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Keine Pressefreiheit auf den Trauminseln

Trauminseln, Idylle unter Palmen, Touristenparadies. Das war das Image der Malediven bis zum 26. Dezember 2004. Zwar hat der Tsunami auf der Inselgruppe nicht so große Schäden wie in der indonesischen Provinz Aceh angerichtet, aber die Urlauber bleiben trotzdem aus. Die Malediven leben vom Tourismus. Verzweifelt versucht die Regierung nun wieder Gäste in ihre Ferien-Resorts zu locken.

Von Gerlind Vollmer |
    Diese Woche beginnt in Berlin die Internationale Tourismus Börse ITB. Viele Aussteller aus den Malediven reisen nach Berlin. Auch die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" kommt auf die ITB und wird dort ihre Kampagne: "Die Kehrseite der Paradiese" vorstellen. Denn nur wenige Touristen wissen, dass die Inselgruppe seit 26 Jahren autoritär von Präsident Gayoom regiert wird. Auch das indonesische Bali gilt als Ferienparadies. Wer hier Urlaub macht, kann sich nur schwer vorstellen, dass die indonesische Regierung in der Unruheprovinz Aceh hart durchgreift, Zensur und Unterdrückung dort an der Tagesordnung sind. Seit dem Tsunami wird viel über die Aufräumarbeiten und die Not der Menschen in Aceh berichtet. Wenig hat man dagegen über den Konflikt zwischen der indonesischen Regierung und den Rebellen der GAM erfahren. Berichterstattung darüber ist unerwünscht. Niemand soll von den Schäden an der Ostküste Sumatras berichten, denn das ist Rebellengebiet. Dort kämpft die GAM seit Jahrzehnten gegen die indonesische Zentralregierung. Die deutsche Fernsehjournalistin Inge Altemeier ist dennoch in dieses Gebiet gereist.

    Eine handvoll Indonesier, die Gesichter geschwollen und voller blauer Flecke. Offensichtlich sind sie gefoltert worden. Ein Polizeioffizier kommt vorbei, schlägt einen der Gefangenen ins Gesicht - eine Szene aus dem Dokumentarfilm: "Der Tsunami-Krieg", von der deutschen Fernsehjournalistin Inge Altemeier. Der Film zeigt Bilder, die die Welt nicht sehen soll.

    "Zum Beispiel diese Verhaftung von den GAM-Leuten, die da gefoltert worden sind. Da war auch ein Bericht im indonesischen Fernsehen, aber da waren die Schläge, die die noch gekriegt haben vor der Kamera, die waren da nicht drin. Da waren nur ganz kurze Bilder von ihrer Verhaftung, die Waffen und der O-Ton von dem Polizeioberstleutnant. Das andere hab ich halt dann zugespielt gekriegt, wo man die Folter richtig sehen kann."

    Ein junger indonesischer Journalist hat ihr die Aufnahmen besorgt. Der 24 Jahre alte Imram lebt im Untergrund, muss sich immer wieder vor der Polizei verstecken.

    "Imran schreibt für eine Zeitung, Aceh KITA, unter einem Pseudonym, wo er wöchentlich auflistet, wie viel Menschenrechtsverletzungen es gegeben hat. Und wo er Fotos macht -furchtbare Fotos - von zerschlagenen Menschen, von grausamen Folterungen durch das Militär. Ich mein, das muss man überlegen, auch er selber ist durch das Militär mehrere Male festgehalten und gefoltert worden, trotzdem macht er diese Arbeit weiter, gegen diese innere Angst."

    Doch seine Arbeit trägt wenig Früchte, denn die Zeitschrift "Aceh Kita" - Unser Aceh, darf zwar publiziert werden, doch kaum jemand traut sich, das Blatt zu kaufen und zu lesen.

    "Weil jeder, der diese Zeitschrift in der Hand hat, ist potentiell ein Mitglieder GAM, und damit verdächtig. Insofern hätten sie die Möglichkeit, den Zugang zu haben, aber das ist eigentlich eine ganz interessante Form, finde ich, der Einschränkung der Presserechts, dass man durchaus Zeitschriften erlaubt, dann kann man gut dastehen im Ausland und sagen: wir erlauben ja alles, aber dass sich niemand traut, sie zu lesen und zu kaufen."

