieder schwierige Mehrheitsverhältnisse entstehen, flexibler sein müssen zwischen den Parteien, weil noch mal das Ansetzen einer Neuwahl ist ja völlig undenkbar.
Schütte: Welche Partei profitiert möglicherweise bei der Wahl von der Schwäche der SPD?
Jung: Man hat ja auch vorher gesehen, als die SPD ein noch schlechteres Ergebnis hatte als beim letzten Mal, wo sie ja das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte Hessens erzielt hatte, wo andere Parteien erfolgreich sein können.
Es ist ganz einfach so, dass das Dilemma oder Trilemma eigentlich der SPD ja darin besteht, dass sie in einer Konkurrenz zur CDU, zur Linkspartei und zu den Grünen steht. Von daher kann jede dieser drei Gruppierungen natürlich bevorzugt Unzufriedene mit der SPD an sich ziehen. Die SPD nicht nur in Hessen hat ja das Probleme, dass sie auch in all diese drei Richtungen hauptsächlich Wähler verliert.
Schütte: Wenn wir über mögliche Konstellationen reden, dann ist die Frage: Wird Hessen schwarz-gelb, oder halten Sie eine andere Konstellation für wahrscheinlicher?
Jung: Es gibt natürlich schon eine gewisse Chance, dass schwarz-gelb eine Mehrheit nach der nächsten Wahl dann hat. Selbst unter den ungünstigen Bedingungen der letzten Landtagswahl hatte schwarz-gelb ja die Mehrheiten relativ knapp nur verfehlt. Das heißt, wenn sich CDU und FDP in der Größenordnung von zwei Prozent verbessern, dann reicht es ja auf jeden Fall für eine parlamentarische Mehrheit schon relativ sicher.
Aber wie gesagt: Veränderungen können auch in kurzer Zeit stattfinden und momentan haben wir natürlich eine sehr aufgeheizte Situation, die in ein paar Wochen durchaus schon wieder normalisiert werden kann und traditionellere Parteibindungen auch wieder eine stärkere Rolle spielen können.
Schütte: Roland Koch ist nicht gestürzt worden. Er hat bislang eigentlich nur zusehen müssen. Kann er noch etwas falsch machen bis zu den Neuwahlen?
Jung: Na ja, wie leicht es ist, etwas falsch zu machen, hat er eigentlich im letzten Wahlkampf gezeigt.
Schütte: Indem er eine unglückliche oder nicht gerade glückliche Kampagne gestartet hat. Aber was muss er jetzt tun?
Jung: Er wird natürlich gut beraten sein, eine Position zu vertreten, die signalisiert, dass er aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Es kommt natürlich auch günstig hinzu, dass sich die ökonomische Situation heute deutlich schlechter darstellt heute und dass damit auch ökonomische Themen, die das letzte Mal nicht so eine große Rolle gespielt haben und bei denen die CDU eigentlich besser dastehen, in Zukunft wieder an Bedeutung auch für die Wahlentscheidung gewinnen werden.
Schütte: Matthias Jung, Leiter der Forschungsgruppe Wahlen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Die SPD muss noch verkünden, wer ihr Spitzenkandidat sein soll beziehungsweise ob Andrea Ypsilanti noch einmal antritt. Die Landtagsfraktion der SPD hat am Vormittag in Wiesbaden erneut getagt.
Mitgehört hat Wahlforscher Matthias Jung. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Wahlen. Guten Tag, Herr Jung.
Matthias Jung: Einen schönen guten Tag.
Schütte: Die SPD in Hessen ist in aktuellen Umfragen deutlich abgerutscht, liegt bei etwa 27 Prozent. Das sind etwa zehn Prozentpunkte unterhalb des Ergebnisses der vergangenen Landtagswahl. Lohnt es sich überhaupt für die SPD, über Strategien nachzudenken? Wie es aussieht, steht sie auf verlorenem Posten und die Wahl scheint gelaufen.
