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"Kein Wettbewerb über die Lohnkosten"

Ver.di-Vorstandsmitglied Andrea Kocsis hat sich zufrieden mit dem Kabinettsbeschluss zum Mindestlohn bei den Briefzustellern gezeigt. Wettbewerb unter den Dienstleistern könne weiterhin stattfinden, allerdings nicht allein über die Lohnkosten, sagte Kocsis.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In Deutschland gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn, und das wird sich auch unter der großen Koalition nicht ändern, denn die Union lehnt ihn ja eisern ab. Dafür aber tobt jetzt die Schlacht um eine Mindestlohn Branche für Branche. Den Anfang hatten die Maurer gemacht, dann die Gebäudereiniger, und jetzt sollen die Briefträger folgen. Das hat gestern das Kabinett beschlossen. Aber auf Druck der Union sind einige Einschränkungen vorgenommen worden. Der ausgehandelte Tarifvertrag, so die Union, erfülle nicht die Kriterien, um für die ganze Branche für allgemeinverbindlich erklärt zu werden. Den Tarifvertrag hatten in Rekordzeit ausgehandelt die Gewerkschaft ver.di und faktisch die Post. Die Kritik daran ist ziemlich heftig.

    Am Telefon begrüße ich das ver.di Vorstandsmitglied Andrea Kocsis. Guten Morgen!

    Andrea Kocsis: Guten Morgen!

    Meurer: Der Mindestlohn bei der Post ist noch nicht unter Dach und Fach und Sie sind trotzdem zufrieden. Warum?

    Kocsis: Wir sind zufrieden, weil jetzt der erste notwendige Schritt gestern im Kabinett gemacht wurde und selbst mit den kleinen semantischen Veränderungen, die also die Kurierdienste und die Zeitungszusteller ausschließen, sind wir trotzdem im Geltungsbereich des Tarifvertrages, den wir für die Branche abgeschlossen haben.

    Meurer: Für die Betroffenen sind das aber mehr als nur semantische Veränderungen. Werden Zeitungsverteiler oder Paketboten nicht davon profitieren?

    Kocsis: Ja. Also wir haben von Anfang gesagt, wir orientieren uns am Postgesetz. Das hat ja auch über den 1.1.2008 hinaus Gültigkeit. Und jeder in dieser Republik, der einen Brief zustellen will, braucht weiterhin eine Lizenz. Und auch in diesem Postgesetz sind Zeitungszusteller und Kurierdienstleister ausgenommen. Deswegen ist es für uns keine Verschlechterung.

    Meurer: Sie hatten ja nach der Kabinettsklausur von Meseberg, wo die Anwendung des Entsendegesetzes beschlossen worden ist, also binnen Stunden, so hat es fast den Eindruck gehabt, einen Tarifvertrag vereinbart mit den Arbeitgeberverband Postdienste. In der Hauptsache ist das die Post AG. War das ein Versuch, das Monopol der Post zu zementieren im Interesse der Postmitarbeiter?

    Kocsis: Wenn wir das gewollt hätten, dann hätten wir uns ausdrücklich und ausschließlich auf den Haustarifvertrag der Deutschen Post AG bezogen. Es ist richtig, dass die Post AG Mitglied ist in diesem Arbeitgeberverband. Es gibt aber auch weitere Unternehmen. Auch mittelständische Unternehmen, die auch sofort, wenn der Tarifvertrag denn Gültigkeit hat, ihre Gehaltstrukturen anpassen müssen. Dies gilt im Übrigen auch für die Post und für ihre Tochterunternehmen. Dass wir so schnell waren, lag in der Natur der Sache. Wir waren ja seit einem Jahr in der Diskussion, dass wir eigentlich eine Verlängerung der Exklusivlizenz gefordert haben, um eben Lohn- und Sozialdumping wirkungsvoll zu verhindern.

    Meurer: Exklusivlizenz heißt was?

    Kocsis: Das hieß, dass es ja bis Ende des Jahres einen restmonopolisierten Bereich gibt, in dem also festgelegt ist, dass nur bestimmte Unternehmen mit bestimmten Lizenzen überhaupt Briefe bis 50 Gramm zustellen dürfen. Und diese Exklusivlizenz fällt ja zum Ende des Jahres weg. Das heißt also, das, was die Post ausschließlich machen durfte, ist dann vollständig liberalisiert.

