Archiv


"Keine Chancen" für NPD-Verbot

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält einen neuen NPD-Verbotsantrag für aussichtslos. "Die SPD hat sich etwas verrannt. Wir sollten die NPD nicht jeden Tag hochreden", sagte die frühere Bundesjustizministerin von der FDP. "Wir sollten uns doch lieber mit den Ursachen beschäftigen und endlich Fremdenfeindlichkeit, Rassismus anprangern", betonte sie.

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: Gibt es in Deutschland zu viele Ausländer? Fast jeder dritte Schüler in Deutschland beantwortet diese Frage mit ja, und ein weiteres Drittel der Schüler sagt, sie sehen es tendenziell so, dass in Deutschland zu viele Ausländer lebten. Diese Aussagen sind Kern eines Berichts, mit dem sich heute die Innenminister bei ihrer Konferenz im brandenburgischen Bad Saarow beschäftigen werden, daneben noch die Online-Durchsuchung, die steht auch auf der Tagesordnung, und das Thema NPD-Verbot. ( MP3-Audio , Beitrag von Gudula Geuther)

    Wir bleiben beim Thema Online-Durchsuchung. Darüber spreche ich nun mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. Sie ist Rechtspolitikerin und war früher Bundesjustizministerin. Einen schönen guten Tag!

    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Tag, Herr Schütte!

    Schütte: Joachim Herrmann will bayerische Ermittler in die Wohnung von Verdächtigen hinein lassen, um Software zu installieren. Die SPD, wir haben es gerade gehört, sagt, das sei verfassungswidrig. Wer hat denn das Urteil aus Karlsruhe, das Grundsatzurteil zur Online-Durchsuchung, nicht richtig gelesen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Innenminister Herrmann sollte wirklich mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts richtig gründlich lesen, das zur Online-Durchsuchung, das zum Lauschangriff, und gerade dann noch mal seinen Gesetzentwurf, der ja dieses heimliche Durchschnüffeln für den Verfassungsschutz regeln soll, noch mal genau unter die Lupe nehmen. Ich denke, er ist sehr, sehr gut beraten, wenn er schon mit aller Macht die Online-Durchsuchung für den Verfassungsschutz verankern will, von allen verfassungsrechtlichen Zweifelhaftigkeiten Abstand zu nehmen. Aber er muss insgesamt seinen Entwurf noch mal überprüfen. Der ist in vielen anderen Punkten viel zu unbestimmt.

    Schütte: Sie sagen, das Urteil ließe da keinen Spielraum zu. Aber bei der Umsetzung dürfen die Länder ja doch eigene Regelungen festlegen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich dürfen die Länder eigene Regelungen festlegen, aber sie kommen nicht umhin, sich ganz strikt mindestens an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu halten. Politisch würde ich mir wünschen, man würde noch mehr darüber hinausgehen zum richtigen, auch klaren Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Aber es sollten doch die Landesinnenminister sehr genau sich überlegen, was auch tatsächlich verfassungsrechtlich geht. Sie sollten wirklich sehr, sehr konkrete Regelungen treffen und nicht vieles im Nebulösen lassen, wie es doch derzeit in den Formulierungen in dem bayerischen Gesetzentwurf der Fall ist.

    Schütte: Karlsruhe hat ja schon einmal eine Sonderregelung zur Online-Durchsuchung einkassiert, in Nordrhein-Westfalen. Das weiß auch der bayerische Innenminister. Er muss also Gründe haben, warum er einen Sonderweg will.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Der bayerische Innenminister möchte sich wahrscheinlich in der Landtagswahlauseinandersetzung, und in der sind wir jetzt in Bayern, profilieren als der Obersheriff, der nun alles tut, um angeblich damit innere Sicherheit auch besser zu gewährleisten. Und es ist dieses alte Strickmuster: Machen wir mal ein Gesetz; wenn es verfassungswidrig ist, soll doch das Verfassungsgericht dann die entsprechenden Hürden aufzeigen und es korrigieren. Genau das ist der falsche Weg. Ich erwarte vom Innenminister, der Verfassungsminister ist, dass er endlich mal diese Vorgaben beachtet, auch wenn sie ihm nicht gefallen.

