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Kein wirklicher Aufbruch erkennbar

Am vergangenen Sonntag ist in Mannheim der 98. Deutsche Katholikentag zu Ende gegangen. Bei dem fünftägigen Treffen nahmen etwa 80.000 Besucher an rund 1.200 Einzelveranstaltungen teil, bei denen es vor allem um kirchliche Reformfragen und gesellschaftspolitische Themen ging.

Von Matthias Gierth |
    Der 98. Deutsche Katholikentag in Mannheim wird als Christentreffen in die Geschichte eingehen, das vielfältige innerkirchliche Themen und Streitthemen zur Sprache gebracht hat. So offen wie selten zuvor wurde über heiße Eisen wie die Rolle der Frau in der Kirche, die katholische Sexualmoral und die Teilnahme von Protestanten beim katholischen Abendmahl diskutiert.

    Erstmalig gelang es auch, einen breiten Dialog der Theologie mit den Natur- und Geisteswissenschaften anzustoßen. Wer erklärt die Welt besser: Darwin oder die Schöpfungserzählungen im ersten Buch Mose, der Genesis? Das interdisziplinäre Gespräch über Fragen der Welt- und Kosmosentstehung zeigte paradigmatisch, dass theologische Deutung und naturwissenschaftliche Erkenntnis einander nicht widersprechen müssen. Vorausgesetzt beide Disziplinen überschreiten nicht ihren je eigenen Zuständigkeitsbereich, wie es beim Kreationismus beziehungsweise beim reinen Naturalismus der Fall ist.

    Dass auch solche Podien mit gewiss nicht leichter inhaltlicher Kost viele hundert Teilnehmer anziehen konnten, unterstreicht, dass die Katholikentage wichtige thematische Austauschbörsen der Gesellschaft sind und nicht bloße innerkirchliche Debattierzirkel.

    Der Mannheim Katholikentag wird allerdings nicht als jener Katholikentag in die Geschichte eingehen können, der das vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken in Aussicht gestellte Aufbruchssignal ausgesendet hätte. Wer gehofft hatte, dass das Motto "Einen neuen Aufbruch wagen" beim Katholikentag den nötigen Schub erfahren hätte, den jeder Aufbruch braucht, wurde enttäuscht. Konkrete Schritte aus der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche heraus hat das viertägige Treffen nicht setzen können.

    Tatsächlich scheint ein Aufbruch, der zu echten Struktur- und Positionsveränderungen in der katholischen Kirche führt, von den deutschen Bischöfen auch gar nicht mehr gewollt zu sein. Schon wer die Predigt im Eröffnungsgottesdienst von Erzbischof Robert Zollitsch hörte, musste gewarnt sein: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz vermied es penibel, die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche und die Notwendigkeit zu einem umfassenden innerkirchlichen Neuanfang in den Mittelpunkt seiner Ansprache zu stellen. Konkrete Konfliktfelder und den Dissens, den es derzeit so massiv zwischen Gläubigen und Bischöfen gibt, benannte er gleich gar nicht.

    Es ist Erzbischof Zollitsch durchaus zuzubilligen, dass er selbst Veränderungen in der katholischen Kirche nicht gänzlich ablehnend gegenübersteht. Ihn drängt es, eine Lösung bei der Frage der Kommunionzulassung Wiederverheiratet Geschiedener zu finden, er wäre bereit auch über die Lockerung der Zölibatsverpflichtung der Priester nachzudenken.

    Aber Zollitsch hat erkennen müssen, dass seine Kollegen, dass die deutsche Bischofskonferenz in diesen Fragen tief gespalten ist und den Reformern unter den Bischöfen der Mut zur offenen Auseinandersetzung nicht zuletzt mit Rom fehlt. Wirkliche Strukturveränderungen stehen deshalb nicht mehr auf seiner Agenda. So euphorisch und adhoc Erzbischof Zollitsch den Dialogprozess auf dem Höhepunkt der Missbrauchskrise initiiert hat, so leise scheint er nun den Rückzug anzutreten. Dialog durchaus, aber bitte ohne tiefgreifende Folgen.

    Auf Seiten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist dagegen von seinem Präsidenten Alois Glück ein regelrechter Zeitdruck aufgebaut worden. Glück hat rund um Mannheim immer wieder betont, es bestehe jetzt ein Zeitfenster von wenigen Jahren, innerhalb dessen es zu Veränderungen kommen müsse. So manövrieren sich beide Seiten in die Ecke.

    Die meisten Teilnehmer in Mannheim werden unterdessen das Gefühl mit nach Hause nehmen, ein nettes Glaubensfest gefeiert zu haben, bei dem man seiner Enttäuschung über die katholische Kirche schon mal Luft machen konnte. Das ist natürlich nicht nichts, aber es ist zu wenig. Ein echter Aufbruch von Gläubigen und Bischöfen gemeinsam sieht anders aus. Verweigern sich die Bischöfe dem Zeitfenster, das Alois Glück benannt hat, wird die Resignation am Ende bei den noch engagierten Katholiken, beim Zentralkomitee, riesengroß sein.

    Die Tage von Mannheim deuten leider herauf hin, dass es so kommen wird.

    Mehr zum Katholikentag auf dradio.de:
    Eine zukunftsfähige katholische Kirche? - Deutschlandradio berichtete vom 98. Deutschen Katholikentag