Jung: Da muss man immer sehr vorsichtig sein. Bis zu der Wahl ist ja noch einige Zeit hin und mit Sicherheit wird der Stand in der Stimmung heute nicht das Wahlergebnis sein. Das sagt jetzt nicht unbedingt etwas darüber aus, wer denn dann die größeren Chancen hat, aber es ist dort noch viel möglich und selbstverständlich bleibt der SPD ja auch gar nichts anderes übrig, als eine Strategie für eine Wahl zu entwickeln, weil sie wird ja antreten müssen, mit wem auch immer.
Schütte: Kann die SPD noch mit Andrea Ypsilanti antreten?
Jung: Das muss natürlich die SPD zunächst mal selbst entscheiden.
Schütte: Aber es wäre schlau!
Jung: Na ja, es geht auch darum, dass man langfristig eine Perspektive entwickelt, und man kann diese Perspektive unter unterschiedlichen Aspekten entwickeln. Es gibt ja auch manche, die sagen, in der momentanen Situation bleibt gar nichts anderes übrig, als dass Frau Ypsilanti sozusagen jetzt den Schlusspunkt in einer Wahl suchen muss, damit man, wenn man denn verliert, anschließend mit einer neuen Person es aufbauen kann und man jetzt nicht wiederum in einer relativ aussichtslosen Situation einen neuen, vielleicht in der Zukunft aussichtsreichen Kandidaten oder eine Kandidatin zu verbrennen.
Schütte: Das heißt, Ihr Rat an die SPD wäre, sie sollte noch einmal mit Andrea Ypsilanti antreten und dann möglicherweise ein schlechtes Ergebnis einfahren?
Jung: Ich habe da gar keinen Rat zu erteilen und ob das ein schlechtes oder ein gutes Ergebnis wird, werden die Wähler entscheiden und je nachdem, was wir dann auch im Wahlkampf erleben werden. So sicher kann da eigentlich niemand sein. Gerade Hessen hat immer wieder gezeigt, dass auch innerhalb von kurzer Zeit sehr starke Veränderungen stattfinden können. Wir haben ja kein Land, in dem eine Union oder ein Ministerpräsident Koch sozusagen eine ererbte Mehrheit hat. Das haben wir ja gerade bei der letzten Landtagswahl erlebt.
Schütte: Manfred Schaub ist ja auch ein möglicher Kandidat. Das ist der stellvertretende Landesvorsitzende. Wir haben gerade schon - Sie haben es angedeutet - darüber gesprochen, ob man einen neuen Kandidaten so schnell aufbauen kann. Ist das möglich? Wäre das möglich mit Manfred Schaub, den ja auch in Hessen, ich will nicht sagen keiner kennt, aber der keine bekannte Figur ist?
Jung: Das ist wilde Spekulation, zum heutigen Zeitpunkt so etwas zu beurteilen. Wir werden ja auf jeden Fall, wenn es denn jetzt zur Neuwahl am 18. Januar kommt, einen ganz extrem kurzen Wahlkampf haben, weil ja die Ferien bis zum 10. Januar gehen und dann ist da mehr oder minder gerade eine ferienfreie Woche, die als heiße Wahlkampfphase zur Verfügung steht.
Davor ist Weihnachten. Da gibt es eigentlich für keine Partei ernsthafte Chancen, einen neuen unbekannten Kandidaten aufzubauen. Von daher ist das letztlich auch eine ganz unrealistische Option in dieser zeitlichen Konstellation.
Schütte: Mit welcher Botschaft, wenn wir einmal über Inhalte reden, könnten die Sozialdemokraten in Hessen noch Boden gut machen bis Januar?
Jung: Sie können ja eigentlich wie andere Parteien auch jetzt nicht mit einem neuen Programm auftauchen. Wenn das mit den alten Optionen nicht erfolgreich war, was die Wahl der Ministerpräsidentin anging, dann wäre es ja völlig unglaubwürdig, wenn man mit einem anderen Programm, was vielleicht auf andere Koalitionen abzielt, dort antreten würde. Von daher werden die Parteien ja auch gar keine Möglichkeit haben, neue inhaltliche Schwerpunkte zu setzen.