    Schütte: Was, wenn sich herausstellt, ohne ein Betreten der Wohnung funktioniert die Online-Überwachung nicht?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Dann wird die Online-Durchsuchung nicht stattfinden! Es war ja sehr bemerkenswert, dass die ganzen Fachleute, auch vom BKA, von den Verfassungsschutzbehörden auf der Bundes- und Länderebene, in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen der Richter genau danach. was macht ihr denn technisch - denn sie haben es ohne Grundlage ja schon angewandt -, nichts gesagt haben. Dazu hatten sie keine Aussagegenehmigung. Das heißt, kein Mensch weiß, was sie überhaupt technisch können, was entwickelt wurde. Fragt man jemanden konkret, zum Beispiel die Verfassungsschutzbehörden in NRW, sagen die, nein, wir haben keine Technik, die kaufen wir uns von anderen Ländern.

    Schütte: Wenn Sie sagen, wenn es technisch nicht funktioniert, dann wird es die Online-Durchsuchung eben einfach nicht geben. Allerdings das Argument war ja immer: Wir brauchen sie, um Terrorismus zu bekämpfen.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Das Argument trägt so einfach nicht mehr. Die Innenminister sind nicht in der Lage, konkret zu begründen, warum sie immer mehr Eingriffbefugnisse brauchen. Das hören wir seit sieben Jahren. Viele dieser Sicherheitspakete haben letztendlich keinerlei Auswirkung auf Vorgehen gegen Terrorismus. Das sagen sehr, sehr viele Fachleute. Von daher reicht das nicht aus. Wir haben eine hervorragende Gesetzeslage, viel zu dicht schon. Die sollen doch erst mal die Polizeibeamten richtig ausbilden, dass die von Bremen bis München auch mal mit dem Digitalfunk gemeinsam telefonieren können und nicht ihr privates Handy benutzen müssen.

    Schütte: Es gibt ein weiteres Thema auf der Innenministerkonferenz; das ist das NPD-Verbot. Da hat die SPD ihre Forderung nach einem Verbot noch einmal bekräftigt. Welche Chancen geben Sie diesem Vorhaben?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich gebe diesem Vorhaben keine Chancen. Und ich glaube, die SPD versucht hier nur noch etwas Gesichtswahrung zu betreiben, indem sie jetzt ein Gutachten mit unterstützt, was sich mit den Fragen der Parteienfinanzierung der NPD befasst und wo ich nicht sehe, wie da ein Weg außerhalb eines Verbotes gehen könnte. Die SPD hat sich etwas verrannt. Wir sollten die NPD nicht jeden Tag hochreden. Die müssen gar nichts tun und sind ständig in der Presse. Wir sollten uns doch lieber mit den Ursachen beschäftigen und endlich Fremdenfeindlichkeit, Rassismus anprangern und dazu etwas tun, aber nicht sich verrennen in diesem NPD-Verbotsverfahren.

    Schütte: Damit wären wir auch schon beim dritten wichtigen Thema dieser Innenministerkonferenz, nämlich der Studie zur Fremdenfeindlichkeit. Es wäre wichtiger, sagen Sie, an den Einstellungen der Menschen, vor allem der jungen Leute etwas zu ändern. Also hat die Integrationspolitik bisher versagt?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ja. Wir haben bisher leider keine Erfolgsbilanz in dieser Beziehung bei der Integrationspolitik, die ja aber auch erst seit wenigen Jahren sehr viel offensiver stattfindet. Viele Jahrzehnte gab es sie ja leider nicht. Wir müssen aber sehr viel mehr gerade auch schon in den Schulen aufklären über das Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunft, auch deutlich machen, dass niemand dem anderen etwas wegnimmt, niemand den anderen bevormunden will, dass wir aber Toleranz erwarten und ganz klar von jedem erwarten, dass er sich an unsere verfassungsrechtliche Grundordnung hält. Aber dafür muss man werben gerade bei jungen Menschen. Die sind ja nicht vorgefertigt in ihren Vorstellungen. Das findet anscheinend viel zu wenig statt.

    Schütte: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Rechtspolitikerin. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Danke, Herr Schütte.