Christiane Kaess: Der Bundestag entscheidet heute über das umstrittene neue Gentechnik-Gesetz. CSU-Agrarminister Horst Seehofer will schärfere Regeln zum Anbau von Gen-Mais. Die Novelle sieht Mindestabstände zwischen Feldern mit und ohne Gentechnik vor. Außerdem soll eine neue Kennzeichnung "gentechnikfreie Lebensmittel" eingeführt werden.
Am Telefon ist jetzt Christof Potthoff vom Gen-ethischen Netzwerk. Er ist Biologe und Sozialwissenschaftler. Guten Tag, Herr Potthoff!
Christof Potthoff: Hallo, Frau Kaess.
Kaess: Herr Potthoff, den Befürwortern von Gentechnik geht das Gesetz nicht weit genug, den Gegnern zu weit. Wie beurteilen Sie denn die Novelle?
Potthoff: Ich denke letztendlich ist das neue Gentechnik-Recht nicht in der Lage, dauerhaft die gentechnikfreie Landwirtschaft zu schützen, und das ist meiner Ansicht nach neben dem Schutz von allgemeiner Umwelt und Gesundheit der Hauptaspekt, der hier das Ziel des Gesetzes sein sollte. Und zwar hat Herr Seehofer in seinem Statement vorhin gesagt, dass er die Abstandsregeln für einen Abstand zwischen zum Beispiel zwei Maisfeldern von 150 Metern und bei Bio-Mais sogar 300 Metern eingeführt hat. Aber was er halt nicht geregelt hat, ist die so genannte Koexistenz, die über die Ackerflächen hinausgeht. Was ist zum Beispiel mit der Maschinennutzung, wenn der Drescher praktisch in der Erntezeit von einem Feld zum nächsten, dann zum dritten Bauern und zum Gen-Bauern und dann wieder zum konventionellen [fährt]. Maschinenringe sind Gang und Gäbe. Wenn es nicht ganz strikte Regeln gibt, zum Beispiel dass Maschinen nur in der einen oder anderen Anbauweise genutzt werden können, wird es in der hektischen Erntezeit nicht dazu kommen, dass die Maschinen gereinigt werden, und so haben wir trotzdem Kontaminationen. Auch wenn wir Abstände haben, gibt es andere Möglichkeiten von Kontaminationen und die hat die Bundesregierung eben nicht geregelt.
Kaess: Das heißt, Herr Potthoff, Sie teilen die Befürchtung der zum Beispiel stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Bärbel Höhn, die sagt wortwörtlich: "Früher oder später haben wir das Zeug dann auf dem Teller"?
Potthoff: Ja, wenn man so will. Ich denke nach wie vor sind wir nicht ausgeliefert. Das Gesetz ist immer nur so lange Gesetz, bis es geändert wird. Ich denke, die Aufgabe der Nichtregierungsorganisationen, die sich kritisch zur Gentechnik geäußert haben, wird auch damit nicht aufhören. Wir haben jetzt vier oder fünf Jahre - sei es zu Zeiten der Großen Koalition oder unter Rot-Grün - für strikte Regeln gekämpft und wir werden auch weiter für strikte Regeln kämpfen. Das gilt ja auch nicht nur für Deutschland. Es gibt Regeln auf der EU-Ebene. Es gibt Regeln, die von den Vereinten Nationen festgesetzt oder empfohlen werden, so dass ich denke, dass da durchaus Spielraum ist, um weiter sich für strikte Regelungen einzusetzen.
Kaess: Herr Potthoff, auf der anderen Seite konnte bisher ja nicht nachgewiesen werden, ob genveränderte Lebensmittel tatsächlich gesundheitsschädlich sind. Ist denn die Sorge vieler Verbraucher irrational?
Potthoff: Ich denke, die Aussage als solches ist halt falsch gemacht. Wenn Sie sagen, es konnte nicht nachgewiesen werden, dann heißt das, das hört sich so an, als sei es ohne Ende untersucht worden. De facto kann man aber beim Menschen diese Untersuchung gar nicht machen, weil wir anders als im Arzneimittelrecht beim Lebensmittelrecht keine Menschenversuche haben. Wir können keine so genannten epidemiologischen, das heißt an der Bevölkerung durchgeführten Studien machen, weil es in Europa praktisch keine gentechnisch veränderten Lebensmittel gibt. In den USA gibt es aber keine Kennzeichnung von solchen Lebensmitteln, so dass wir da wieder keine Kontrollgruppe praktisch einrichten können, um die verschiedenen Ernährungsweisen miteinander zu vergleichen.
Insofern sind, um auf die zweite Frage zurückzukommen, die Sorgen der Bevölkerung durchaus berechtigt. Es muss in den USA zum Beispiel eine Kennzeichnung eingeführt werden, nicht zuletzt damit man dann auch untersuchen kann, ob es vielleicht doch Schädigungen gibt oder nicht. Ich kann bei anderen Diäten einhalten, dass ich mich ohne Gluten ernähre. Ich kann mich ohne bestimmte andere Stoffe ernähren, aber wenn ich mich ganz normal ernähren will, dann kann ich Gentechnik in den USA nicht so ausschließen, dass ich faktisch diese Studien machen kann.
Kaess: Das soll jetzt mit dem neuen Gesetz hier möglich sein. Es gibt eine neue Kennzeichnung, nämlich die Kennzeichnung "ohne Gentechnik". Wie verlässlich ist die?
Potthoff: Ich denke, dass die neue Kennzeichnung in die richtige Richtung geht, wenngleich ich mir einen anderen Weg gewünscht hätte. Die neue Kennzeichnung "ohne Gentechnik" lässt - und das ist ja auch in den vergangenen Tagen schon durch die Medien gegangen - in ganz genauen Spezialfällen zu, dass zum Beispiel Vitamine, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden, Futter für Milchkühe zum Beispiel beigesetzt werden und die Milch dieser Kühe trotzdem als "ohne Gentechnik" gekennzeichnet wird. Das Ziel dieser neuen Regelung ist aber vor allen Dingen, dass man praktisch dem Verbraucher klar machen kann, ob die Tiere mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden: Soja, Mais vor allen Dingen, ein bisschen Raps. Das ist auch der Hauptanbau. In der ganzen Welt geht es beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen vor allen Dingen um die gentechnisch veränderten Futtermittel. Die kann der Verbraucher tatsächlich jetzt praktisch durch diese Kennzeichnung vermeiden. Das denke ich ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt in Richtung von weniger Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen.
Kaess: Der Anteil von Gentechnik, den Sie ansprechen, liegt bei 0,9 Prozent. Viele sagen, damit kann man gut leben.
Potthoff: Ehrlich gesagt bin ich da so ein bisschen hin und her gerissen. Ernährungsphysiologisch, von der Ernährungsgesundheit her, macht mir das nur bedingt Sorgen. Ich denke, wenn man überhaupt in einer Gesellschaft, die ich mir wünsche, leben will, dann muss man sich auf solche Grenzwerte leider Gottes einlassen. Wir haben Ähnliches bei chemischen Stoffen, die als Gifte durchaus diagnostiziert werden, dass man da halt auch Grenzwerte hat. Ich denke, dass man da auf eine Art nicht herum kommt.
Auf der anderen Seite muss ich sagen, ist es bei der Gentechnik eine andere Sache, weil wenn man Verunreinigungen mit chemischen Materialien, mit Giften hat, dann kann man letztendlich davon ausgehen, dass die nicht mehr werden. Bei der Gentechnik, wenn man reproduktionsfähiges Material hat, dann ist das potenziell halt immer vermehrungsfähig. Das macht die Sache speziell, und es greift natürlich in den Kern von dem, was landläufig als Natur bezeichnet wird, ein, weshalb meiner Ansicht nach auch dieses Unwohlsein bei diesem Leben mit den Grenzwerten durchaus seine Berechtigung hat und mich selber auch von Zeit zu Zeit immer wieder überkommt. Grundsätzlich ist es schon schlimm auf eine Art, finde ich.
Kaess: Herr Potthoff, Sie sind auch Biologe. Welche Rolle spielt denn die Gentechnik noch für die Wissenschaft? Erhofft man sich davon noch entscheidende Lösungen, zum Beispiel für die Welternährung angesichts des Klimawandels?
Potthoff: Meiner Einschätzung nach wird es überschätzt. Meiner Ansicht nach wird auch praktisch die Wissenschaft immer oder zu oft gleichgesetzt mit der Naturwissenschaft, wenn Sie Welternährung und Hunger ansprechen. Wenn Sie die wichtigen großen Hilfsorganisationen fragen und Sie lassen die zehn wichtigsten Probleme aufschreiben, was für Probleme habt ihr vor Ort, wenn es um Hunger geht, dann werden Sie nicht Saatgutqualität finden. Sie werden finden Zugang zu Wasser, Zugang zu Land, Zugang zu Menschenrechten, allgemeine Demokratie, allgemeine Sicherheit von Leib und Leben, Kriegsgebiete und so weiter. Sie werden aber erst unter ferner liefen finden, dass nicht das richtige Saatgut vorhanden ist. Insofern glaube ich, dass dieser Wind, der auch durch die Wissenschaft gemacht wird, durch die Naturwissenschaft gemacht wird, dass der meiner Ansicht nach viel zu unbescheiden ist.
