Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Keime im Saatgut?

Dass es die Sprossen waren, ist nur die halbe Erkenntnis. Genau so wichtig ist Teil zwei der Ursachenforschung: Wie ist der Ehec-Erreger überhaupt auf die Sprossen gekommen? War schon das Saatgut verseucht oder war es der Mensch, der das Saatgut berührt und ausgesät hat.

Von Susanne Schrammar | 14.06.2011
    Es ist wie ein großes Puzzle, bei dem man viele Teile zusammensetzen muss, um das ganze Bild zu sehen, kommentiert eine Sprecherin des niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Suche nach den Ursachen des EHEC-Epidemie. Besonders schwierig gestaltet sich derzeit die Frage, wie der lebensgefährliche EHEC-Erreger vom Typ 0104 in die Gemüsesprossen gelangt ist. Bisher gibt es noch keine klaren Erkenntnisse, die Behörden konzentrierten sich auf zwei mögliche Ursachen: Haben an EHEC-erkrankte Mitarbeiter des Sprossenproduzenten den Keim eingeschleppt oder könnte der Erreger über das Saatgut eingebracht worden sein?

    Dabei scheint das Saatgut die vielversprechendste Spur zu sein, laut einer Sprecherin des Bundesamtes für Verbraucherschutz konzentriert sich die behördliche Task Force von Bund und Land darauf. So hat Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner, CSU angekündigt, schwerpunktmäßig Produzenten von Saatgut zu überprüfen und bei den Ermittlungen auch Saatgut-Importe aus dem Ausland mit einzubeziehen. Der Biobetrieb in Bienenbüttel bezog die Samen für seine Sprossenproduktion aus verschiedenen Ländern, unter anderem aus Asien.

    Zurzeit werden Handelsbeziehungen dahin gehend überprüft, ob sich Lieferwege von Saatgutproduzenten mit EHEC-Erkrankungsausbrüchen kreuzen. Niedersächsische Behörden untersuchen zudem weiter Proben des Saatguts. Bislang wurde noch kein Erreger dort nachgewiesen. Dennoch könnte es sich um eine vielversprechende Spur handeln. Denn auch eine Familie in Niedersachsen, die für den Eigenbedarf zuhause selbst Sprossen gezogen hatte, war an der gefährlichen Darminfektion erkrankt. Das Bundesamt für Risikobewertung empfiehlt deshalb, auf den Verzehr selbst gezogener Sprossen genauso zu verzichten wie auf gekaufte.

    Um dem Ursprung des Erregers auf die Spur zu kommen, werden derzeit Sprossen im Labor nachgezüchtet und alle Arbeitsschritte genau unter die Lupe genommen. Die Gemüsesprossen werden in sogenannten Keimtrommeln in 38 Grad warmen Wasserdampf herangezogen, ein Klima, das ideal für die Bildung von Keimen ist. Befand sich der Erreger im Wasser? Oder steckte er in nicht nachweisbarer Konzentration in den Samen und vermehrte sich explosionsartig während des Keimvorgangs?

    Bisher haben die Behörden nur vage Hinweise, keine heiße Spur. In der Vergangenheit konnte laut Bundesinstitut für Risikobewertung in nur einem von vier Fällen am Ende der Ursprung einer EHEC-Welle festgestellt werden. Die Aufklärung sei jedoch wichtig, sagt Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann, CDU, um Vorsorgesysteme zu entwickeln, damit Ausbrüche in Zukunft verhindert werden könnten.