Spengler: So dass ein Arbeitskampf vermieden werden kann?
Hofmann: So dass ein Arbeitskampf vermieden werden kann. Das war auch die Anstrengung Wert, die beide Seiten heute an den Tag gelegt haben.
Spengler: Sie wollten 4 Prozent mehr Lohn. Die Arbeitgeber haben zweimal 1,2 Prozent angeboten. Ausgehandelt haben Sie nun 2,2 Prozent ab März und 2,7 Prozent ab März nächsten Jahres, Laufzeit 26 Monate. Wie zufrieden sind Sie denn mit diesem Ergebnis?
Hofmann: Die Lohnzahl ist sicherlich ein Kompromiss, der denke ich aber durchaus die Realeinkünfte, die reinen Realeinkommen der Beschäftigten absichert, die sich auch an dem beteiligt, was an Wachstum auf uns zukommt. Die Lohnzahl bleibt ein Kompromiss bei jeder Lohnverhandlung. Ich denke aber man kann durchaus zufrieden sein.
Spengler: Besonders umstritten war ja die von den Arbeitgebern gewünschte Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 35 auf bis zu 40 Stunden, zum Teil auch ohne Lohnausgleich. Kommt es nun dazu oder kommt es dazu nicht?
Hofmann: Dazu kommt es dezidiert nicht. Das war auch die Erwartungshaltung vieler Kolleginnen und Kollegen, dass es in diesem Punkt keinen Dammbruch gibt. Wir haben ganz deutlich wieder auf die 35-Stunden-Woche als Referenzpunkt verwiesen. Wir haben jegliche unbezahlte Verlängerung von Arbeitszeiten abgewehrt. Das ist glaube ich ein ganz wichtiges Ergebnis, auch aus Sicht unserer Kolleginnen und Kollegen, die jetzt die letzten Tage auf die Straße gegangen sind für unsere Forderungen.
Spengler: Aber Sie sind doch auf die Arbeitgeber zugegangen. Inwieweit?
Hofmann: Wir haben mit den Arbeitgebern eine Linie gefunden, die ich für ganz vernünftig halte, nämlich dass wir das Verhältnis von Fläche und Betrieb nicht dadurch gelöst haben, dass wir jetzt Kompetenzen in die Betriebsparteien delegieren, sondern dass wir den Tarifvertragsparteien mehr Verantwortung auch für betriebliche Probleme der Beschäftigung übertragen haben. Da haben wir sowohl im Allgemeinen wie auch im Speziellen was die Frage zum Beispiel von Fachkräftemangel und Innovationsfähigkeit angeht einige Lösungen gefunden, die nach vorne weisen.
Spengler: Das müssen wir noch ein bisschen konkreter machen. Also es bleibt erst mal dabei, dass die Gewerkschaft entscheidet, ob vom Tarifvertrag abgewichen wird oder nicht?
Hofmann: Richtig! Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt gewesen, dass wir hier nicht in eine Kompetenzvielfalt kommen, wenn es um Tarifmaterien geht. Die Gewerkschaft, die Tarifvertragsparteien sind weiter zuständig für das, was sie am Verhandlungstisch aushandeln, und tragen dann auch Verantwortung im Betrieb, wenn es mit diesen Materien Konflikte gibt in Richtung Beschäftigung.
Spengler: Aber wenn Sie sagen, dass die Belange des Betriebes durch die Gewerkschaften stärker berücksichtigt werden sollen, was heißt das konkret? Wie?
Hofmann: Das heißt, dass die Gewerkschaften stärker eingebunden werden müssen in betriebliche Entscheidungsprozesse, wenn die Betriebe die Chance nutzen wollen. Ich denke dafür sollten wir werben und arbeiten, dass wir zusammen auf einer vertrauensvollen Basis die Herausforderung beantworten, welche die Betriebe heute was Zukunftsfragen angeht, was Standortfragen angeht, was Beschäftigungsfragen angeht zu lösen haben.
Spengler: Herr Hofmann, ich habe es immer noch nicht ganz verstanden, inwiefern jetzt die Gewerkschaften tatsächlich das stärker berücksichtigen. Wie einigt man sich vertraglich auf so etwas?
Hofmann: Das lässt sich nicht vertraglich festhalten; das lässt sich als gemeinsames Verständnis der Übereinkunft festhalten. So ist es auch gedacht. Wir haben auf der vertraglichen Ebene keinerlei Punkte vereinbart, die uns jetzt verpflichten werden, aber es ging nicht um Verpflichtungen, sondern um ein neues Verständnis von Tarifvertragsparteien zu betrieblichen Themen zu entwickeln.
Spengler: Sie haben ja gestern Ihre Bereitschaft erklärt, neue Wege zu gehen. Ist das jetzt so ein neuer Weg?
Hofmann: Das ist ganz entschieden ein neuer Weg. Dazu gehört auch, dass wir dort wo wir sehen, dass die Tarifverträge Barrieren aufbauen, wenn es bei Fachkräftemangel, wenn es beim Innovationsprozess zu Engpässen kommt, diese Barrieren etwas weiter gefasst haben.
Spengler: Was heißt das?
Hofmann: Zum Beispiel, dass wir in Betrieben, die einen hohen Anteil von hochqualifizierten Arbeitskräften haben, die Möglichkeit erweitert haben, dass dort 40-Stunden-Verträge angeboten werden, oder dass Neueinstellungen dadurch gefördert werden, dass auch das benötigte Arbeitsvolumen bereitgestellt wird, wenn auch die Fachkräfte im Moment noch am Arbeitsmarkt fehlen. Das sind Einzelmomente, wo wir in Einzelfragen auf Gestaltungsmöglichkeit auf betrieblicher Ebene erweitert haben. Der Geist des Vertrages liegt jedoch mehr darin, dass wir uns als Tarifvertragspartei verpflichtet haben, in den Betrieben für das Ziel zur Mehrbeschäftigung mitzuwirken.
Spengler: Sie haben ja nun über 16 Stunden getagt. Verraten Sie uns, was am Ende den Ausschlag für den Durchbruch gegeben hat? War das ein bestimmter konkreter Vorschlag von Ihnen oder von den Arbeitgebern, oder geschah die Annäherung schleichend?
Hofmann: Der Ausschlag hat sicherlich mehrere Ursachen. Einerseits war denke ich der Arbeitgeberverband doch überrascht über die Kampffähigkeit der IG Metall in den Betrieben und über den hohen Mobilisierungsgrad, den wir erreicht haben. Zum Zweiten ist damit auch die Einsicht gewachsen, dass eine Zusammenarbeit der Zukunft nicht gegen die Tarifvertragsparteien, sondern nur mit den Tarifvertragsparteien in den Betrieben möglich ist. Jetzt möchte ich nicht beurteilen, wer diesen Prozess beschleunigt hat. Ich sage wir haben Forderungen, die Gesamtmetall aufgestellt hat, abgewehrt und wir haben ein Lohnergebnis erzielt, das vernünftig ist. Demzufolge kann ich zufrieden sein.
Spengler: Am Telefon war Jörg Hofmann, der IG-Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer von Baden-Württemberg.