Archiv


"Keine Übereinstimmung"

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Klaas Hübner, hat die Ansicht geäußert, die Mehrheit der Sozialdemokraten sei gegen eine Öffnung zur Linkspartei. In der Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik seien deren Ansichten und die der SPD diametral entgegengesetzt, sagte Hübner.

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: Mit Grippe und vereiterten Mandeln liegt der Parteichef im Bett, während seine SPD - vor allem der Parteirat - heute über den Kurswechsel debattiert, den Kurt Beck indirekt eingeschlagen hat: die Öffnung der SPD zur Linken. Und dabei wird sich so mancher vermutlich zähneknirschend hinter Beck stellen, schon um dem Eindruck vom Wochenende zu entgehen, nämlich dass eine Art Palastrevolte im Gange ist, dass die eher pragmatisch orientierten Figuren wie Steinbrück und Steinmeier eine Revolte gegen den Parteichef planten. Am Telefon ist nun Klaas Hübner, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecher des Seeheimer Kreises. Guten Tag Herr Hübner!

    Klaas Hübner: Guten Tag Herr Schütte!

    Schütte: Ist die Parteilinke innerhalb der SPD unaufhaltsam im Aufwind, während der konservative und pragmatische Flügel abstürzt?

    Hübner: Nein, das kann ich so nicht sehen. Wir haben momentan eine Diskussion in der Partei, inwieweit wir uns gegenüber der Linkspartei öffnen sollen. Wir haben beschlossen, dass formal die Landesverbände das immer selber entscheiden können für ihr Land. Man muss aber trotzdem natürlich sagen, dass das kein Beschluss ist für eine Öffnung den Linken gegenüber, sondern nur dass sie eine Möglichkeit haben. Man muss dann genau abstufen, inwieweit es inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Ich kann diese derzeit in den westdeutschen Bundesländern nicht erkennen, auf Bundesebene sowieso gar nicht, und ich glaube wir müssen darauf achten, dass wir auch in den Ländern unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Das heißt das was ich vor der Wahl gesagt habe, muss ich nach der Wahl auch tun. Wenn ich vor der Wahl wie zum Beispiel in Hessen klar sage, ich will keine wie auch immer geartete Kooperation mit der Linkspartei eingehen, dann muss das auch nach der Wahl gelten.

    Schütte: Das heißt Kurt Beck begeht Wortbruch?

    Hübner: Nein, Kurt Beck begeht gar keinen Wortbruch. Kurt Beck hat einfach eine Selbstverständlichkeit formuliert, nämlich dass die Landesverbände selber entscheiden können. In dem Vorstandsbeschluss ist eine Empfehlung an die Hessen ausgesprochen worden, dass sie sehr ernsthafte Gespräche mit der FDP und mit den Grünen aufnehmen sollen, nötigenfalls auch mit der Union, und zwar mit dem echten Ziel, eine tragfähige Regierung zu bilden, eine Koalition zu bilden. Es ist dort ausdrücklich erwähnt worden, dass man keine Gespräche führen sollte mit der Linkspartei. Insofern hat Kurt Beck doch einen richtigen Weg vorgegeben.

    Schütte: Nun sagt das SPD-Vorstandsmitglied Ottmar Schreiner, die Mehrheit in der SPD steht hinter Beck, das heißt hinter einem tendenziell linken Kurs. Wie passt das zusammen mit Ihrer Einschätzung, dass es gar keinen Flügelkampf gibt?

    Hübner: Natürlich steht die Mehrheit der Partei hinter Kurt Beck, ich auch und alle anderen auch. Er ist ein guter Parteivorsitzender, dem es gelungen ist, in den letzten zwei Jahren die SPD auf einen guten und ruhigen Pfad zu führen.

    Schütte: Aber stehen Sie dort mit vollem Herzen, oder weil Sie wissen, es gibt derzeit keine Alternative zu Beck?

    Hübner: Nein. Ich habe Kurt Beck auch persönlich immer kennen gelernt als einen sehr, sehr zuhörenden, kommunikativen Menschen, der auch die Meinung anderer hören will, der versucht, die Meinung dort normalerweise auch breit dort mit einzubinden. Insofern halte ich ihn für einen guten Parteivorsitzenden. Inhaltlich ist es aber in der Tat eine Frage, der wir uns stellen müssen: Sollen wir uns der Linkspartei stärker öffnen oder nicht? Diesen Diskurs fahren wir gerade momentan. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Parteibasis für eine Öffnung der Linken ist. Zumindest kriegen wir viele E-Mails, die uns an der Stelle etwas anderes sagen. Denn es geht vor allen Dingen darum festzustellen: Haben wir inhaltliche Übereinstimmungen mit der Linkspartei? Und in der Wirtschafts-, in der Finanz-, vor allen Dingen auch in der Außenpolitik haben wir nicht nur keine Übereinstimmungen, sondern diametrale Gegensätze, die in meinen Augen momentan ein Zusammengehen mit der Linkspartei unmöglich machen.