Schütte: Eine neue strategische Aussage der Hessen-SPD gibt es aber, nämlich dass sie bei der kommenden, der anstehenden Wahl keine Koalition ausschließen möchte, auch nicht mit der aus SPD-Sicht ja ungeliebten CDU. Wie glaubwürdig kann die SPD da auftreten?
Jung: Dass sie mit der vorherigen Aussage nicht glaubwürdig gewesen ist, ist ja sozusagen bewiesen worden und ich glaube, es werden auch alle Parteien - Ähnliches gilt auch für die FDP - nicht mehr mit einer solchen Entschiedenheit bestimmte Konstellationen ausschließen. Man wird ja auch nach dieser Wahl, wenn denn vielleicht wieder schwierige Mehrheitsverhältnisse entstehen, flexibler sein müssen zwischen den Parteien, weil noch mal das Ansetzen einer Neuwahl ist ja völlig undenkbar.
Schütte: Welche Partei profitiert möglicherweise bei der Wahl von der Schwäche der SPD?
Jung: Man hat ja auch vorher gesehen, als die SPD ein noch schlechteres Ergebnis hatte als beim letzten Mal, wo sie ja das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte Hessens erzielt hatte, wo andere Parteien erfolgreich sein können.
Es ist ganz einfach so, dass das Dilemma oder Trilemma eigentlich der SPD ja darin besteht, dass sie in einer Konkurrenz zur CDU, zur Linkspartei und zu den Grünen steht. Von daher kann jede dieser drei Gruppierungen natürlich bevorzugt Unzufriedene mit der SPD an sich ziehen. Die SPD nicht nur in Hessen hat ja das Probleme, dass sie auch in all diese drei Richtungen hauptsächlich Wähler verliert.
Schütte: Wenn wir über mögliche Konstellationen reden, dann ist die Frage: Wird Hessen schwarz-gelb, oder halten Sie eine andere Konstellation für wahrscheinlicher?
Jung: Es gibt natürlich schon eine gewisse Chance, dass schwarz-gelb eine Mehrheit nach der nächsten Wahl dann hat. Selbst unter den ungünstigen Bedingungen der letzten Landtagswahl hatte schwarz-gelb ja die Mehrheiten relativ knapp nur verfehlt. Das heißt, wenn sich CDU und FDP in der Größenordnung von zwei Prozent verbessern, dann reicht es ja auf jeden Fall für eine parlamentarische Mehrheit schon relativ sicher.
Aber wie gesagt: Veränderungen können auch in kurzer Zeit stattfinden und momentan haben wir natürlich eine sehr aufgeheizte Situation, die in ein paar Wochen durchaus schon wieder normalisiert werden kann und traditionellere Parteibindungen auch wieder eine stärkere Rolle spielen können.
Schütte: Roland Koch ist nicht gestürzt worden. Er hat bislang eigentlich nur zusehen müssen. Kann er noch etwas falsch machen bis zu den Neuwahlen?
Jung: Na ja, wie leicht es ist, etwas falsch zu machen, hat er eigentlich im letzten Wahlkampf gezeigt.
Schütte: Indem er eine unglückliche oder nicht gerade glückliche Kampagne gestartet hat. Aber was muss er jetzt tun?
Jung: Er wird natürlich gut beraten sein, eine Position zu vertreten, die signalisiert, dass er aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Es kommt natürlich auch günstig hinzu, dass sich die ökonomische Situation heute deutlich schlechter darstellt heute und dass damit auch ökonomische Themen, die das letzte Mal nicht so eine große Rolle gespielt haben und bei denen die CDU eigentlich besser dastehen, in Zukunft wieder an Bedeutung auch für die Wahlentscheidung gewinnen werden.
Schütte: Matthias Jung, Leiter der Forschungsgruppe Wahlen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.