Mario Dobovisek: Das Schließen von Standorten ist ein wesentlicher Teil der Bundeswehrreform. Lange wurde ein Geheimnis darum gemacht. Seit gestern ist klar: 31 von insgesamt 328 Bundeswehrstandorten werden aufgegeben. 33 weitere, so sagt es Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, würden auf wenige Beschäftigte so reduziert, dass es einer Schließung gleichkomme. Im Saarland zum Beispiel werden zwar keine Kasernen geschlossen, dennoch wird die Zahl der stationierten Soldaten nahezu halbiert.
Von der Bundeswehrreform und deren Standortaufgaben betroffen ist auch Baden-Württemberg. Dort werden vier Standorte geschlossen, darunter auch die Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen. Allein hier fallen über 1.800 militärische und zivile Arbeitsplätze weg. Die Enttäuschung bei Militärs und Einwohnern ist groß:
"Sigmaringen ist mit Sicherheit ein großer Standort, aber von der Tätigkeit, die jetzt in Sigmaringen noch gefordert war, war es eigentlich konsequent, dass man Sigmaringen jetzt aufgibt."
"Ach, das finde ich ja unmöglich! Sigmaringen lebt von denen!" – "Das ist natürlich nicht so gut, der Arbeitsplätzeabbau. Für uns zum Beispiel als Filiale sind auch Kunden, die eventuell dann nicht mehr da sind."
Dobovisek: Sprechen wir mit jemandem, der seit vielen Jahren in Sigmaringen lebt, dort Schüler, Lehrer und sogar Soldat war. Sprechen wir mit Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Was bedeutet das Ende der Bundeswehrkaserne für Sigmaringen, Herr Kretschmann?
Winfried Kretschmann: Ja das ist für diese Garnisonsgemeinde ein ganz tiefer Einschnitt und wirklich dramatisch für die Stadt mit diesen vielen Soldaten. Es ist ja eine kleine Stadt mit 9000 Einwohnern und da kann man sich das vorstellen, was es bedeutet, wenn da 1800 Soldaten abgezogen werden. Das trifft die ins Mark.
Dobovisek: Wie kann ich mir die Auswirkungen auf die Stadt, sagen wir mal, in den nächsten zwei, drei Jahren vorstellen?
Kretschmann: In den nächsten zwei, drei Jahren, da wird ja dieser Abzug erst allmählich erfolgen. Das heißt, erst 2017 muss man da mit einem vollständigen Abzug rechnen. Ich denke, es wird jetzt darum gehen, dass man jetzt nach Alternativen sucht, und da wird die Landesregierung die Stadt unterstützen.
Dobovisek: Wie wird die Landesregierung die Stadt und auch die anderen betroffenen Standorte unterstützen?
Kretschmann: Erst mal geht es darum, Ideen zu haben, was man stattdessen machen kann. Ich sage mal ein Beispiel. Die Stadt Münsingen, das war ein ähnlicher Fall bei der letzten Bundeswehrreform. Dort gibt es inzwischen das Zentrum eines Biosphärengebietes und denen geht es besser als vorher. Also man muss da jetzt nicht verzweifeln, sondern das ist nun mal so, der Bundesverteidigungsminister hat das so entschieden, und jetzt muss man schauen, welche Alternativen hier sind. Das ist natürlich schwierig, weil Sigmaringen ist eine Schulstadt, hat jetzt nicht irgendwie groß Industrie, also das wird da nicht ganz einfach.
Dobovisek: Wird es da Hilfen, auch finanzielle Hilfen vom Land geben?
Kretschmann: Erst mal werden wir natürlich schauen, dass wir aus den Töpfen, die wir schon haben, das sind Städtebau-Förderungsmittel, dass wir da natürlich die Standorte, die jetzt so bluten mussten oder gar geschlossen wurden, dass wir da prioritär die Mittel verwenden, wenn da Möglichkeiten sind. Da ist jetzt Kreativität vor allem erst gefragt. Die Mittel kommen dann schon.
Dobovisek: Also Kreativität im Ausnutzen der bestehenden Mittel, aber ohne zuzügliche Mittel?
