Friedbert Meurer: Ich habe kurz vor der Sendung mit Geri Lindemann gesprochen, dem Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftministerium, er leitet dort den Bund-Länder-Krisenstab. Und ich habe ihn zunächst gefragt, ob er den Verdachtsfall auf der Insel Rügen bestätigen kann?
Gert Lindemann: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Die Informationen, die uns hier auch aus dem Friedrich-Loeffler-Institut vorliegen, laufen darauf hinaus, dass es eine etwa Fifty-Fifty-Chance gibt, ob es ein Ausbruch beim Nutzgeflügel tatsächlich gewesen ist oder nicht. Wir sind also durchaus nicht sicher, dass es das ist. Das ist bei den Schnelltests ja immer so, dass die eher falsch-positiv als falsch-negativ reagieren müssen, dass es durchaus sein kann, dass es gar kein Ausbruch ist.
Meurer: Was ist das für ein Bestand gewesen, in dem man die Ente gefunden hat?
Lindemann: Das ist ein Bestand mit 3000 Tieren, der schon vor Tagen im Rahmen der vorsorglichen Aktion die Tiere, die möglicherweise durch Personen oder durch andere Tiere in Kontakt mit infizierten Wildtieren gekommen sein könnten, herauszunehmen. Und in diesem Zusammenhang wird vorsorglich untersucht, ob in dem getöteten Bestand irgendwas gewesen ist. Und in diesem Rahmen ist bei vielen Tieren nichts gefunden worden. Und im Schnelltest bei dem einen Tier, bei der Ente, ein Ergebnis, was weiter untersucht werden muss. Und was sich als positiv herausstellen könnte aber durchaus nicht muss.
Meurer: Hätte die Ente, wenn sich denn das überhaupt bestätigen sollte, sich infiziert, bevor der Bestand in den Stall gekommen ist?
Lindemann: Das sieht so aus. Ja.
Meurer: Für wie geeignet halten Sie damit dann die Stallpflicht, um Ansteckungen zu vermeiden?
Lindemann: Ich halte die Stallpflicht für sehr geeignet und insbesondere dort, wo das Risiko eines Kontakt mit Wildvögeln besteht, ist es ja offenkundig so, dass hier sozusagen alleine durch die Möglichkeit, dass die an derselben Futterstelle, an demselben Teich, auf derselben Wiese nebeneinander anzutreffen sind, eine unmittelbare Kontaminationsgefahr gibt, und das rechtfertigt eigentlich in jedem Fall, dass Nutzgeflügel unter Dach und Fach sozusagen zu bringen.
Meurer: Aber kann die Stallpflicht das Risiko sogar ganz ausschließen? Gibt es nicht trotzdem noch Ansteckungswege, die bestehen bleiben?
Lindemann: Vollständig ausschließen kann man eine Infektionsgefahr definitiv nicht. Es gibt ja viele Quellen, auf denen Infektionen stattfinden können. Das ist bei Nutzgeflügel neben der unmittelbaren Infektion natürlich auch die Infektionsmöglichkeit durch Menschen, durch Transportfahrzeuge, die zum Beispiel Futtermittel auf die Betriebe bringen, durch den Abtransport von tierischen Exkrementen, wo Kontakte stattfinden können. Hier muss man eben sehr sorgfältig arbeiten auch mit Desinfektionsmöglichkeiten, die es ja durchaus gibt. Und damit die Bestände möglichst hermetisch nach außen abzuschotten.
Meurer: Für den Fall, Herr Lindemann, dass leider die 50-Prozent-Wahrscheinlichkeit eintrifft, dass der Verdachtsfall sich bestätigt, was würde das bedeuten?
Lindemann: Dass würde zur Zeit keine Änderung der gegenwärtigen Situation bedeuten, weil es sich bereits um eine Schutzzone handelt. Wir müssten dann feststellen, welche andere Nutztierbestände im unmittelbaren Umfeld sind, die etwa noch nicht gekeult worden sind. Und dann wäre es eine Aufgabe des Krisenzentrums in Schwerin, kurzfristig die Entscheidung zu treffen, unmittelbar im Umfeld eines Nutztierbestandes, der befallen ist, die anderen Nutztierbestände auch zu töten. Ansonsten gehen wir davon aus, da es sich ja bereits seit einigen Tagen um ein Sperrgebiet handelt, keine darüber hinaus reichenden Maßnahmen erforderlich sein dürften.
Meurer: Wie groß sind die Bestände insgesamt auf Rügen? Wissen Sie das?