Am Telefon ist jetzt Christof Potthoff vom Gen-ethischen Netzwerk. Er ist Biologe und Sozialwissenschaftler. Guten Tag, Herr Potthoff!
Christof Potthoff: Hallo, Frau Kaess.
Kaess: Herr Potthoff, den Befürwortern von Gentechnik geht das Gesetz nicht weit genug, den Gegnern zu weit. Wie beurteilen Sie denn die Novelle?
Potthoff: Ich denke letztendlich ist das neue Gentechnik-Recht nicht in der Lage, dauerhaft die gentechnikfreie Landwirtschaft zu schützen, und das ist meiner Ansicht nach neben dem Schutz von allgemeiner Umwelt und Gesundheit der Hauptaspekt, der hier das Ziel des Gesetzes sein sollte. Und zwar hat Herr Seehofer in seinem Statement vorhin gesagt, dass er die Abstandsregeln für einen Abstand zwischen zum Beispiel zwei Maisfeldern von 150 Metern und bei Bio-Mais sogar 300 Metern eingeführt hat. Aber was er halt nicht geregelt hat, ist die so genannte Koexistenz, die über die Ackerflächen hinausgeht. Was ist zum Beispiel mit der Maschinennutzung, wenn der Drescher praktisch in der Erntezeit von einem Feld zum nächsten, dann zum dritten Bauern und zum Gen-Bauern und dann wieder zum konventionellen [fährt]. Maschinenringe sind Gang und Gäbe. Wenn es nicht ganz strikte Regeln gibt, zum Beispiel dass Maschinen nur in der einen oder anderen Anbauweise genutzt werden können, wird es in der hektischen Erntezeit nicht dazu kommen, dass die Maschinen gereinigt werden, und so haben wir trotzdem Kontaminationen. Auch wenn wir Abstände haben, gibt es andere Möglichkeiten von Kontaminationen und die hat die Bundesregierung eben nicht geregelt.
Kaess: Das heißt, Herr Potthoff, Sie teilen die Befürchtung der zum Beispiel stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Bärbel Höhn, die sagt wortwörtlich: "Früher oder später haben wir das Zeug dann auf dem Teller"?
Potthoff: Ja, wenn man so will. Ich denke nach wie vor sind wir nicht ausgeliefert. Das Gesetz ist immer nur so lange Gesetz, bis es geändert wird. Ich denke, die Aufgabe der Nichtregierungsorganisationen, die sich kritisch zur Gentechnik geäußert haben, wird auch damit nicht aufhören. Wir haben jetzt vier oder fünf Jahre - sei es zu Zeiten der Großen Koalition oder unter Rot-Grün - für strikte Regeln gekämpft und wir werden auch weiter für strikte Regeln kämpfen. Das gilt ja auch nicht nur für Deutschland. Es gibt Regeln auf der EU-Ebene. Es gibt Regeln, die von den Vereinten Nationen festgesetzt oder empfohlen werden, so dass ich denke, dass da durchaus Spielraum ist, um weiter sich für strikte Regelungen einzusetzen.
Kaess: Herr Potthoff, auf der anderen Seite konnte bisher ja nicht nachgewiesen werden, ob genveränderte Lebensmittel tatsächlich gesundheitsschädlich sind. Ist denn die Sorge vieler Verbraucher irrational?
Potthoff: Ich denke, die Aussage als solches ist halt falsch gemacht. Wenn Sie sagen, es konnte nicht nachgewiesen werden, dann heißt das, das hört sich so an, als sei es ohne Ende untersucht worden. De facto kann man aber beim Menschen diese Untersuchung gar nicht machen, weil wir anders als im Arzneimittelrecht beim Lebensmittelrecht keine Menschenversuche haben. Wir können keine so genannten epidemiologischen, das heißt an der Bevölkerung durchgeführten Studien machen, weil es in Europa praktisch keine gentechnisch veränderten Lebensmittel gibt. In den USA gibt es aber keine Kennzeichnung von solchen Lebensmitteln, so dass wir da wieder keine Kontrollgruppe praktisch einrichten können, um die verschiedenen Ernährungsweisen miteinander zu vergleichen.
