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Keine Alternative im Roten Rathaus

Dass Klaus Wowereit bis 2016 im Roten Rathaus bleibt, glaubt in der Hauptstadt offenbar kaum jemand. 71 Prozent der Bürger sind mit der Arbeit des Regierenden Bürgermeisters unzufrieden. Das Problem: Eine wirkliche Alternative fehlt bislang.

Von Günter Hellmich | 24.01.2013
    "Ich eröffne wieder unsere Sitzung und gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Misstrauensantrag auf Drucksache 17/745 bekannt. Das erforderliche Quorum bestand bei 75 Stimmen. Abgegebene Stimmen 147. Mit Ja stimmten 62, mit Nein 85. Damit ist der Antrag abgelehnt."

    Der Gong für die Verkündung des gescheiterten Misstrauensvotums war für den angeschlagenen Klaus Wowereit zugleich der Gong für die nächste Runde.

    "Die Koalition hat in dieser schwierigen Situation Handlungsstärke bewiesen. Und dementsprechend ist es eine gute Grundlage auch für die Legislaturperiode. Wir haben vieles vor. Ich bin gewählt worden für die volle Legislaturperiode und werde dieses Amt auch ausüben."

    Ein bisschen unscharf formuliert war das schon. Vermutlich mit Absicht. Denn dass Wowereit wirklich bis 2016 im Roten Rathaus bleibt, glaubt niemand. So ganz ausgeschlossen hatte er einen Rücktritt wohl selbst nicht. "Das kann man auch anders machen" hatte er gesagt, als er im Fernsehen begründete, warum er wegen des Flughafendebakels nicht auch als Regierungschef zurücktrat. Ramona Pop, grüne Fraktionschefin, spricht aus, was alle wissen:

    "Es pfeifen ja die Spatzen von den Dächern, die SPD hat keine Alternative zu Klaus Wowereit. Also darf Klaus Wowereit so lange weitermachen im Roten Rathaus, bis die SPD sich auf einen Nachfolger geeinigt hat. Und die CDU ist ja froh, nach zehn Jahren wieder mitregieren zu dürfen und tut auch alles, um weiter an der Regierung zu bleiben."

    Und auch das wissen eigentlich alle: Klaus Wowereit hatte sein Haus ursprünglich bestellt: Michael Müller, der ihm erst als Fraktions- und dann auch als Parteivorsitzender fast elf Jahre lang den Rücken frei gehalten hatte, war 2011 nach der Wahl als Kronprinz mit dem wichtigen Stadtentwicklungsressort in den Senat aufgerückt. Doch angesichts einer bequemen Mehrheit der rot-schwarzen Koalition – entwickelte sich eine Palastrevolution: Erst verdrängte Raed Saleh, der sich bereits in Spandau als SPD-Kreisfürst und virtuoser Mehrheitsbeschaffer einen Namen gemacht hatte, den von Wowereit und Müller ausersehenen Kandidaten für den Fraktionsvorsitz.

    Mit dem neuen Amt im Rücken half Saleh dann im letzten Frühsommer für Jan Stöß - über alle Flügel hinweg - die Mehrheit für eine erfolgreiche Kampfkandidatur um den Parteivorsitz zu organisieren. Gegen Kronprinz Müller, der so beschädigt ist, dass ihm derzeit die Autorität fehlt, Wowereit zu beerben. Selbst wenn die Jungstars Saleh mit 35 und Stöß mit 39 Jahren sich ausgerechnet haben sollten, den Regierenden Genossen Klaus innerhalb dieser Legislaturperiode zu beerben: Sie wissen, es ist für sie definitiv noch zu früh.

    Spätestens bei der geheimen Wahl des Regierungschefs hätten sie keine Chance. Kein Wunder, dass sie jede Personaldebatte wegwischen und lieber gemeinsam mit Wowereit ein programmatisches Thesenpapier mit dem angesichts der Flughafenpleite kuriosen Titel "Berlin – Stadt des Aufstiegs" vorstellen. Ein Nachfolger wird derzeit nicht gebraucht, sagt Fraktionschef Saleh.

    "Die Frage hat sich nicht gestellt. Wir haben einen Regierenden Bürgermeister namens Klaus Wowereit. Er ist gewählt für die Dauer der Legislaturperiode. Und wir als SPD-Fraktion, der Senat und die Partei, setzen ganz klar auf Zukunft. Wir wollen, dass die wichtigen Themen angepackt werden, wir ducken uns nicht weg, wir sind nicht müde. Es geht voran."

    Prinzip Hoffnung, doch die letzte Meinungsumfrage des RBB-Fernsehens nach dem Misstrauensvotum sieht für Wowereit weniger gut aus.

    "Klägliche 24 Prozent sind mit seiner politischen Arbeit noch zufrieden. Das ist ein riesen Minus von 13 Punkten gegenüber unserer Umfrage, die ja auch erst vier Wochen zurückliegt. Und 71 Prozent sind unzufrieden mit seiner politischen Arbeit. Ein Plus von zwölf Punkten. Für Klaus Wowereit geht es also seit Mitte des vergangenen Jahres steil bergab."

    Jan Stöß seit sieben Monaten Berliner SPD-Chef, Dr. jur., Verwaltungsrichter von Beruf, ficht das nicht an. Er tourt durch die Parteigliederung und freut sich, dass die Niedersachsenwahl vom Berliner Problem ablenkt:

    "Also, ich glaube, es war schon wichtig für die Stimmung in der Partei, dass es jetzt knapp geklappt hat. Vielleicht war es sogar besser, dass es so knapp war, dass die Stimmung drin war bis zum Schluss. Wenn das jetzt ein sicherer und eingepreister Sieg gewesen wäre, dann hätte man das so zur Kenntnis genommen. Jetzt war es klar, man musste kämpfen und es hat geklappt. Und das sorgt natürlich für gute Stimmung."

    Während Klaus Wowereit Dienstagabend in der Talkshow bei Maischberger munter für die SPD Bundestagswahlkampf macht und an der Imageverbesserung werkelt, sitzt Stöß mit 35 Köpenicker Genossen im dortigen Rastkeller

    "Ja, liebe Genossinnen und Genossen, ich begrüße euch ganz herzlich zu einer großen Abteilungsversammlung heute. Zwei Ortsvereine kommen hier zusammen. Und das nicht ohne Grund, weil wir auch prominenten Besuch, nämlich unseren Landesvorsitzenden Jan Stöß, den ich ganz herzlich hier begrüße in unserer Runde, den wir hier zum Jahresauftakt begrüßen. Herzlich willkommen."

    Stöß kann zufrieden sein, anders als die Medien will hier niemand über Wowereit und das Flughafendebakel reden. Der Bundestagswahlkampf steht vor der Tür und Matthias Schmidt, der Wahlkreiskandidat der SPD, soll Gregor Gysi besiegen. Möchte er in dieser Situation, dass Wowereit im Wahlkampf hilft.

    "Sofort, wenn er herkommt, ich heiße ihn herzlich willkommen und freue mich, wenn er da ist. Er zieht noch immer viele Menschen, auch wenn er momentan eine schwierige Phase hat. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn er zu mir käme, ja."

    Matthias Schmidt hat seit der Niedersachsenwahl noch eine andere Idee. Er will gemeinsam mit den Grünen Wahlkampf machen. Hofft auf die Erststimmen von grünen Wählern, damit Gregor Gysi diesmal das Direktmandat los wird. Auch an eine grüne Prominente denkt er schon zur Unterstützung: Renate Künast. Sie muss ja nicht zusammen mit Klaus Wowereit auftreten.