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"Keine Kriegsdrohung"

Axel Poniatowski, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung, hat sich dafür ausgesprochen, im Atomstreit mit dem Iran den internationalen Druck zur erhöhen. "Aber im vorliegenden Fall gilt, ein Krieg ist heute keine Option", sagte Poniatowski.

Moderation: Christoph Heinemann | 28.09.2007
    Christoph Heinemann: Die Lage in Birma, der Atomstreit mit dem Iran, in diesem Zusammenhang die französische Warnung vor einem Krieg: Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen werden nicht nur im Plenum Reden gehalten, sondern wird auch hinter den Kulissen beraten, werden Spielräume ausgeleuchtet und -gelotet. In schwierigen Zeiten ist es besonders wichtig, dass die Europäische Union mit einer Zunge redet, aber das ist gegenwärtig nicht einmal zwischen Frankreich und Deutschland der Fall. Seitdem Nicolas Sarkozy im Élysée herumwirbelt, sich gelegentlich mit fremden Federn schmückt wie im Fall der bulgarischen Krankenschwestern oder den deutschen Finanzminister zur Ordnung rufen will, weil der sich erlaubt, den Präsidenten an europäische Sparziele zu erinnern, wächst die Verärgerung dies- und jenseits des Rheins. Wir haben vor dieser Sendung mit Axel Poniatowski gesprochen, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung und gehört der Regierungspartei UMP an. Ich habe ihn zunächst gefragt, wie er die Lage in Birma beurteilt.

    Axel Poniatowksi: Die Lage ist sehr beunruhigend. Die pazifistischen Revolutionen sind oft die gefährlichsten für die Machthaber, in diesem Fall für die birmesische Militärjunta. Wir alle kennen den wirtschaftlichen Zustand des Landes, das Ausmaß der Armut. Die internationale Gemeinschaft ruft die Militärjunta natürlich dazu auf, die Demonstrationen nicht gewalttätig zu unterdrücken, und wir müssen die demokratische Bewegung in dem Land unterstützen.

    Heinemann: Und wenn das Regime diesem Aufruf nicht folgt, wie sollte die internationale Gemeinschaft dann reagieren?

    Poniatowski: Indem man es scharf verurteilt. Natürlich wird es unumgänglich sein, in den Vereinten Nationen eine Resolution zu verabschieden, die diese Unterdrückung scharf verurteilt. Die Lage ist äußerst angespannt. Die internationale Gemeinschaft, die gegenwärtig in New York versammelt ist, richtet ihr Augenmerk auf Birma und die Reaktionen der Junta.

    Druck auf den Iran verstärken
    Heinemann: Herr Poniatowski, ein anderes Problem, der Iran. Besteht die Gefahr eines Krieges im Iran, wie dies der französische Außenminister Kouchner unlängst andeutete?

    Poniatowski: Nein. Es gibt heute gegenüber dem Iran keine Kriegsdrohung. Die Äußerungen von Herrn Kouchner betrafen die aktuelle Lage nicht, das haben wir gesagt. Alles konzentriert sich zurzeit auf eine Verschärfung der Sanktionen gegenüber dem Iran. Ich bin dafür, dass eine neue Resolution der Vereinten Nationen härtere Sanktionen zur Anwendung bringt. Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Iran wirken. Der Iran ist heute weltweit der zweitgrößte Gasproduzent und führt die Hälfte des im eigenen Land benötigten Gases ein. Er ist der drittgrößte Erdölproduzent und importiert fast den gesamten Benzinbedarf, weil das Land über keine funktionierenden Raffinerien verfügt. Die Vereinigten Staaten haben Maßnahmen im Finanzsektor getroffen. So gut wie keine amerikanische Bank arbeitet heute noch mit einer iranischen zusammen, und so halten es auch mehr und mehr westliche Banken. Dieser Druck destabilisiert das Land und sorgt für Unstimmigkeiten innerhalb der iranischen Führung. Wir müssen den Weg der Sanktionen weiter gehen und sie verschärfen, aber heute geht es nicht um die Frage eines Krieges.

    Heinemann: Von Präsident Nicolas Sarkozy stammt die Alternative, la bombe iranienne ou le bombardement de l'Iran, das heißt, eine iranische Atombombe könnte möglicherweise nur durch eine Bombardierung des Iran verhindert werden. Sollte sich die Regierung in Teheran dauerhaft weigern, mit der Internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, wäre ein Krieg dann eine Option?