Lindemann: Ich denke wir haben auf Rügen so etwa 150.000 Stück Nutzgeflügel, wenn ich die gesamte Insel nehme.
Meurer: Nun sind Wildtiere auch auf dem Festland gefunden worden mit dem Vogelgrippevirus. Wie groß ist die Gefahr, dass es auch Nutztiere geben wird auf dem Festland, die infiziert sind?
Lindemann: Ich glaube die Gefahr ist dort, wo es keine unmittelbaren Kontakte gegeben hat, vergleichsweise gering. Dort wo es unmittelbare Kontakte gegeben haben kann, wäre jetzt zu prüfen, ob auch auf dem Festland solche Tötungsnotwendigkeiten bestehen. Es deutet allerdings zurzeit nichts darauf hin, dass wir da eine vergleichbare Situation haben wie in den Gebieten auf Rügen.
Meurer: Wenn ich Sie richtig verstehe, mit dem Instrument des Keulens geht man sehr vorsichtig und sparsam um?
Lindemann: Nicht sparsam, aber man muss damit in dem gegenwärtigen Stadium verantwortungsvoll umgehen, dass man auf der einen Seite keinen Amoklauf in Richtung Tiertötungen veranstaltet, auf der anderen Seite aber da, wo es die Möglichkeit eines unmittelbaren Kontaktes gibt, sehr konsequent zu fassen. Das ist eine Geschichte, die man vor Ort beurteilen kann und muss. Und ich habe den Eindruck, dass die veterinärfachliche Seite insoweit in Mecklenburg-Vorpommern recht gut aufgestellt ist. Im Übrigen ist auch eine Mitarbeiterin unseres Hauses ja dort mit vor Ort.
Meurer: Nun gibt es ja, Herr Lindemann, neben Stallpflicht und neben Keulen noch sozusagen eine dritte Methode, nämlich die Nutztiere vorsorglich zu impfen. Da sagt der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Backhaus, dass man doch darüber noch einmal diskutieren soll. Ist das Impfen vielleicht doch ein Instrument über das man nachdenken muss?
Lindemann: Also, nachdenken muss man über alles in einem solchen Fall. Aber wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass eigentlich nichts dafür spricht in der aktuellen Situation in Deutschland zu impfen. Und das gilt momentan auch mit Sicherheit noch für die Insel Rügen. Bei den Impfentscheidungen, die jetzt in den Niederlanden und in Frankreich getroffen worden sind und bei den im Übrigen auch noch nicht feststeht, wann mit dem Impfen tatsächlich und konkret begonnen werden soll, sind ja eine Reihe Fragen weiterhin offen geblieben, die uns dort vor Ort - und das war ja auch der Grund, warum wir dem nicht zugestimmt haben - nicht beantwortet werden konnten. Es gibt noch keine Lösung, dass geimpfte Tiere weiter infizierbar sind und auch das Virus ausscheiden und weiter verbreiten können. Es gibt keine belastbaren Daten über die Wirksamkeit einer Impfung bei Enten und Gänsen. Es gibt keine validierten und in der Praxis anwendbaren Testsysteme, um ein kontrolliertes Impfregime zu fahren. Es gibt keinen EU-weit zugelassenen Markerimpfstoff, der es möglich macht, geimpfte und nicht geimpfte Tiere, wenn sie sozusagen positiv getestet sind, voneinander zu unterscheiden. Es gibt...
Meurer: Also das klingt alles so, Sie raten davon ab.
Lindemann: Ich bin der Auffassung, dass wir das momentan in Deutschland nicht als geeignetes Instrument der Bewältigung dieser Situation nutzen sollten. Das kann sich anders darstellen, wenn sich das weiter dramatisch entwickelt und möglicherweise man irgendwann nicht in der Lage wäre, die infizierten oder in den Schutzgebieten zu tötenden Tiere schnell genug zu töten und die Kapazitäten möglicherweise nicht ausreichen könnten. Dann kann es sein, dass das Instrumentarium, was Till Backhaus angesprochen hat, eine Notimpfung durchzuführen, ein vernünftiges ist. Aber dann sehen wir es momentan eben nur als ein Instrumentarium an, mit dem man einen Flächenbrand austreten kann, bei dem man aber anschließend eine Antwort geben muss, darauf, wie es vernünftigerweise das Szenario wieder zu beenden gilt. Und die Antwort sind uns auch Frankreich und die Niederlande bislang schuldig geblieben. Und unsere eigenen Experten sagen, es gibt keine schlüssige Antwort darauf.