Kretschmann: Ja, richtig, weil das würde unseren Landeshaushalt sprengen. Also erst mal muss man was finden, die Mittel sind da, und wenn man dann mehr braucht, dann muss man schauen, was der Haushalt zulässt. Aber das sind in erster Linie auch gar nicht finanzielle Fragen, sondern da geht es um Ideen. Und dann muss man sehen: Der Bund ist in erster Linie da in der Verantwortung, vor allem, dass die Liegenschaften so vermittelt werden, nicht mit irgendwelchen Mondpreisen, sondern dass da nicht nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegangen wird, sondern auch nach strukturpolitischen. Da erwarten wir vom Bund, dass er den Standortgemeinden da auch hilft im richtigen Umgang mit den Liegenschaften, mit den Gebäuden, mit den Grundstücken.
Dobovisek: Statt Mondpreisen also vielleicht Schleuderpreise?
Kretschmann: Nein. Ich meine, man muss nicht immer in Extremen denken, sondern es geht da um eine vernünftige Linie, die zum Beispiel den örtlichen Preisen angemessen ist.
Dobovisek: Und Ihre Kollegen aus den anderen betroffenen Bundesländern, so hören wir, fordern auch einen finanziellen Ausgleich vom Bund. Das soll auch Thema sein auf der heute in Lübeck beginnenden Konferenz der Ministerpräsidenten. Was erwarten Sie?
Kretschmann: Ja gut, da bin ich ja dabei, bei dieser Ministerpräsidentenkonferenz. Wie gesagt, ich wäre schon erst mal hoch zufrieden, wenn der Bund da eine etwas andere Politik mit seinen Liegenschaften machen würde, wie wir das bisher leider oft erfahren mussten.
Dobovisek: Wie sah das bisher aus?
Kretschmann: Na ja, da wurde wirklich knallhart reingeschaut, nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglichst viel da reinzuholen. Aber die paar Millionen, die machen den Bund nicht wirklich reicher, aber so eine Kommune entschieden ärmer, und das Verhältnis muss man ins richtige Maß setzen.
Dobovisek: Dass es auch anders gehen kann, das sehen wir zum Beispiel in Immendingen bei Tuttlingen. Dort wird ein Standort mit fast 1000 Soldaten aufgegeben und dort freut sich der Bürgermeister sogar, weil damit offenbar der Weg frei wird für ein Test- und Prüfzentrum eines großen Automobilkonzerns. Sind das also auch große Chancen, die mit diesem Rückzug verbunden sind?
Kretschmann: Ja, und ich meine, da haben wir uns wirklich krummgelegt für Immendingen, dass der Bundesverteidigungsminister das auch akzeptiert hat. Er hat ja noch mal erklärt, aus funktionalen Gründen hätte der Standort nicht geschlossen werden müssen, und wir haben da schwer gekämpft, dass durch diese Ansiedlung von Daimler mit der Teststrecke, das sind etwa 300 Arbeitsplätze, die da entstehen werden. So was ist dann gut. Und wir haben auch noch an einem anderen Standort ein ähnliches Vorhaben von Bosch, sodass wir sagen müssen, dass wir auch industrie- und wirtschaftspolitisch da einiges erreicht haben bei der Reform. Darüber bin ich froh und das waren sehr konstruktive Gespräche, die ich da mit dem Herrn de Maizière und mit dem Daimler-Chef Zetsche hatte.
Dobovisek: Wie schwer ist denn Baden-Württemberg überhaupt insgesamt dann betroffen vom Konsolidierungskurs der Bundeswehr, wenn wir jetzt hören, dass es Licht und Schatten gibt?
Kretschmann: Ja, wir sind sehr stark davon betroffen und der Aderlass beträgt über ein Drittel der Dienststellen. Also wir sind da ganz hart getroffen worden.
Dobovisek: Die Bundeswehrreform soll ja erheblich Kosten einsparen. Helfen Sie mir da bitte noch mal auf die Sprünge, Herr Kretschmann. Welchen Sinn ergibt es dann, wenn jetzt andere Ministerpräsidenten diesen finanziellen Ausgleich fordern, den Sie jetzt nicht ganz so hoch hängen, wenn also Geld wieder zurück an die Länder fließen soll?