Insofern sind, um auf die zweite Frage zurückzukommen, die Sorgen der Bevölkerung durchaus berechtigt. Es muss in den USA zum Beispiel eine Kennzeichnung eingeführt werden, nicht zuletzt damit man dann auch untersuchen kann, ob es vielleicht doch Schädigungen gibt oder nicht. Ich kann bei anderen Diäten einhalten, dass ich mich ohne Gluten ernähre. Ich kann mich ohne bestimmte andere Stoffe ernähren, aber wenn ich mich ganz normal ernähren will, dann kann ich Gentechnik in den USA nicht so ausschließen, dass ich faktisch diese Studien machen kann.
Kaess: Das soll jetzt mit dem neuen Gesetz hier möglich sein. Es gibt eine neue Kennzeichnung, nämlich die Kennzeichnung "ohne Gentechnik". Wie verlässlich ist die?
Potthoff: Ich denke, dass die neue Kennzeichnung in die richtige Richtung geht, wenngleich ich mir einen anderen Weg gewünscht hätte. Die neue Kennzeichnung "ohne Gentechnik" lässt - und das ist ja auch in den vergangenen Tagen schon durch die Medien gegangen - in ganz genauen Spezialfällen zu, dass zum Beispiel Vitamine, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden, Futter für Milchkühe zum Beispiel beigesetzt werden und die Milch dieser Kühe trotzdem als "ohne Gentechnik" gekennzeichnet wird. Das Ziel dieser neuen Regelung ist aber vor allen Dingen, dass man praktisch dem Verbraucher klar machen kann, ob die Tiere mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden: Soja, Mais vor allen Dingen, ein bisschen Raps. Das ist auch der Hauptanbau. In der ganzen Welt geht es beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen vor allen Dingen um die gentechnisch veränderten Futtermittel. Die kann der Verbraucher tatsächlich jetzt praktisch durch diese Kennzeichnung vermeiden. Das denke ich ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt in Richtung von weniger Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen.
Kaess: Der Anteil von Gentechnik, den Sie ansprechen, liegt bei 0,9 Prozent. Viele sagen, damit kann man gut leben.
Potthoff: Ehrlich gesagt bin ich da so ein bisschen hin und her gerissen. Ernährungsphysiologisch, von der Ernährungsgesundheit her, macht mir das nur bedingt Sorgen. Ich denke, wenn man überhaupt in einer Gesellschaft, die ich mir wünsche, leben will, dann muss man sich auf solche Grenzwerte leider Gottes einlassen. Wir haben Ähnliches bei chemischen Stoffen, die als Gifte durchaus diagnostiziert werden, dass man da halt auch Grenzwerte hat. Ich denke, dass man da auf eine Art nicht herum kommt.
Auf der anderen Seite muss ich sagen, ist es bei der Gentechnik eine andere Sache, weil wenn man Verunreinigungen mit chemischen Materialien, mit Giften hat, dann kann man letztendlich davon ausgehen, dass die nicht mehr werden. Bei der Gentechnik, wenn man reproduktionsfähiges Material hat, dann ist das potenziell halt immer vermehrungsfähig. Das macht die Sache speziell, und es greift natürlich in den Kern von dem, was landläufig als Natur bezeichnet wird, ein, weshalb meiner Ansicht nach auch dieses Unwohlsein bei diesem Leben mit den Grenzwerten durchaus seine Berechtigung hat und mich selber auch von Zeit zu Zeit immer wieder überkommt. Grundsätzlich ist es schon schlimm auf eine Art, finde ich.
Kaess: Herr Potthoff, Sie sind auch Biologe. Welche Rolle spielt denn die Gentechnik noch für die Wissenschaft? Erhofft man sich davon noch entscheidende Lösungen, zum Beispiel für die Welternährung angesichts des Klimawandels?
Potthoff: Meiner Einschätzung nach wird es überschätzt. Meiner Ansicht nach wird auch praktisch die Wissenschaft immer oder zu oft gleichgesetzt mit der Naturwissenschaft, wenn Sie Welternährung und Hunger ansprechen. Wenn Sie die wichtigen großen Hilfsorganisationen fragen und Sie lassen die zehn wichtigsten Probleme aufschreiben, was für Probleme habt ihr vor Ort, wenn es um Hunger geht, dann werden Sie nicht Saatgutqualität finden. Sie werden finden Zugang zu Wasser, Zugang zu Land, Zugang zu Menschenrechten, allgemeine Demokratie, allgemeine Sicherheit von Leib und Leben, Kriegsgebiete und so weiter. Sie werden aber erst unter ferner liefen finden, dass nicht das richtige Saatgut vorhanden ist. Insofern glaube ich, dass dieser Wind, der auch durch die Wissenschaft gemacht wird, durch die Naturwissenschaft gemacht wird, dass der meiner Ansicht nach viel zu unbescheiden ist.