    Schütte: Wenn Sie sagen, die Mehrheit in der SPD steht gar nicht hinter dem Kurs von Kurt Beck, sich der Linken zu öffnen, weshalb dann die breite Unterstützung?

    Hübner: Kurt Beck hat nicht einen Kurs eingeschlagen, sich zur Linken zu öffnen, sondern er hat gesagt, dass jeder Landesverband es selber entscheiden kann.

    Schütte: Aber indirekt heißt das doch genau dies!

    Hübner: Nein. Das heißt nur einmal, dass die Landesverbände selber entscheiden können, mit wem sie koalieren wollen. Das müssen sie aber nach inhaltlichen Vorgaben machen. Kurt Beck hat ja mit dem Vorstandsbeschluss auch sehr deutlich gemacht, dass man anhand inhaltlicher Kriterien gucken soll, mit wem kann man zusammen koalieren. Ich glaube wenn man diese inhaltlichen Kriterien einmal aufschreibt, sich überlegt was die SPD in den letzten Jahren für eine Politik vertreten hat, dann werden sie sehr schnell feststellen, dass die Linkspartei gegen all das ist, was wir beschlossen haben, was wir meines Erachtens richtigerweise beschlossen haben, auch mit der Agenda 2010, so dass man hier keine Übereinstimmung mit der Linkspartei wird finden können.

    Schütte: Ist Kurt Beck für Sie der geeignete Kandidat, um bei der Bundestagswahl 2009 gegen Angela Merkel zu gewinnen?

    Hübner: Kurt Beck ist in jedem Fall ein geeigneter Kandidat für die Partei, auch als Kanzlerkandidat anzutreten, aber das ist keine Diskussion, die wir heute führen, sondern Kurt Beck wird als Parteivorsitzender und wahrscheinlich ziemlich genau in einem Jahr seinen Vorschlag unterbreiten, wer die Kanzlerkandidatur für die SPD übernehmen soll. Das werden wir dann diskutieren und auch beschließen, aber das ist keine Debatte für heute. Es ist eine Debatte, die dann ansteht, wenn sie ansteht, nämlich wenn Bundestagswahlen anstehen. In diesem Jahr wird das nicht der Fall sein, sondern erst im nächsten Jahr.

    Schütte: Aber warum ist die Kanzlerkandidatur noch kein Thema, sofern Beck die klare und unumstrittene Führungsfigur in der SPD ist?

    Hübner: Ganz einfach, weil er sich selber noch gar nicht entschieden hat. Zumindest habe ich von ihm noch nichts gehört. Er hat immer gesagt, dass er der Partei einen Vorschlag unterbreiten will. Das ist nicht nur sein Recht; das ist auch seine Pflicht als Parteivorsitzender. Dem will keiner von uns vorgreifen, sondern wir warten ab, was für einen Vorschlag uns Kurt Beck dann zum gegebenen Zeitpunkt unterbreitet. Dann werden wir diesen diskutieren und entscheiden.

    Schütte: Sie sagen sie warten ab. Sie lehnen sich zurück, warten vielleicht, dass Beck noch weiter abstürzt in den Umfragen, um dann möglicherweise Herrn Steinmeier ins Rennen zu schicken?

    Hübner: Nein, überhaupt nicht. Wir wollen weiterhin Kurt Beck als starken Parteivorsitzenden haben. Wir sind alle interessiert daran, dass die SPD insgesamt wieder weiter erstarkt. Nur haben wir momentan keine Not. Die nächste Bundestagswahl ist voraussichtlich in 16 Monaten und insofern macht es gar keinen Sinn, heute über Kanzlerkandidaturen zu spekulieren. Wir haben noch ein Stück Weg mit der Großen Koalition vor uns, wo wir auch einiges umsetzen wollen. Wir haben gerade mit der Koalition in der letzten Woche getagt und uns auf einige Dinge verabredet. Der Wahlkampf wird dann im nächsten Jahr im Mai beginnen und dann wird es knackig und kurz werden. Viel früher müssen wir uns aber auch gar nicht einigen auf einen neuen Kanzlerkandidaten.

    Schütte: Kurt Beck ist stark, sagen Sie. Kann er derzeit walten und schalten wie er will, weil die SPD personell keine Alternative ins Rennen schicken möchte?

    Hübner: Ich habe gar nicht den Eindruck, dass er so agiert, sondern im Gegenteil. Er ist ja derjenige, der sehr, sehr stark auch mit den Landes- und Bezirksvorsitzenden in der Partei kommuniziert, was früher unter anderen Vorsitzenden nicht immer so der Fall gewesen ist. Er versucht, auch die Partei ganz, ganz breit mitzunehmen und einzubinden. Insofern ist er gerade eben keiner, der schaltet und waltet wie er will, sondern jemand, der versucht, das breit mit einzubinden. Ich finde das gut!

    Schütte: Klaas Hübner, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecher des Seeheimer Kreises. Ich danke für das Gespräch.