Kretschmann: Ja gut, ich halte nichts davon, dass eine Ebene, die kein Geld hat, von einer anderen, die noch weniger Geld hat, immer was fordert, sondern das muss in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Aber man muss sehen: diese Konversionsprogramme aufzulegen für die Standorte, ist ja eine völlig andere Größenordnung als die Einsparungen, die die Reform insgesamt erbringt. Aber wie gesagt, ich erwarte da jetzt nicht so viel vom Bund, sondern ich hoffe, dass bei den Liegenschaften da eine vernünftige Linie gefahren wird. Dann bin ich schon zufrieden.
Dobovisek: Mal abgesehen von den Einzelschicksalen der betroffenen Standorte, auch nach den angesprochenen Erwartungen, ist die Verkleinerung der Bundeswehr von 220.000 auf 185.000 Soldaten der richtige Weg?
Kretschmann: Ja, ich denke schon. Das liegt allerdings nicht in meiner Kompetenz. Grundsätzlich hat die Bundeswehr heute völlig andere Aufgaben. Sie wird eine technische Armee, sie wird eine Freiwilligenarmee, und dafür braucht man hoch spezialisierte Streitkräfte und nicht viele. Also insofern ist der Weg sicher richtig. Aber ich meine, ich persönlich habe die Abschaffung der Wehrpflicht außerordentlich bedauert. Sie war eine demokratische Errungenschaft ersten Ranges und hat die Soldaten tief in der Bevölkerung verankert, und wir merken das am Ansehen, dass unsere Soldaten im Ausland erfahren.
Dobovisek: Die Wehrpflicht ist ja bloß ausgesetzt, Herr Kretschmann. Soll sie dann irgendwann mal, wenn es nach Ihnen ginge, zurückkommen?
Kretschmann: Das kann man heute nicht sagen. Das ist ja auch von der demografischen Entwicklung abhängig. Die Frage ist: Wird es klappen, dass die Bundeswehr auch gutes Personal auf freiwilligem Wege erhält, bei der demografischen Entwicklung, wo ja auch die Wirtschaft sehr stark um Fachkräfte werben wird. Also das müssen wir mal abwarten. Aber sagen wir, jedenfalls führt daran nichts vorbei, dass eine hoch technisierte Armee im 21. Jahrhundert mit völlig anderen Aufgaben, zum Beispiel friedenserhaltende Einsätze im Ausland, anders strukturiert sein muss wie noch zu Zeiten des Kalten Krieges.
Dobovisek: Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Im Rahmen der Bundeswehrreform bleiben in seinem Bundesland vier Standorte auf der Strecke. Vielen Dank für das Gespräch.
Kretschmann: Ja, bitte schön!
Dobovisek: Und wir haben es für sie vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Von der Bundeswehrreform und deren Standortaufgaben betroffen ist auch Baden-Württemberg. Dort werden vier Standorte geschlossen, darunter auch die Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen. Allein hier fallen über 1.800 militärische und zivile Arbeitsplätze weg. Die Enttäuschung bei Militärs und Einwohnern ist groß:
"Sigmaringen ist mit Sicherheit ein großer Standort, aber von der Tätigkeit, die jetzt in Sigmaringen noch gefordert war, war es eigentlich konsequent, dass man Sigmaringen jetzt aufgibt."
"Ach, das finde ich ja unmöglich! Sigmaringen lebt von denen!" – "Das ist natürlich nicht so gut, der Arbeitsplätzeabbau. Für uns zum Beispiel als Filiale sind auch Kunden, die eventuell dann nicht mehr da sind."
Dobovisek: Sprechen wir mit jemandem, der seit vielen Jahren in Sigmaringen lebt, dort Schüler, Lehrer und sogar Soldat war. Sprechen wir mit Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Was bedeutet das Ende der Bundeswehrkaserne für Sigmaringen, Herr Kretschmann?
Winfried Kretschmann: Ja das ist für diese Garnisonsgemeinde ein ganz tiefer Einschnitt und wirklich dramatisch für die Stadt mit diesen vielen Soldaten. Es ist ja eine kleine Stadt mit 9000 Einwohnern und da kann man sich das vorstellen, was es bedeutet, wenn da 1800 Soldaten abgezogen werden. Das trifft die ins Mark.
Dobovisek: Wie kann ich mir die Auswirkungen auf die Stadt, sagen wir mal, in den nächsten zwei, drei Jahren vorstellen?
Kretschmann: In den nächsten zwei, drei Jahren, da wird ja dieser Abzug erst allmählich erfolgen. Das heißt, erst 2017 muss man da mit einem vollständigen Abzug rechnen. Ich denke, es wird jetzt darum gehen, dass man jetzt nach Alternativen sucht, und da wird die Landesregierung die Stadt unterstützen.