    Imram hat Inge Altenmeier während der Arbeit an ihrem Film wichtige Kontakte verschafft, sie in entlegene Dörfer geführt, ihr bei Interviews als Übersetzer zur Seite gestanden. Doch plötzlich war er weg, nicht mehr zu erreichen. Eine letzte SMS kam noch: "Ich werde verfolgt". Inge Altemeier machte sich große Sorgen. Sie schaltete die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" ein.

    "Ich hab’ dann angefangen wirklich alle Kollegen und Freunde zu alarmieren, weil ich gedacht hab, das ist der einzige Schutz, den ich ihm geben kann, dass wir wissen, dass es ihn gibt. Und dass es langfristig auch der einzige Schutz für seine Arbeit ist, dass wir mit ihm in Kontakt bleiben, das wir seine Geschichte erzählen. Denn er ist derjenige, der solche Filme, wie ich sie gemacht haben, eigentlich erst möglich macht."

    Mit Hilfe von Reporter ohne Grenzen hat Imran inzwischen einen internationalen Presseausweis erhalten und auch Inge Altemeier wird weiter mit ihm zusammenarbeiten.

    Internationale Aufmerksamkeit ist oft der einzige Schutz für regierungskritische Journalisten. Das hat auch der Malediver Ibrahim Lutfy erlebt. Seine Heimat: Weiße Traumstrände, Palmen, Meer. Doch das Leben in diesem Paradies wurde für ihn zur Hölle. Im Jahr 2001 gründete er den unabhängigen Internet-Newsletter Sandhaanu – zu deutsch: ‚Thron des Königs’. Dort prangerte er Korruption, Machtmissbrauch des Präsidentenclans und Folter in den Gefängnissen an. Lutfy wurde wegen "Beleidigung" und Umsturzversuch" angeklagt, kam selbst in Haft.

    "Im Gefängnis haben sie mich gefoltert. Sie haben mich fast erhängt. Elf Tage lang lag ich in Ketten und wurde nur drei Mal am Tag zu dem Mahlzeiten losgeschlossen. Ich war sehr sehr schwach, meine Augen und Beine waren geschwollen und ich konnte nicht einmal mehr laufen."

    Seine Familie setzte die Regierung unter Druck, alarmierte die internationale Gemeinschaft. Schließlich wurde Lutfy für eine Augenoperation nach Sri Lanka gebracht. Dort konnte er fliehen. Heute lebt er als politischer Flüchtling in der Schweiz. Von Basel aus publiziert er Sandhaanu weiter. Denn:

    "Auf den Malediven gibt es keine Pressefreiheit. Die Presse steht unter völliger Kontrolle von Präsident Gayoom, seinem Schwager, seinen alten Schulfreunden und Vertrauten. Keine der Zeitungen auf den Malediven kann als frei und unabhängig bezeichnet werden. Präsident Gayoom kontrolliert alles."

    So unterbindet die Regierung auch den Kontakt zwischen Touristen und Einheimischen. Urlauber werden am Flughafen von ihren Tour-Agenten abgeholt und direkt auf bestimmte Ferieninseln in ihre Hotelanlagen gebracht. Die Einheimischen leben auf anderen Inseln.

    "Es kann sein, dass direkt neben einer Ferieninsel eine Insel ist, auf der Häftlinge gefoltert werden, aber das werden die Touristen nicht erfahren. Sollte jemand nachfragen, wird man ihnen sagen: Die Regierung nutzt diese Insel für diese und jene Zwecke, aber niemals werden sie sagen, dass es dort ein Gefängnis gibt, wo Menschen gefoltert werden."

    Seit Ibrahim Lutfy in der Schweiz lebt, erzählt er seine Geschichte immer wieder. Amnesty International, das Internationale Rote Kreuz und Reporter ohne Grenzen haben ihm zugehört und Druck auf Präsident Gayoom ausgeübt. Die schlimmsten Gefängnisse sind mittlerweile geschlossen, doch Pressefreiheit gibt es auf den Malediven immer noch nicht.