Meurer: Das war Gert Lindemann, Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium und Leiter des Bund-Länder-Krisenstabs.
Gert Lindemann: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Die Informationen, die uns hier auch aus dem Friedrich-Loeffler-Institut vorliegen, laufen darauf hinaus, dass es eine etwa Fifty-Fifty-Chance gibt, ob es ein Ausbruch beim Nutzgeflügel tatsächlich gewesen ist oder nicht. Wir sind also durchaus nicht sicher, dass es das ist. Das ist bei den Schnelltests ja immer so, dass die eher falsch-positiv als falsch-negativ reagieren müssen, dass es durchaus sein kann, dass es gar kein Ausbruch ist.
Meurer: Was ist das für ein Bestand gewesen, in dem man die Ente gefunden hat?
Lindemann: Das ist ein Bestand mit 3000 Tieren, der schon vor Tagen im Rahmen der vorsorglichen Aktion die Tiere, die möglicherweise durch Personen oder durch andere Tiere in Kontakt mit infizierten Wildtieren gekommen sein könnten, herauszunehmen. Und in diesem Zusammenhang wird vorsorglich untersucht, ob in dem getöteten Bestand irgendwas gewesen ist. Und in diesem Rahmen ist bei vielen Tieren nichts gefunden worden. Und im Schnelltest bei dem einen Tier, bei der Ente, ein Ergebnis, was weiter untersucht werden muss. Und was sich als positiv herausstellen könnte aber durchaus nicht muss.
Meurer: Hätte die Ente, wenn sich denn das überhaupt bestätigen sollte, sich infiziert, bevor der Bestand in den Stall gekommen ist?
Lindemann: Das sieht so aus. Ja.
Meurer: Für wie geeignet halten Sie damit dann die Stallpflicht, um Ansteckungen zu vermeiden?
Lindemann: Ich halte die Stallpflicht für sehr geeignet und insbesondere dort, wo das Risiko eines Kontakt mit Wildvögeln besteht, ist es ja offenkundig so, dass hier sozusagen alleine durch die Möglichkeit, dass die an derselben Futterstelle, an demselben Teich, auf derselben Wiese nebeneinander anzutreffen sind, eine unmittelbare Kontaminationsgefahr gibt, und das rechtfertigt eigentlich in jedem Fall, dass Nutzgeflügel unter Dach und Fach sozusagen zu bringen.
Meurer: Aber kann die Stallpflicht das Risiko sogar ganz ausschließen? Gibt es nicht trotzdem noch Ansteckungswege, die bestehen bleiben?
Lindemann: Vollständig ausschließen kann man eine Infektionsgefahr definitiv nicht. Es gibt ja viele Quellen, auf denen Infektionen stattfinden können. Das ist bei Nutzgeflügel neben der unmittelbaren Infektion natürlich auch die Infektionsmöglichkeit durch Menschen, durch Transportfahrzeuge, die zum Beispiel Futtermittel auf die Betriebe bringen, durch den Abtransport von tierischen Exkrementen, wo Kontakte stattfinden können. Hier muss man eben sehr sorgfältig arbeiten auch mit Desinfektionsmöglichkeiten, die es ja durchaus gibt. Und damit die Bestände möglichst hermetisch nach außen abzuschotten.
Meurer: Für den Fall, Herr Lindemann, dass leider die 50-Prozent-Wahrscheinlichkeit eintrifft, dass der Verdachtsfall sich bestätigt, was würde das bedeuten?
Lindemann: Dass würde zur Zeit keine Änderung der gegenwärtigen Situation bedeuten, weil es sich bereits um eine Schutzzone handelt. Wir müssten dann feststellen, welche andere Nutztierbestände im unmittelbaren Umfeld sind, die etwa noch nicht gekeult worden sind. Und dann wäre es eine Aufgabe des Krisenzentrums in Schwerin, kurzfristig die Entscheidung zu treffen, unmittelbar im Umfeld eines Nutztierbestandes, der befallen ist, die anderen Nutztierbestände auch zu töten. Ansonsten gehen wir davon aus, da es sich ja bereits seit einigen Tagen um ein Sperrgebiet handelt, keine darüber hinaus reichenden Maßnahmen erforderlich sein dürften.
Meurer: Wie groß sind die Bestände insgesamt auf Rügen? Wissen Sie das?
Lindemann: Ich denke wir haben auf Rügen so etwa 150.000 Stück Nutzgeflügel, wenn ich die gesamte Insel nehme.