Dobovisek: Wie wird die Landesregierung die Stadt und auch die anderen betroffenen Standorte unterstützen?
Kretschmann: Erst mal geht es darum, Ideen zu haben, was man stattdessen machen kann. Ich sage mal ein Beispiel. Die Stadt Münsingen, das war ein ähnlicher Fall bei der letzten Bundeswehrreform. Dort gibt es inzwischen das Zentrum eines Biosphärengebietes und denen geht es besser als vorher. Also man muss da jetzt nicht verzweifeln, sondern das ist nun mal so, der Bundesverteidigungsminister hat das so entschieden, und jetzt muss man schauen, welche Alternativen hier sind. Das ist natürlich schwierig, weil Sigmaringen ist eine Schulstadt, hat jetzt nicht irgendwie groß Industrie, also das wird da nicht ganz einfach.
Dobovisek: Wird es da Hilfen, auch finanzielle Hilfen vom Land geben?
Kretschmann: Erst mal werden wir natürlich schauen, dass wir aus den Töpfen, die wir schon haben, das sind Städtebau-Förderungsmittel, dass wir da natürlich die Standorte, die jetzt so bluten mussten oder gar geschlossen wurden, dass wir da prioritär die Mittel verwenden, wenn da Möglichkeiten sind. Da ist jetzt Kreativität vor allem erst gefragt. Die Mittel kommen dann schon.
Dobovisek: Also Kreativität im Ausnutzen der bestehenden Mittel, aber ohne zuzügliche Mittel?
Kretschmann: Ja, richtig, weil das würde unseren Landeshaushalt sprengen. Also erst mal muss man was finden, die Mittel sind da, und wenn man dann mehr braucht, dann muss man schauen, was der Haushalt zulässt. Aber das sind in erster Linie auch gar nicht finanzielle Fragen, sondern da geht es um Ideen. Und dann muss man sehen: Der Bund ist in erster Linie da in der Verantwortung, vor allem, dass die Liegenschaften so vermittelt werden, nicht mit irgendwelchen Mondpreisen, sondern dass da nicht nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegangen wird, sondern auch nach strukturpolitischen. Da erwarten wir vom Bund, dass er den Standortgemeinden da auch hilft im richtigen Umgang mit den Liegenschaften, mit den Gebäuden, mit den Grundstücken.
Dobovisek: Statt Mondpreisen also vielleicht Schleuderpreise?
Kretschmann: Nein. Ich meine, man muss nicht immer in Extremen denken, sondern es geht da um eine vernünftige Linie, die zum Beispiel den örtlichen Preisen angemessen ist.
Dobovisek: Und Ihre Kollegen aus den anderen betroffenen Bundesländern, so hören wir, fordern auch einen finanziellen Ausgleich vom Bund. Das soll auch Thema sein auf der heute in Lübeck beginnenden Konferenz der Ministerpräsidenten. Was erwarten Sie?
Kretschmann: Ja gut, da bin ich ja dabei, bei dieser Ministerpräsidentenkonferenz. Wie gesagt, ich wäre schon erst mal hoch zufrieden, wenn der Bund da eine etwas andere Politik mit seinen Liegenschaften machen würde, wie wir das bisher leider oft erfahren mussten.
Dobovisek: Wie sah das bisher aus?
Kretschmann: Na ja, da wurde wirklich knallhart reingeschaut, nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglichst viel da reinzuholen. Aber die paar Millionen, die machen den Bund nicht wirklich reicher, aber so eine Kommune entschieden ärmer, und das Verhältnis muss man ins richtige Maß setzen.
Dobovisek: Dass es auch anders gehen kann, das sehen wir zum Beispiel in Immendingen bei Tuttlingen. Dort wird ein Standort mit fast 1000 Soldaten aufgegeben und dort freut sich der Bürgermeister sogar, weil damit offenbar der Weg frei wird für ein Test- und Prüfzentrum eines großen Automobilkonzerns. Sind das also auch große Chancen, die mit diesem Rückzug verbunden sind?
