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"Keine CDU-Kanzlerin ohne starke CSU"

Nach Ansicht des CSU-Politikers Bernd Posselt ist Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzende "nicht wahrnehmbar". Insgesamt falle es der CDU in der Großen Koalition schwer, eigenständige Positionen zu besetzen. Der designierte CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, der auch für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten nominiert wurde, werde dagegen in Berlin deutliche Worte sprechen, sagte Posselt.

Bernd Posselt im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Das sind bewegende Tage für die CSU. Erst ein Absturz in der Wählergunst, dann Rücktritte der Führungsmannschaft und auch der Aspiranten auf Führungsposten und jetzt die Wahl des Retters aus Berlin, obwohl doch gerade das Verhältnis zu Berlin sich künftig anders gestalten dürfte. - Am Telefon begrüße ich Bernd Posselt. Er ist der Münchener Abgeordnete im Europaparlament, Mitglied im Vorstand der CSU, Präsident der Pan-Europa-Union und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, ist also nicht nur in Bayern und Europa verwurzelt, sondern hat eine Art Hausmacht in Bayern. Guten Morgen, Herr Posselt.

    Bernd Posselt: Grüß Gott!

    Liminski: Mit diesem Gruß sind wir beim Thema. In Bayern gibt es für den Messias einen Prototyp: Franz-Josef Strauß. Die "Frankfurter Rundschau" nannte den neuen Vorsitzenden gestern "Franz-Josef Seehofer". Ist Seehofer der Heilsbringer für die angeschlagene CSU? Das Ergebnis gestern in der Fraktion war ja nicht so überwältigend.

    Posselt: Zunächst war Strauß kein Messias, sondern eine großartige Führungspersönlichkeit, und auch Seehofer ist kein Messias, aber er ist eine Persönlichkeit, die sehr von Strauß geprägt wurde. Das hat er auch dem Parteivorstand sehr betont. Und er ist jemand, der durchaus ein Hoffnungsträger unserer Partei ist, weil er ein Programmatiker ist, weil er eine große Erfahrung hat in der Politik und weil er Charisma besitzt. Deshalb glaube ich schon, dass er eine große Chance bietet. Dass es da ein, zwei Gegenstimmen gegeben hat, das ist in der Demokratie normal.

    Liminski: Gab es überhaupt eine Alternative zu ihm?

    Posselt: Zunächst im Parteivorstand - das muss man auch sagen - haben wir ihn einstimmig aufs Schild gehoben für beide Funktionen, und zwar weil wir allesamt der Meinung waren, er ist der richtige Mann am richtigen Platz.

    Liminski: Seehofer spricht von einem neuen Politikstil. Es solle nicht mehr nach Befehl und Gehorsam gehen. War das denn vorher so?

    Posselt: Nein, das war vorher nicht so. Ich muss wirklich sagen, dass gerade ein Edmund Stoiber oder ein Franz-Josef Strauß zwar sehr starke Persönlichkeiten waren und sind, dass aber der Widerspruch im Parteivorstand nicht nur geduldet war, sondern wir haben dort eine hohe Diskussionskultur. Gerade ich gehöre zu denjenigen, die dort sehr deutlich und vernehmlich immer wieder ihre Meinung geäußert haben, auch wenn es nicht die Meinung der Hauptströmung war, und ich glaube, dass diese Diskussionskultur gut ist. Was Horst Seehofer gemeint hat war, glaube ich, etwas anderes, nämlich dass die Kommunikation verbessert werden muss zwischen den Mandatsebenen und innerhalb der Partei, und das stimmt. Da ist einiges noch zu verbessern.

    Liminski: Eine Sache sind die Personalfragen, die ja nun weitgehend gelöst sind, eine andere die Sachfragen. Herr Posselt, hat man das Ergebnis schon insoweit analysiert, dass man auch zu einem neuen Politikstil gegenüber Berlin kommen wird? Konkret: Wird das Verhältnis zur Großen Koalition und damit auch zur CDU rauer?

