Archiv


Keine Routine bei der Bundeswehr-Ausbildungseinheit in Abu Dhabi

Remme: Bundesverteidigungsminister Peter Struck hat in Ägypten gestern Station gemacht, heute war er in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Anlass seines Besuches dort in der Nähe der Hauptstadt Abu Dhabi ist eine deutsche Ausbildungseinheit, die irakische Soldaten ausbildet. Kommandeur dieser Einheit ist Oberstleutnant Wolfgang Stonis und er ist jetzt am Telefon. Herr Stonis, bei Ihnen ist ja der Tag schon etwas weiter fortgeschritten, ist der Minister noch da?

Moderation: Klaus Remme |
    Stonis: Ja, wir haben hier drei Stunden Zeitvorsprung zu Deutschland. Die Mittagssonne brennt gerade runter. Der Minister hat uns zwei Stunden besucht und ist jetzt nach Abu Dhabi gefahren.

    Remme: Ist dieser Einsatz für Sie und Ihre Leute Routine?

    Stonis: Nein, so etwas kann niemals Routine sein, wie auch sämtliche Auslandeinsätze der Bundeswehr nicht Routine sind, auch wenn sie über Jahre laufen. Es hat natürlich dieser Einsatz etwas besonderes, weil es die erste Mission ist, bei der deutsche Ausbilder irakische Soldaten auf dem Boden der Emirate ausbilden und das hat schon etwas Prickelndes.

    Remme: Sind Sie für diesen Einsatz eigens geschult worden?

    Stonis: Wir haben das gleiche Gerät in Deutschland, bilden dort unsere Soldaten aus, es galt nur auf die Besonderheiten der Leute, auf den Glauben und vor allem auf die Sprachbarriere Rücksicht zu nehmen. Ansonsten fahren wir prinzipiell die gleiche Ausbildung wie in Deutschland, können natürlich das Gelände hier, gerade die Wüste, die ähnlich ist wie Wüstengegenden im Irak - nach Erzählung der irakischen Soldaten - optimal nutzen und sie so auch in dem Terrain ausbilden, wie sie es dann zu Hause vorfinden.

    Remme: "Rücksicht auf die Sprache", sagen Sie, das heißt, wie verständigen Sie sich?

    Stonis: Teilweise in Englisch, aber ich habe zehn Dolmetscher für die Ausbildung. Das sind alles Ingenieure aus dem arabischsprachigen Raum, die auch mit ihren naturwissenschaftlichen Fachwissen die Sprachbarriere helfen zu überwinden, damit sie auch Fachausdrücke wie Differenzialsperre oder Kolbenring dann rüberbringen können vom Deutschen ins Arabische. Das läuft erstaunlich gut und die Resonanz bei unseren irakischen Kameraden ist durchweg positiv.

    Remme: Und dann haben Sie gesagt, "Rücksicht auf den Glaube", was heißt das?

    Stonis: Ja, zum Beispiel, heute ist Freitag, da ist das Freitagsgebet zwingend für einen Moslem, das ist um 12.10 Uhr, das heißt, die Ausbildung ist so zu konzipieren, dass wir spätestens um 11.30 Uhr uns einstellen, dass die Kameraden sich vorbereiten und um 12.10 ihr Freitagsgebet sprechen können. Hier ist dann die Ausbildung nachrangig und hier gilt es Rücksicht zu nehmen auf diese Belange.

    Remme: Ausgebildet werden ja, wenn ich es richtig verstehe, die irakischen Soldaten an Bundeswehrlastkraftwagen. Darf ich mal flapsig fragen, Bedarf es einen aufwendigen Auslandseinsatzes um Irakis das LKW fahren beizubringen?

    Stonis: Wir bringen ihnen nicht das Lkw-Fahren bei. Das war eine Vorraussetzung. Wir haben hier keine Grundausbildung gemacht und vermitteln auch kein Führerschein, aber sie müssen dieses bedienen können, handhaben und wenn sie dieses nicht richtig machen, immer mit überhöhten Drehzahlen fahren oder die Differenzialsperren nicht lösen, nachdem sie das Gelände verlassen, dann haben diese Fahrzeuge eine Lebensdauer von 10.000 bis 15.000 Kilometern und dann sind sie kaputt. Wenn sie das so bedienen, wie wir es ihnen gezeigt haben, können über 10 bis 20 Jahre, wie auch in der Bundeswehr diese Geräte noch genutzt werden, gefahren werden.