Kretschmann: Ja, und ich meine, da haben wir uns wirklich krummgelegt für Immendingen, dass der Bundesverteidigungsminister das auch akzeptiert hat. Er hat ja noch mal erklärt, aus funktionalen Gründen hätte der Standort nicht geschlossen werden müssen, und wir haben da schwer gekämpft, dass durch diese Ansiedlung von Daimler mit der Teststrecke, das sind etwa 300 Arbeitsplätze, die da entstehen werden. So was ist dann gut. Und wir haben auch noch an einem anderen Standort ein ähnliches Vorhaben von Bosch, sodass wir sagen müssen, dass wir auch industrie- und wirtschaftspolitisch da einiges erreicht haben bei der Reform. Darüber bin ich froh und das waren sehr konstruktive Gespräche, die ich da mit dem Herrn de Maizière und mit dem Daimler-Chef Zetsche hatte.
Dobovisek: Wie schwer ist denn Baden-Württemberg überhaupt insgesamt dann betroffen vom Konsolidierungskurs der Bundeswehr, wenn wir jetzt hören, dass es Licht und Schatten gibt?
Kretschmann: Ja, wir sind sehr stark davon betroffen und der Aderlass beträgt über ein Drittel der Dienststellen. Also wir sind da ganz hart getroffen worden.
Dobovisek: Die Bundeswehrreform soll ja erheblich Kosten einsparen. Helfen Sie mir da bitte noch mal auf die Sprünge, Herr Kretschmann. Welchen Sinn ergibt es dann, wenn jetzt andere Ministerpräsidenten diesen finanziellen Ausgleich fordern, den Sie jetzt nicht ganz so hoch hängen, wenn also Geld wieder zurück an die Länder fließen soll?
Kretschmann: Ja gut, ich halte nichts davon, dass eine Ebene, die kein Geld hat, von einer anderen, die noch weniger Geld hat, immer was fordert, sondern das muss in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Aber man muss sehen: diese Konversionsprogramme aufzulegen für die Standorte, ist ja eine völlig andere Größenordnung als die Einsparungen, die die Reform insgesamt erbringt. Aber wie gesagt, ich erwarte da jetzt nicht so viel vom Bund, sondern ich hoffe, dass bei den Liegenschaften da eine vernünftige Linie gefahren wird. Dann bin ich schon zufrieden.
Dobovisek: Mal abgesehen von den Einzelschicksalen der betroffenen Standorte, auch nach den angesprochenen Erwartungen, ist die Verkleinerung der Bundeswehr von 220.000 auf 185.000 Soldaten der richtige Weg?
Kretschmann: Ja, ich denke schon. Das liegt allerdings nicht in meiner Kompetenz. Grundsätzlich hat die Bundeswehr heute völlig andere Aufgaben. Sie wird eine technische Armee, sie wird eine Freiwilligenarmee, und dafür braucht man hoch spezialisierte Streitkräfte und nicht viele. Also insofern ist der Weg sicher richtig. Aber ich meine, ich persönlich habe die Abschaffung der Wehrpflicht außerordentlich bedauert. Sie war eine demokratische Errungenschaft ersten Ranges und hat die Soldaten tief in der Bevölkerung verankert, und wir merken das am Ansehen, dass unsere Soldaten im Ausland erfahren.
Dobovisek: Die Wehrpflicht ist ja bloß ausgesetzt, Herr Kretschmann. Soll sie dann irgendwann mal, wenn es nach Ihnen ginge, zurückkommen?
Kretschmann: Das kann man heute nicht sagen. Das ist ja auch von der demografischen Entwicklung abhängig. Die Frage ist: Wird es klappen, dass die Bundeswehr auch gutes Personal auf freiwilligem Wege erhält, bei der demografischen Entwicklung, wo ja auch die Wirtschaft sehr stark um Fachkräfte werben wird. Also das müssen wir mal abwarten. Aber sagen wir, jedenfalls führt daran nichts vorbei, dass eine hoch technisierte Armee im 21. Jahrhundert mit völlig anderen Aufgaben, zum Beispiel friedenserhaltende Einsätze im Ausland, anders strukturiert sein muss wie noch zu Zeiten des Kalten Krieges.
Dobovisek: Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Im Rahmen der Bundeswehrreform bleiben in seinem Bundesland vier Standorte auf der Strecke. Vielen Dank für das Gespräch.
Kretschmann: Ja, bitte schön!
Dobovisek: Und wir haben es für sie vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.