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Kein Veto gegen vorgezogene Verkürzung

Der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter, unterstützt die geplante Verkürzung des Zivildiensts ab August auf sechs Monate. "Aus einer rein zivildienstpraktischen Sicht kann ich jedenfalls kein Veto einlegen", sagte der Theologe und Jurist.

Jens Kreuter im Gespräch mit Jochen Spengler | 18.03.2010
    Jochen Spengler: Es sind also alles andere als entspannte Tage für den Bundesverteidigungsminister. Als wolle er Handlungsfähigkeit beweisen, preschte er gestern mit einem Reformprojekt vor, das innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist: die Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate soll schon zum 1. Oktober dieses Jahres greifen. Für den Zivildienst soll die Verkürzung sogar schon zum 1. August in Kraft treten.

    Genauso hart wie um den Wehrdienst, wird also vermutlich um die Verkürzung des Zivildienstes gerungen, der vor 20 Jahren noch 20 Monate dauerte. Schon ob August sollen es wie gesagt nur noch sechs sein.

    Am Telefon begrüße ich Jens Kreuter, den Bundesbeauftragten für den Zivildienst. Guten Tag, Herr Kreuter.

    Jens Kreuter: Guten Tag, Herr Spengler.

    Spengler: Zunächst einmal zum Termin: August. Ist eine Umstellung in viereinhalb Monaten zu schaffen?

    Kreuter: Ich kann jetzt natürlich nicht den Ressortabstimmungen und den Abstimmungen in den Fraktionen vorgreifen. Ich kann nur das aus Sicht des Zivildienstes einschätzen. Da ist es wichtig, die Reaktion, das Verhalten der jungen Männer mit zu berücksichtigen.

    Es führt ja wohl kein Weg daran vorbei, dass die Verkürzung zum Jahr 2011 - und zwar spätestens zum 1. Januar - wirksam wird. Wenn wir eine Situation hätten, dass alle wüssten, wenn du ab dem 1. Januar 2011 anfängst, musst du nur sechs Monate dienen, würden die jungen Männer nach meiner Einschätzung versuchen, ihren Dienstbeginn rauszuschieben.

    Im Zivildienst darf sich ja jeder selber seinen Platz suchen und auch selber den Dienstantrittsbeginn vereinbaren mit der Dienststelle. 98 Prozent machen das, ein ganz gut funktionierendes, selbst gesteuertes System. Das heißt, die jungen Männer wären dabei erfolgreich und die Schulabgänger diesen Jahres, die normalerweise im August/September ihren Zivildienst beginnen würden, würden uns fehlen und würden erst im Januar kommen.

    Das heißt, wenn es zu einer Januar-Lösung käme, hätten wir in diesem Herbst ein großes Loch. Wenn es zu der Lösung käme, die Minister zu Guttenberg vorgeschlagen hat, nämlich für den Zivildienst ab 1. August, könnten und würden sich nach meiner Einschätzung die jungen Männer so verhalten, wie sie das immer getan haben. Wir hätten in diesem Herbst dann ganz normale Verhältnisse und hätten dann eben im Frühjahr 2011, früher als vielleicht von manchen erwartet, ein Loch.

    Spengler: Das heißt, ich interpretiere Ihre Äußerungen richtig, wenn Sie sagen, eigentlich ist es ganz gut, wenn es vorgezogen wird?

    Kreuter: Aus einer rein zivildienstpraktischen Sicht kann ich jedenfalls kein Veto einlegen.

    Spengler: Wieso jammern dann die Wohlfahrtsorganisationen?

    Kreuter: Wenn ich das richtig verstehe und wenn man ein bisschen übliche Jammerei abzieht, beklagen die vor allem, dass es für die Einzelheiten dieses künftigen Dienstes im Moment noch keine Planungssicherheit gibt.

    Spengler: Nun kommt das ja nicht aus dem Nichts, sondern das wurde ja schon in der Regierungserklärung angekündigt, dass man den Zivildienst verkürzen wolle. Da hätten sie sich doch schon längst darauf vorbereiten können?

    Kreuter: Ja. Auch die verschiedenen Terminszenarien sind auch mit den Wohlfahrtsverbänden mehrfach durchgespielt worden. Wie gesagt, die genauen Rahmenbedingungen, wie sieht der Dienst genau aus, wie sehen die finanziellen Dinge aus, gibt es - das ist in der Moderation eben angesprochen worden - eine freiwillige Verlängerung oder nicht, das sind Fragen, die im Moment noch nicht beantwortet sind.

    Spengler: Die auch die Politik beantworten muss?

    Kreuter: Die natürlich der Gesetzgeber beantworten muss. Das ist ganz klar, das muss gesetzlich geregelt werden. Und die Stellungnahmen, die ich jetzt gestern und heute wahrgenommen habe, sagen im Kern, wenn das zum 1. August kommen soll, müssen wir aber deutlich vorher wissen, wie die Rahmenbedingungen im Einzelnen sind.

    Spengler: Herr Kreuter, ist denn ein sechsmonatiger Zivildienst überhaupt noch sinnvoll?

    Kreuter: Erst mal stellt die Frage sich ja nicht. Die Bundesregierung hält an der Wehrpflicht fest, es wird auch künftig junge Männer geben, die sagen, ich kann und will keine Waffe in die Hand nehmen, ich bin Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Wir rechnen damit, dass sich daran, an den Zahlen nichts ändert.

    Spengler: Ich stelle Ihnen die Frage aber trotzdem. Ist das noch sinnvoll: sechs Monate?

    Kreuter: Es ist allein deshalb sinnvoll, weil wir einen Ersatzdienst für anerkannte Kriegsdienstverweigerer brauchen. Die spannende Frage ist, welchen qualitativen Standard hat das.

    Spengler: Nun könnten zum Beispiel Zivildienstleistende ja auch Straßen kehren, Schnee schippen. Das könnte man ja auch den Zivildienstleistenden überantworten.

    Kreuter: Das könnte man auch machen. Das wäre nicht schön, aber wenn man seine Fantasie in so eine Richtung bewegen will, kann man sich das vorstellen.

    Spengler: Müsste man das denn machen, wenn man sechs Monate hat?

    Kreuter: Das hängt davon ab, wie die Einsatzstellen sich verhalten. Wir haben ja die spannende Situation in Deutschland, dass der Zivildienst praktisch komplett nicht staatlich durchgeführt wird. Die sozialen Einrichtungen bieten Plätze an, weil sie selber den Zivildienst als sinnvolle Sache bisher erlebt haben, für sich selber. Da kommen junge Männer mit frischem Schwung, mit neuen Ideen, mit Jugendlichkeit in Einsatzstellen rein, allein das ist ein Vorteil. Das wird auch bleiben.

    Ich setze alles daran, die Rahmenbedingungen künftig so zu gestalten, dass das in vollem Umfang erhalten bleibt und es auch künftig viele spannende Angebote für junge Männer gibt, wie sie ihren Zivildienst absolvieren können.

    Spengler: Jens Kreuter, der Bundesbeauftragte für den Zivildienst. Danke für das Gespräch, Herr Kreuter.

    Kreuter: Gerne!