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Keine gute Kunst

Immer wieder tauchen in deutschen Auktionshäusern und Galerien Aquarelle mit der Signatur Adolf Hitlers auf. In der kommenden Woche, am 3. September, bietet das Nürnberger Auktionshaus Weidler drei Aquarelle an, die der spätere Diktator in den Jahren 1910 und 1911 gemalt haben soll. Die Empörung ist dann jedes Mal groß.

Von Stefan Koldehoff |
    Dass eine Kunsthandlung Aquarelle mit der Signatur Adolf Hitlers anbietet, ist erstaunlich, aber kein Skandal. Erstaunlich, weil Hitler selbst ab 1933 versucht hatte, den Handel mit seinen Bildern zu verhindern und sie deshalb alle aufkaufen und vernichten zu lassen. Angeblich blieben nur 50 erhalten. Fachleute gehen schon deshalb davon aus, dass es sich bei mehr als der Hälfte aller Hitler-Devotionalien, die weltweit angeboten werden, um Fälschungen handelt.

    Die Empörung, die sich auch jetzt wieder einstellt, weil in Nürnberg drei solche Blätter angeboten werden, sollte man vor allem als berechtigten Reflex der Ablehnung von allem verstehen, was mit dem Namen Hitler zusammenhängt. Aber den Skandal, den einige Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen daraus auch jetzt wieder konstruieren, gibt es nicht.

    Hitler wollte nun mal ursprünglich Maler werden, scheiterte aber 1907 und 1909 zweimal mit seiner Bewerbung für die Wiener Kunstakademie. Deshalb lebte er vom Verkauf von Postkarten, kleinformatigen Bildern und Aquarellen. Die Bilder sind keine Vorboten seiner Verbrechen. Sie huldigen einfach nur sentimental und kitschig einer längst vergangenen Idylle, die sich der mittellose 21-Jährige, der in Männerwohnheimen leben musste, vielleicht zurückwünschte.

    Hitlers frühe Aquarelle sind auch keine gute Kunst: Mit Perspektive und Raumtiefe kam er offenbar nicht zurecht. Die Menschen auf seinen Bildern wirken wie steife Puppen – man sieht Bühnentableaus ohne jedes Leben. Wer für diese platt naturalistischen Darstellungen, wie es in der Vergangenheit nicht selten geschah, bis zu 30.000 Euro bezahlt, zeigt deshalb vor allem, dass er keine Ahnung von Kunst hat. Und wer dieses Geld ausgibt, um vermeintlich historischen Reliquien eines Massenmörders zu huldigen, ist ohnehin ein Idiot.

    Die meisten Hitler-Werke bleiben aber gar nicht in Deutschland. Denn der eigentliche Skandal liegt anderswo – in den USA. Dort vor allem nämlich dauert ein ausgiebiger Führer-Devotionalienkult bis heute an. Die Generation jener GIs, die nach Kriegsende kistenweise geklaute Erinnerungsstücke per Feldpost in ihre Heimat verschickt haben, stirbt aus. Ihre Erben, die mit den Nazi-Souvenirs nichts mehr anfangen können oder wollen, versilbern sie nun zu unglaublichen Preisen. Allein ein Unternehmen im Bundesstaat Georgia bietet zur Zeit an:
    den Zylinder des Diktators für 50.000 Dollar, Gabeln aus der Reichskanzlei mit AH-Monogramm für jeweils 1400 Dollar, eine Tischdecke vom Obersalzberg für 3300, Hitlers angeblichen Siegelring für 18.000 Dollar und seine Pistole für einen ungenannten Preis.

    Und da sollte man sich über tatsächlich mehr als harmlose Aquarelle aufregen, die ein 21-Jähriger Obdachloser gemalt hat? Wozu?