    Remme: Was sind das für Leute, die Sie ausbilden? Welche Dienstgrade sind das? Geht das quer durch?

    Stonis: Ja, quer Beet, wir haben alles vom 18-jährigen Newcomer bis zum 50-jährigen Veteranen, der schon lange in der Armee Saddam Husseins gedient hat. Dienstgrade sind in Masse Feldwebel und einige wenige Offiziere. Diese werden der Nukleus sein, zum Aufbau in der irakischen Armee. Wir bilden jetzt im Prinzip die Ausbilder aus, die in Zukunft die eigenen Soldaten an diesem Gerät schulen.

    Remme: Sie werden sicherlich im Rahmen dieser Zusammenarbeit nicht nur über Differenzialsperren und Kolbenringen sprechen und Sie haben eben auch von Kameraden gesprochen. Heißt das, da entsteht eine enge Verbindung?

    Stonis: Ja, das ist erstaunlich fix gelaufen. Das sind Menschen wie Du und ich, die lachen genauso gerne wie wir. Man kam natürlich über die Dolmetscher ins Gespräch, Familie, Anzahl der Kinder, acht bis zwölf Kinder ist durchaus normal und sie belächeln uns, wenn wir dann sagen, wir haben ein oder zwei Kinder. Das können sie gar nicht verstehen und dann gehen die Gespräche auch weiter. Was wir vermeiden, ist, nach der Vergangenheit zu fragen und nach der Gefährdung, aber wenn sie es uns erzählen, ist das auch ein Thema.

    Remme: Spüren Sie denn bei diesen Leuten Angst? Denn offensichtlich sind ja gerade diejenigen im Visier von Terroristen, die mit dem Westen zusammenarbeiten?

    Stonis: Angst spüren wir nicht, denn sie wollen ihrem Land und ihrer Armee helfen, indem sie zum Aufbau etwas beitragen und deshalb gehen sie auch das ganze sehr motiviert an. Aber gerade bei dem Medieninteresse, was in Deutschland sehr stark ist, achten wir darauf, dass wir die Kameraden nur von hinten oder von der Seite filmen oder zumindest das Gesicht unkenntlich machen, so dass, wenn diese Fotos mal in Bagdad auftauchen sollten, hier eine Identifizierung nicht möglich ist.

    Remme: Sind Sie persönlich froh darüber, dass sich die Bundesregierung festgelegt hat, eine solche Ausbildung zum Beispiel jetzt in der Gegend von Abi Dhabi durchzuführen und nicht im Irak?

    Stonis: Ja, also wir als Soldaten und vor allem unsere Familien sind sehr froh, dass wir nicht im Irak diese Ausbildung machen. Es gibt auch gute Gründe dafür: Erst mal wäre es eine unnötige Gefährdung. Warum sollte ich ein Ausbildung nicht in sicherem Terrain machen und mich stattdessen einer unnötigen Gefährdung aussetzen? Zum zweiten wäre der Aufwand der Ausbildung im Irak immens höher und teurer, denn für die Ausbilder müsste ich ja ein vielfaches an Sicherungskräften und Logistikkräften mitnehmen und das wären Kosten, die man sich so sparen kann. Die dritte Botschaft ist, dass ja auch das regionale Umfeld um den Irak in die Aufbauhilfe miteingebunden wird und wir sind der emiratischen Seite sehr dankbar, dass sie uns sehr positiv unterstützen. Sie bezahlen sehr viel, Kost und Logis ist frei, sie unterstützen wo sie können und so ist es ein trilaterales Projekt, das allen Seiten hilft.

    Remme: Werden Sie Weihnachten wieder zu Hause sein?

    Stonis: Ja, ich sage immer scherzhaft, "Wir haben die Rückflugtickets vor den Hinflugtickets gebucht", ja wir fliegen am 22. zurück, so dass wir noch ein paar Geschenke kaufen können. Es gibt hier zwar sehr viel, aber so einige individuelle Sachen dann doch nicht und meine Leute werden am Heiligen Abend alle bei ihren Familien sein.