Meurer: Nun sind Wildtiere auch auf dem Festland gefunden worden mit dem Vogelgrippevirus. Wie groß ist die Gefahr, dass es auch Nutztiere geben wird auf dem Festland, die infiziert sind?
Lindemann: Ich glaube die Gefahr ist dort, wo es keine unmittelbaren Kontakte gegeben hat, vergleichsweise gering. Dort wo es unmittelbare Kontakte gegeben haben kann, wäre jetzt zu prüfen, ob auch auf dem Festland solche Tötungsnotwendigkeiten bestehen. Es deutet allerdings zurzeit nichts darauf hin, dass wir da eine vergleichbare Situation haben wie in den Gebieten auf Rügen.
Meurer: Wenn ich Sie richtig verstehe, mit dem Instrument des Keulens geht man sehr vorsichtig und sparsam um?
Lindemann: Nicht sparsam, aber man muss damit in dem gegenwärtigen Stadium verantwortungsvoll umgehen, dass man auf der einen Seite keinen Amoklauf in Richtung Tiertötungen veranstaltet, auf der anderen Seite aber da, wo es die Möglichkeit eines unmittelbaren Kontaktes gibt, sehr konsequent zu fassen. Das ist eine Geschichte, die man vor Ort beurteilen kann und muss. Und ich habe den Eindruck, dass die veterinärfachliche Seite insoweit in Mecklenburg-Vorpommern recht gut aufgestellt ist. Im Übrigen ist auch eine Mitarbeiterin unseres Hauses ja dort mit vor Ort.
Meurer: Nun gibt es ja, Herr Lindemann, neben Stallpflicht und neben Keulen noch sozusagen eine dritte Methode, nämlich die Nutztiere vorsorglich zu impfen. Da sagt der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Backhaus, dass man doch darüber noch einmal diskutieren soll. Ist das Impfen vielleicht doch ein Instrument über das man nachdenken muss?
Lindemann: Also, nachdenken muss man über alles in einem solchen Fall. Aber wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass eigentlich nichts dafür spricht in der aktuellen Situation in Deutschland zu impfen. Und das gilt momentan auch mit Sicherheit noch für die Insel Rügen. Bei den Impfentscheidungen, die jetzt in den Niederlanden und in Frankreich getroffen worden sind und bei den im Übrigen auch noch nicht feststeht, wann mit dem Impfen tatsächlich und konkret begonnen werden soll, sind ja eine Reihe Fragen weiterhin offen geblieben, die uns dort vor Ort - und das war ja auch der Grund, warum wir dem nicht zugestimmt haben - nicht beantwortet werden konnten. Es gibt noch keine Lösung, dass geimpfte Tiere weiter infizierbar sind und auch das Virus ausscheiden und weiter verbreiten können. Es gibt keine belastbaren Daten über die Wirksamkeit einer Impfung bei Enten und Gänsen. Es gibt keine validierten und in der Praxis anwendbaren Testsysteme, um ein kontrolliertes Impfregime zu fahren. Es gibt keinen EU-weit zugelassenen Markerimpfstoff, der es möglich macht, geimpfte und nicht geimpfte Tiere, wenn sie sozusagen positiv getestet sind, voneinander zu unterscheiden. Es gibt...
Meurer: Also das klingt alles so, Sie raten davon ab.
Lindemann: Ich bin der Auffassung, dass wir das momentan in Deutschland nicht als geeignetes Instrument der Bewältigung dieser Situation nutzen sollten. Das kann sich anders darstellen, wenn sich das weiter dramatisch entwickelt und möglicherweise man irgendwann nicht in der Lage wäre, die infizierten oder in den Schutzgebieten zu tötenden Tiere schnell genug zu töten und die Kapazitäten möglicherweise nicht ausreichen könnten. Dann kann es sein, dass das Instrumentarium, was Till Backhaus angesprochen hat, eine Notimpfung durchzuführen, ein vernünftiges ist. Aber dann sehen wir es momentan eben nur als ein Instrumentarium an, mit dem man einen Flächenbrand austreten kann, bei dem man aber anschließend eine Antwort geben muss, darauf, wie es vernünftigerweise das Szenario wieder zu beenden gilt. Und die Antwort sind uns auch Frankreich und die Niederlande bislang schuldig geblieben. Und unsere eigenen Experten sagen, es gibt keine schlüssige Antwort darauf.
Meurer: Das war Gert Lindemann, Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium und Leiter des Bund-Länder-Krisenstabs.