    Posselt: Wir haben im Grunde genommen ein sehr großes Problem damit, dass die Kanzlerin in ihrer Rolle als CDU-Vorsitzende nicht wahrnehmbar ist und die CDU überhaupt nicht über eine eigenständige Stimme in dieser Großen Koalition verfügt. Die Kanzlerin ist ein hervorragender Regierungschef, aber eigenständige Positionen zu besetzen, das ist Aufgabe von CDU und CSU. Und nachdem die CDU da weitgehend ausfällt, ist es in besonderer Weise Aufgabe der CSU, und das werden wir sehr intensiv tun. Gerade jemand wie Horst Seehofer, der dem von Franz-Josef Strauß gegründeten Verein für deutliche Aussprache angehört und große bundespolitische Erfahrung hat, wird sicher ein sehr deutliches Wort in Berlin sprechen.

    Liminski: Ein Konfrontationsthema ist ja bekannt: die Erbschaftssteuer. An welchen Themen lässt sich das rauere Klima noch festmachen?

    Posselt: Zunächst einmal ist bei der Erbschaftssteuer vereinbart, dass sie reformiert werden soll. Wir haben hier Fixpunkte festgemacht und wenn diese Fixpunkte nicht akzeptiert werden, dann kann es keinen Kompromiss geben und dann scheitert der Versuch einer Reform der Erbschaftssteuer und dann läuft sie entsprechend dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts am Jahresende aus. Deshalb ist ein Kompromiss dringend notwendig. Andere Punkte ergeben sich einfach aus der Sache. Man muss vor allem ganz klar sehen, dass die CSU entschlossen ist, die Bürger zu entlasten. Das ist der entscheidende Punkt. Unser Entlastungskonzept, das Erwin Huber entwickelt hat, das war kein Wahlkampf-Gag, sondern das ist der Kern unserer Programmatik, dass die Menschen entlastet werden müssen, vor allem die schwächer Verdienenden, vor allem die Familien und vor allem der Mittelstand und die Pendler. Man hat sich sehr lustig gemacht über die Pendlerpauschale, aber das ist in der Zeit der Mobilität ein ernsthaftes Problem. Aber das ist nur einer der Punkte des Konzepts gewesen und dieses Konzept gilt weiter: massive Entlastung der kleineren Existenzen und der Familien.

    Liminski: Und da wagen Sie auch die Konfrontation mit der CDU?

    Posselt: Es geht hier nicht um Konfrontation um der Konfrontation willen. Aber was richtig ist, muss gesagt und so weit als möglich durchgesetzt werden - auch in einer Koalition. Diese Koalition wird abgesehen davon noch bis zum Ende der Periode existieren und dann wird es eine neue Koalition geben und wir müssen natürlich auch über den Wahltag hinaus denken.

    Liminski: Was verspricht man sich denn von einem solchen raueren Klima? Die Wahl ist doch gelaufen in Bayern.

    Posselt: Erstens einmal hat Franz-Josef Strauß gesagt, der nächste Wahlkampf beginnt am Tag nach der Wahl. Aber hier geht es gar nicht um Wahlkampf, sondern hier geht es schlichtweg um die Durchsetzung von elementaren Positionen und das ist ja auch Politik. Politik ist doch vollkommen sinnlos, wenn man nur vor den Wahlen kurz ein Konzept entwickelt und anschließend wieder einschläft. Das entspricht nicht dem CSU-Konzept von Politik.

    Liminski: Geht es bei dieser Konfrontation oder bei diesem politischen Verständnis auch um Lagerdenken? CDU-Generalsekretär Pofalla spricht von einer bürgerlichen Mehrheit, von einem Lager, und in München wird es ja auch zu einer bürgerlichen Koalition mit der FDP kommen.

