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Keine Kraft für Konsequenzen

Denkt man an Österreich, denkt man an Mozart, die Oper in Wien und Ausflüge in die Berge. An Bestechung denkt man eher selten, aber das Thema Korruption wird in der Alpenrepublik bereits seit Jahren heftig diskutiert.

Von Tom Schimmeck |
    "Da vorne an der Tuchlauben ist das Büro von Karl-Heinz Grasser und seinen Freunderln gewesen, dem Herrn Meischberger und dem Herrn Hochegger, die irrsinnig viele Beraterverträge abgeschlossen haben, aber man weiß nicht wofür."

    Doktor Florian Klenk, Vize-Chefredakteur des Magazins "Falter", bittet zu einem sehr speziellen Stadtrundgang durchs Wiener Zentrum. Eine kleine Korruptions-Tour. Von der Redaktion in der Marc-Aurel-Straße laufen wir Richtung Graben.

    "Wenn wir da vorne rechts blicken, sehen wir den großen Meinl am Graben. Das ist ein Luxus-Supermarkt, der der Meinl-Dynastie gehört. Und Julius Meinl V., der Mann mit der Föhnwelle, fährt hier immer wieder mit dem Bentley durch. Dieser Meinl saß auch kurz in Untersuchungshaft, ist aber gegen eine Kaution von hundert Millionen Euro wieder freigekommen, weil er in einen großen Anlagebetrug verwickelt sein soll."

    Das Verfahren zieht sich. Julius Meinl streitet alle Vorwürfe ab. Ein Gang quer durchs Dickicht österreichischer Skandale. Klenk ist Enthüllungsjournalist, er kennt die Namen der Politiker, die Fälle und Verstrickungen.

    "Herr Grasser, der hier daneben das Büro hatte, war einer der Manager von Herrn Meinl. Und Herr Flöttl, auch ein Spekulant, war wiederum mit der BAWAG liiert. Also wir haben hier so ein Geviert der Leute, die sich gegenseitig kennen."

    An jeder Ecke fällt ihm eine politische Anekdote ein.

    "Jetzt sind wir gerad vorbeispaziert am Restaurant Fabius. Da drinnen sitzt sozusagen die FPÖ- und BZÖ-Partie abends und lässt's sich schmecken. Und man hat sich immer gefragt: Woher haben die das Geld, dass sie hier essen gehen können? Das ist so eine Art Catwalk der Buberlpartie in Wien geworden. Und hier ist die ehemalige BAWAG-Filiale, die Bank für Arbeit und Wirtschaft." - "Das wird gerad umgebaut?" - "Das wird gerad umgebaut. Das hat ein Immobilieninvestor gekauft, ein ganz junger Mann, für den jetzt der Kanzler Gusenbauer mal Beraterleistungen gemacht hat. Die machen da jetzt so ein schickes Ding draus."
    Der sozialdemokratische Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer?

    "Jaja. Nachher. Immer nachher. Nach dem man Politiker ist, wird man Berater."

    Österreich gilt als Korruptionsoase. Vor allem wegen laxer Gesetze, die den Strafverfolgern das Leben schwer machen. Zumal sie notorisch unterbesetzt sind. 2009 wurde in Wien eine Korruptionsstaatsanwaltschaft geschaffen. Ihre Arbeit gleicht der des Sịsyphos: Sieben Ermittler schlagen sich mit jährlich 2700 Anzeigen herum. Die Altfälle türmen sich. Viele Verfahren versanden nach Jahren. Je prominenter der Verdächtige, desto langsamer mahlen die Mühlen der Justiz.

    Parteien können sich hier zwecks Geldbeschaffung fast alles erlauben. Wie korrupt ist Österreich?

    "Versuchen Sie immer, die Korruptionskultur eines Landes zusammenzufassen in einem Schundroman und sie dem einfachsten Leser oder der einfachen Leserin vorzulegen","

    schlägt Anti-Korruptions-Aktivist Peter Pilz vor, ein Veteran der Grünen.

    ""Wenn die das weglegen und sagen: 'So ein Blödsinn, sowas gibt's ja gar net, das ist ja vollkommen übertrieben!' – dann wissen Sie, dass sie mit der Korruption jede Grenze überschritten haben. Der Österreichische Korruptions-Schundroman ist so unglaublich, dass kein Mensch ihn lesen könnte. Weil niemand glauben würde, was drinsteht."

    Schon 2010 kündigte die Regierung eine "Antikorruptionsoffensive" an. Jetzt gibt es neue, vollmundige Versprechen. Nachdem der ÖVP-Europa-Abgeordnete und Ex-Innenminister Ernst Strasser von Journalisten der "Sunday Times" während eines Bestechungsversuchs gefilmt worden war, bei dem er fröhlich seine diskreten Dienste offeriert hatte. Hinterher versuchte er sich als Enthüller zu verkaufen, der nur Beweise sammeln wollte. Warum er die denn nie präsentiert habe, wollte die fassungslose Moderatorin des österreichischen Rundfunks wissen.

    "Ich bin nicht mehr dazu gekommen, leider." - "Aber Herr Dr. Strasser, Sie waren ja sozusagen oberster Chefpolizist Österreichs. Wenn Ihnen das jemand so argumentiert, wie Sie das jetzt tun, würden Sie ihm glauben?" - "Ja, selbstverständlich."

    "Die Menschen denken sich zu Recht, dass hier so einiges nicht passt und dass man mit einigen Dingen aufräumen muss in Österreich.","

    erklärte Strassers Parteifreundin, Justizministerin Claudia Bandion-Ortner vor wenigen Wochen. Dann wurde sie entlassen.

    Österreich hat keine Kraft, Konsequenzen zu ziehen. Dabei waren die Gesetze Anfang 2008 tatsächlich einmal verschärft worden. Nach heftigen Interventionen von Lobbyisten aus Wirtschaft, Kultur und Sport weichte der Nationalrat sie Mitte 2009 wieder auf. Die Korruption ist hier tief verwurzelt.

    Wenn Archäologen dereinst, in 20000 Jahren, im Wiener Untergrund graben werden, glaubt sein Kollege Klenk, dürften sie auf Unmengen von Schlamm stoßen.

    ""Also Österreich ist auch so eine große Sickergrube, wo unglaublich viel versickert."


    Programmtipp

    Mit dem Thema "A bisserl geschmiert - Korruption in Österreich" befasst sich am Samstag, 14.5.2011, um 11:05 Uhr auch die Sendung "Gesichter Europas" im Deutschlandfunk.