    Poniatowski: Der Krieg ist immer eine Option. Aber im vorliegenden Fall gilt, ein Krieg ist heute keine Option im Iran. Der Präsident hat gesagt, dies sei die schlechteste aller Lösungen, und man müsse alles unternehmen, damit es nicht dazu kommt.

    Heinemann: Wird Frankreich vollständig in die NATO zurückkehren?

    Poniatowski: Bei dieser Frage muss man zweierlei berücksichtigen, einerseits die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten. Der Präsident möchte, dass sich diese Beziehungen ändern dahingehend, dass wir konstruktiv miteinander reden können. Es geht ihm um Freundschaft, aber nicht um Gefolgschaft. Andererseits, was eine Rückkehr Frankreichs in die integrierte Kommandostruktur betrifft, haben sich die Bedingungen nicht verändert. General de Gaulle hat diese Struktur 1967 verlassen, weil die Amerikaner Frankreich keinen wichtigen Platz im NATO-Kommando überlassen wollten. Als Jacques Chirac 1995 französischer Staatspräsident wurde, gab es abermals Diskussionen über eine Rückkehr Frankreichs. Präsident Chirac stellte damals die Bedingung, dass das Kommando Süd, also der gesamte Mittelmeerraum, unter französisches Kommando gestellt würde. Das war nicht möglich. Die Bedingungen für eine Rückkehr Frankreichs sind unverändert. Die Amerikaner, unsere Alliierten, müssten damit einverstanden sein, dass über die Verantwortung in den Schlüsselpositionen neu diskutiert wird.

    Heinemann: Unterstützt die französische Regierung einen ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, den Bundeskanzlerin Merkel abermals ins Gespräch gebracht hat?

    Poniatowski: Natürlich. Das ist Frankreichs Position.

    "Die deutsch-französische Freundschaft ist wichtig"
    Heinemann: Herr Poniatowski, die deutsch-französischen Beziehungen sind gegenwärtig etwas gespannt, Meinungsunterschiede zwischen Präsident Sarkozy und Bundesfinanzminister Steinbrück, Frau Sarkozys Auftritt bei der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern, Verwunderung über französische Alleingänge und so weiter. In Deutschland hat man bislang nicht den Eindruck, als handele Präsident Sarkozy als Partner. Ist das Strategie, oder sind das Anfangsschwierigkeiten?

    Poniatowski: Die deutsch-französische Freundschaft ist wichtig, von grundsätzlicher Bedeutung für beide Länder und für Europa. Insofern ist das ein ständiges Ziel unserer Beziehungen, aber andererseits haben wir nicht immer die gleichen Interessen, vor allem wirtschaftlich. Das ist nicht gut oder schlecht, es ist einfach so. Immer, wenn neue Führungspersönlichkeiten angefangen haben, liefen die Dinge zunächst etwas schwierig. Das war so unter Mitterrand und Kohl vor rund 20 Jahren, und denken Sie doch nur an die Anfänge von Chirac und Schröder, das war nun wirklich nicht einfach.

    Heute ist das so zwischen Präsident Sarkozy und Frau Merkel. Mich beunruhigt das nicht. Ich denke, dass sich die persönlichen Beziehungen wie immer verbessern werden. Aber unsere Interessen sind manchmal unterschiedlich, etwa in der Frage des Euro. Die deutsche Wirtschaft ist anders strukturiert als die französische, ein hoher Eurokurs beeinträchtigt uns stärker als Deutschland. Auch in der Nuklearwirtschaft, Areva-Siemens, sind unsere Interessen nicht dieselben. Es ist richtig, die Dinge auf den Tisch zu legen, und schlussendlich ist es uns noch immer gelungen, unsere Meinungsverschiedenheiten zu lösen. Ich denke, dass dies abermals der Fall sein wird.

    Heinemann: Wenn Sie die gegenwärtigen deutsch-französischen Beziehungen nach dem in französischen Schulen üblichen Notensystem von 0 bis 20 bewerten sollten, welche Note würden Sie wählen?

    Poniatowski: Nehmen wir für unsere freundschaftlichen Beziehungen die 15.

    Heinemann: Ist die Höchstnote 20 erreichbar, oder ist das wirklichkeitsfremd?

    Poniatowski: Natürlich ist es das. 20 ist irreal. Wir haben uns immer zwischen 15 und 20 bewegt, und auf diesen Stand müssen wir wieder kommen.

    Heinemann: Axel Poniatowski, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung, Mitglied der Regierungspartei UMP.