    Posselt: Diese Äußerung von Herrn Pofalla in der Wahlnacht habe ich als ausgesprochen ärgerlich empfunden. Herr Pofalla tut so, als wenn es völlig belanglos wäre, wenn einige Stimmen zwischen verschiedenen Parteien hin- und herwandern. Entweder gibt es zwei C-Parteien, die miteinander als Schwesterparteien verbunden sind, nämlich CDU und CSU, oder die CDU ist eine beliebige Kraft im so genannten bürgerlichen Lager. Und da muss ich sagen, das entspricht nicht meinem Verständnis von C-Parteien. Abgesehen davon ist der Begriff bürgerlich sehr wenig aussagekräftig. Ich meine, die CSU tritt zum Beispiel für den Schutz des Sonntags ein; die FDP will den Sonntag liberalisieren. Die CSU tritt für den Schutz des Lebens ein, auch des ungeborenen Lebens; die FDP steht da auf der liberalen Seite. Was ist da bürgerlich? - Bürgerlich sind in gewisser Hinsicht auch andere Parteien. Dieser Begriff, muss ich sagen, taugt nicht zur Definition einer Positionsbestimmung.

    Liminski: Herr Posselt, jetzt, da die absolute Mehrheit in Bayern verloren ist, könnte man ja der alten Strauß-Idee wieder nachgehen und an eine bundesweite CSU denken. Könnte das dem Reden vom gemeinsamen Lager oder auch von den C-Parteien wieder etwas mehr Sinn verleihen?

    Posselt: Niemand tritt für eine bundesweite Ausdehnung der CSU ein. Aber wenn natürlich aus der CDU heraus die Vereinbarung über die Fraktionsgemeinschaft nach Kreuth von 1976 in Frage gestellt wird, oder aber wenn man eine gewisse Häme hört wie in den Äußerungen von Herrn Pofalla über das Wahlergebnis in Bayern, dann muss man einfach sagen, es wird keinen CDU-Kanzler und keine CDU-Kanzlerin ohne starke CSU geben. Es wird nicht einmal eine CDU/CSU-Fraktion als stärkste Oppositionsfraktion im Bundestag ohne die CSU geben. Und man muss einfach sagen: Wer die Vereinbarung in Frage stellen würde, der würde natürlich heraufbeschwören, dass die CSU bundesweit antreten müsste, und Millionen von Wählern außerhalb Bayerns warten auf die CSU. Ich glaube aber nicht, dass das realistisch ist, sondern es wird weiter so sein, dass wesentliche Wählergruppen für die CDU/CSU insgesamt gebunden werden - auch außerhalb Bayerns - durch die Tatsache, dass es eine CSU gibt. Dann muss diese CSU aber klar vernehmbar sein.

    Liminski: Kauder, der Fraktionschef der Union, hat in der "Süddeutschen" die Sonderrolle der CSU gegenüber kritischen Stimmen in der eigenen Partei bekräftigt. Betrachten Sie das als ein Zeichen von Angst, dass aus der CSU vielleicht diese Sonderrolle nicht nur stärker bekräftigt wird, sondern vielleicht sogar auch man in Richtung bundesweiter CSU denkt?

    Posselt: Es gibt keine Sonderrolle, sondern es gibt zwei Parteien, die eine Fraktionsgemeinschaft bilden. Wir sind kein Landesverband der CDU und das scheint Herr Strobel, der der Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg und Schwiegersohn von Herrn Schäuble ist, vergessen zu haben, als er die Sonderrolle der CSU in Frage gestellt hat. Aber sein Vorgänger Kauder hat das offenbar bemerkt und hat ihn zur Ordnung gerufen.

    Liminski: Die CSU erfindet sich neu gegen Berlin. Das war aus München das Vorstandsmitglied der CSU Bernd Posselt. Er ist auch Präsident der Pan-Europa-Union und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe. Besten Dank für das Gespräch, Herr Posselt.