    Meurer: Machen Sie mit dem Tarifvertrag, den Sie vereinbart haben, auch wenn der unter dem Haustarifvertrag bei der Post liegt, damit Arbeitsplätze bei den neuen Konkurrenten kaputt?

    Kocsis: Das hoffen wir nicht, dass das Fall ist, weil sonst die Konkurrenten die ganze Zeit versichern, dass sie Löhne über 8,00 Euro zahlen. Wir sagen in dieser Tarifvereinbarung, die wir getroffen haben, dass wir bei der Post Löhne zwischen 11 und 16 Euro finden. Und wir glauben, dass damit weiterhin Wettbewerb stattfinden kann, allerdings nicht allein über die Lohnkosten. Das haben wir, glaube ich, damit ausgeschlossen. Wenn ich noch etwas sagen darf zu der Schnelligkeit. Wir waren also lange darauf vorbereitet, einen Mindestlohntarifvertrag abzuschließen und es wurde uns ja unterstellt, dass wir das innerhalb von Stunden gemacht haben. Es hat nur wenige Tage gedauert. Allerdings haben wir auch nicht viel verhandelt. Es waren am Ende nur vier Stundenlöhne, die dort verhandelt wurden. Dafür braucht man keine Wochen.

    Meurer: Sind Sie denn bereit, mit den neuen Postdienst-Wettbewerbern jetzt weitere Verhandlungen aufzunehmen?

    Kocsis: Also ich bin immer bereit, Gespräche zu führen, allerdings haben wir aus unserer Sicht einen gültigen Mindestlohntarifvertrag abgeschlossen. Für mich gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, würde ich meine eigenen Verhandlungen, mein Ergebnis konterkarieren. Dieser Mindestlohntarifvertrag ist ja auch schon auf dem Weg zum Bundesarbeitsministerium, um dort die Allgemeinverbindlichkeit herzustellen. Deswegen kann ich natürlich keinen zweiten Mindestlohntarifvertrag verhandeln.

    Meurer: Über was wollen Sie dann mit den neuen Postdienstleistern reden?

    Kocsis: Na, ja. Wir haben ja jetzt an der Stelle erst einmal nur die Löhne verhandelt. Es gibt ja weitere Bedingungen, die man zu den Beschäftigungsbedingungen zählt. Da geht es von Fragen von Urlaub, von Arbeitszeit und alles, was man sonst als übliche Arbeitsbedingung definiert und ich glaube, da gibt es in der einen oder anderen Stelle Gesprächsbedarf. Da will ich auch noch sagen, wir sind mit der PIN AG sowieso seit Anfang des Jahres in Tarifverhandlungen, auch wenn dies in der Öffentlichkeit anders dargestellt wird. Mit denen sind wir in Verhandlungen über einen Haustarifvertrag. Sie sind nicht abgebrochen durch die PIN und auch durch uns. Und ich hoffe, dass wir auch dort einen Schritt weiter kommen.

    Meurer: Na, mal die Hand aufs Herz! Wäre es Ihnen am liebsten, es gäbe überhaupt nicht die neuen Dienstleister?

    Kocsis: Absolut überhaupt nicht. Das ist nicht so. Wir haben uns von Anfang für Wettbewerb ausgesprochen. Wie ich aber gerade schon einmal sagte, auf gar keinen Fall ausschließlich über die Lohnkosten. Wir haben bei den neuen Wettbewerbern viele Kolleginnen und Kollegen, die mittlerweile auch in ver.di organisiert sind, die sehr froh sind, wenn wir eine Lohnuntergrenze einziehen und nur darum geht es ja. Es geht ja nicht darum, da die kompletten Beschäftigungsbedingungen über Gesetz zu regeln. Dazu sind wir Tarifvertragspartei, sehen uns auch durchaus in der Lage, das auch weiterhin zu tun. Also Wettbewerb ja, allerdings nicht allein über Lohn- und Sozialdumping.

    Meurer: Streit um die Mindestlöhne und die Anwendung des Entsendegesetzes auf die Postbranche. Das war das ver.di Vorstandsmitglied Andrea Kocsis heute morgen im Deutschlandfunk. Frau Kocsis, schönen Dank und auf Wiederhören!

    Kocsis: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören!